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Deutschlands Museen fürchten Budgetkürzungen

Sarah Hucal
30. April 2020

Sechs Wochen Corona-Lockdown, das dauert vielen im Kulturbereich schon zu lange. Nun stehen die Museen hierzulande vor der Wiederöffnung. Vor dem Tag X mischen sich vielerorts Hoffnung und Sorge.

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Deutschland Bundeskunsthalle in Bonn
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hackenberg

Eine Woche noch, dann könnte das Kunstmuseum Barberini in Potsdam seine Pforten wieder öffnen, hofft Dorothee Entrupp. Sie koordiniert und überwacht die Vorbereitungen. "Wir haben ein ausgefeiltes Hygiene- und Sicherheitskonzept erarbeitet", sagt Entrupp der Deutschen Welle. Danach gilt vom ersten Tag an Maskenpflicht. Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Besucher werden auf einem ausgeklügelten Rundweg durch das mehrgeschossige Gebäude geleitet. Kassen wurden mit sogenannten Spuckschutzwänden ausgestattet. Audioguide-Geräte sind nicht mehr ausleihbar, stattdessen können Besucher eine Info-App auf ihr eigenes Handy laden. Eintrittskarten gibt es – bis auf wenige Restkarten – nur noch online, und für begrenzte Zeitfenster. "Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter und Besucher hat oberste Priorität", betont Entrupp.

Palais Barberini Potsdam
Vor der Wiedereröffnung: das Museum Barberini in PotsdamBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Ähnliches sagen derzeit viele deutsche Museen. Und ähnlich ungewiss ist vielerorts der genaue Wiederöffnungstermin. Im Barberini etwa hat die Stadt Potsdam das letzte Wort. Zuvor hatte das Land Brandenburg grünes Licht für eine Öffnung der Museen erteilt, als erstes Bundesland neben Thüringen. "Rein technisch sehe ich wenig Probleme", sagt Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes. "Wir haben große Flächen, wir besitzen das Know-How für Eintrittsregelungen, um alle Vorschriften einzuhalten." Natürlich könne man nicht sofort wieder in den Normalbetrieb gehen, so Köhne. "Aber warum sollte es schwieriger sein, ein Museum zu öffnen als beispielsweise ein Autohaus?"

Porträt Eckart Köhne, Präsident Deutscher Museumsbund
Eckart Köhne, Präsident des Deutschen MuseumsbundesBild: Badisches Landesmuseum/Foto: Uli Deck

Öffnung unter strengen Auflagen

Um die strengen Hygieneauflagen einhalten zu können, hat der Museumsbund schon mal zusätzliches Geld für seine 3800 Mitgliedsmuseen gefordert: Für eine schrittweise Öffnung werde mehr Personal gebraucht, sagt Museumsbund-Geschäftsführer David Vuillaume der DW – und das trotz geringerer Einnahmen und weniger Besuchern. Noch 2019 zählten die 7000 Deutschen Museen fast 115 Millionen Besucher. Doch seit Mitte März ist der Besucherstrom versiegt, gezwungenermaßen.

Das Runterfahren des Museumsbetriebs, so scheint es, war viel unkomplizierter als der Weg aus dem Lockdown: "Es ist nicht trivial, ein Museum wieder aufzumachen", sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger der Nachrichtenagentur dpa. Berlins berühmte Museen jedenfalls wollen in der Corona-Krise nur langsam wieder ihre Pforten öffnen. Zu den Staatlichen Museen der von Bund und Ländern getragenen Stiftung zählen 13 Sammlungen in 19 Häusern. Die als Weltkulturerbe ausgewiesene Museumsinsel im Zentrum Berlins besuchten zuletzt jährlich gut drei Millionen Menschen.

Porträt Hermann Parzinger
Sieht die Wiedereröffnung der Museen kritisch: Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer KulturbesitzBild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Angst vor dem Besucheransturm

In Thüringen wollen in dieser Woche bis zu 20 Häuser wieder öffnen, davon die Mehrheit in städtischer Trägerschaft. Ihnen hat der Landes-Museumsverband Empfehlungen an die Hand gegeben, die vom Abstandhalten über Besucherführung bis zum Schutz von Mitarbeitern und Besuchern reichen. "Unser Hygienekonzept steht", meldet etwa Matthias Hartmann, Chef des Naturkundemuseums Erfurt. Normalerweise kommen jeden Monat bis zu 5000 Menschen – je zur Hälfte Familien und Schulklassen – in seine Sammlungen. Solange die Schulen noch geschlossen sind, fürchtet Hartmann einen Besucheransturm erlebnisfreudiger Menschen, die der häuslichen Enge entfliehen wollen. "Dann wird es bei uns kritisch!"

 

Pressebild Naturkundemuseum Erfurt | Präparationsabteilung
Naturkundemuseum Erfurt / Blick in die PräparationsabteilungBild: Naturkundemuseum Erfurt/Sheila Baumbach

Voller Vorfreude blickt dagegen Thomas Müller, Chef der Kornbrennerei Nordhausen und des dazugehörenden Privatmuseums, auf den Tag X, wenn es wieder losgeht: "Wir sind gut vorbereitet", sagt Müller der DW. Während der Corona-bedingten Schließungszeit haben zwei der fünf Mitarbeiter die 5000 Exponate fotografiert, inventarisiert und digitalisiert. "Unser neuer multimedialer Museumsguide führt die Besucher jetzt durch die alte Brennerei", so Müller, "nur auf die Verkostung müssen wir vorerst verzichten."

Neue Videoreihe im Kölner Ludwig-Museum

Alte Standgefäße aus Glas, Porzellan und Holz, ein Apothekergarten voller Heilpflanzen, vor allem aber das historische Labor des Apothekers und Chemikers Johann Christian Wiegleb (1732-1800) erwarten die Besucher im Thüringer Apothekenmuseum Bad Langensalza. Wiegleb gründete die erste private Lehranstalt Deutschlands zur Ausbildung von Pharmaziegesellen. Museumsleiterin Sabine Tominski rechnet mit einem "Kraftakt", wenn ihr Haus in dieser Woche wieder öffnet, das in dem historischen Haus Rosenthal aus dem 16. Jahrhundert residiert.

Blick in das Labor des deutschen Pharmazie-Pioniers  Johann Christian Wiegleb
Blick in das Labor des deutschen Pharmazie-Pioniers  Johann Christian WieglebBild: Stadt Langensalza

Derweil laufen im Kölner Museum Ludwig die Vorbereitungen auf Hochtouren. Zur anstehenden Wiederöffnung hat das auf moderne Kunst spezialisierte Haus eine siebenteilige Videoreihe im Internet gestartet, die einzelne Werke und Kunstpositionen der aktuellen Schau "Mapping the Collection" vorstellt. "In der Coronazeit haben wir unser digitales Programm massiv hochgefahren", sagt Sprecherin Sonja Hempel. Gleiches bestätigt ihr Kollege Sven Bergmann von der Bonner Bundeskunsthalle. "Wir lernen aus dieser Zeit," so Bergmann, "dass man nicht alles digital darstellen kann." Trotz schönster Filme, virtueller 360-Grad-Rundgänge und vielem mehr sei der Museumsbesuch vor dem Original eben nicht ersetzbar. Die Bundeskunsthallewill nach der Wiederöffnung ihre Schau "Wir Kapitalisten"verlängern. Mit der Dauer von einem Tag war sie die kürzeste Ausstellung in der Geschichte der Bonner Kunsthalle.

In Dresden haben die Behörden angekündigt, dass die dortigen Museen ab dem 4. Mai öffnen dürfen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind ein Museumsverband aus 15 Museen. Am 4. Mai will man die Führungen durch die im Residenzschloss untergebrachten Sammlungen wieder aufnehmen - unter anderem im Grünen Gewölbe, wo im vergangenen November ein spektakulärer Juwelenraub stattfand. Doch gehen die Staatlichen Kunstsammlungen noch einen Schritt weiter: Sie haben auch ein Bildungsprogramm für Kinder aufgelegt, die während des Corona-Ausbruchs zu Hause festsaßen. Im Kurs "Wie hoch ist...?" etwa können Kinder ein 450 Jahre altes mathematisches Instrument ausprobieren. "Wer in Zeiten von #bleibtdaheeme ("zu Hause bleiben") Abwechslung sucht," so Claudia Schmidt, Leiterin der Museumspädaogik, "findet hier auf jeden Fall etwas, das die Zeit wie im Flug vergehen lässt." 

Wie in den Hamburger Deichtorhallen ist auch in der Frankfurter Kunsthalle Schirn noch offen, wann der Museumsbetrieb wieder starten kann. In der Schirn, wo vor der Schließung die Mammutschau "Phantastische Frauen" startete, hofft Sprecherin Johanna Pulz ebenfalls auf eine Verlängerung. Bei 80 Leihgebern aus aller Welt stellt das die Kuratoren vor besondere Herausforderungen: "Da gibt es viel abzustimmen, und viele Transportfragen sind zu klären", sagt Pulz. Im Museum fragen viele Anrufer, wann sie endlich wieder ins Museum können. "Hoffentlich bald!"

Kurzarbeit in den Museen

Neben vager Hoffnung hat die Corona-Krise unter den Museumsleuten auch handfeste Sorgen ausgelöst. Zum einen erlaubt ein brandneuer Zusatz-Tarifvertrag Deutschlands Städten und Gemeinden ab sofort, die Beschäftigten ihrer Museen in die – weniger gut bezahlte – Kurzarbeit zu schicken. Und tatsächlich gibt es bereits Häuser – etwa in Thüringen - die davon Gebrauch machen. "So zementiert man die Schließung noch länger", warnt Museumsbund-Präsident Köhne, "und könnte die Museen sehr beschädigen!" Schlimmer noch wären Budgetkürzungen als Folge des Drucks auf die öffentlichen Kassen: "Das wäre ein fataler Schritt", so Köhne zur DW, "denn mit dem Kürzen an der Kultur hat noch nie jemand einen Haushalt saniert!"

Update: Nach Informationen der Funke Mediengruppe vom 30.04. stellt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur zehn Millionen Euro für das Programm "Neustart" aus dem Kulturetat bereit. Insbesondere kleine und mittlere Museen, Ausstellungshallen, Gedenkstätten sowie soziokulturelle Zentren und Kulturhäuser stehen im Fokus der Maßnahmen, wie es demnach aus dem Kanzleramt heißt.