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Schuldknechte und Dienstmädchen ohne Rechte

Vladimir Müller12. Juni 2005

Noch immer werden Kinder in den ärmsten Ländern dieser Welt als billige Arbeitskräfte missbraucht. Nicht nur die Vereinten Nationen gehen dagegen an. Auch private Organisationen kämpfen für die Rechte der Kinder.

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Ein junges Mädchen trägt Baumaterial-Alltag in IndienBild: AP

Kinderarbeit gibt es genauso lange, wie es Menschen gibt. Nicht jedes Kind, das arbeitet, ist gefährdet, und nicht jede Form der Kinderarbeit gehört verboten. Der von der UNO ausgerufene "Welttag gegen die Kinderarbeit" erinnert an Kinder, die als Sklavenarbeiter schuften, die erzwungene sexuelle Dienstleistungen oder illegale Aktivitäten verrichten. Beinahe 180 Millionen Kinder in der Welt teilen Schätzungen zufolge dieses Schicksal. Dagegen ergreifen verschiedene Organisationen verstärkt Maßnahmen, um ausbeuterische Kinderarbeit in der Welt zu bekämpfen.

"Informeller Sektor"

"Grundsätzlich ist es hilfreich zu sagen: Jede Arbeit, die grundlegend die Rechte des Kindes verletzt, ist nicht tragbare Kinderarbeit", sagt Klaus Heidel, Koordinator im "Forum Kinderarbeit", einem Netzwerk von deutschen Nichtregierungsorganisationen. Kinder schuften in allen Wirtschaftsbereichen, und es gibt kaum eine Tätigkeit, die nicht von Kindern verrichtet wird. Nach Angaben der "Internationalen Arbeiterorganisation" (ILO) arbeiten die weitaus meisten Kinder im so genannten informellen Sektor - also dort, wo es weder Verträge noch Sozialleistungen gibt: Sie arbeiten mit ihren Eltern in der Landwirtschaft, verdingen sich in den Fabriken oder als Dienstmädchen. Vier von fünf dieser Kinder erhalten keinen Lohn für ihre Arbeit.

Kinderarbeit in Pakistan
Drei kleine Jungen besticken in einer Textilfabrik in Multan einen Stoff für ein HochzeitskleidBild: dpa

Asien und Afrika immer noch traurige Spitzenreiter

Klaus Heidel informiert: "Die absolut höchste Zahl haben wir in Asien, vor allem in Südasien, die größte Dichte allerdings in Afrika. In Südasien hängt das sehr stark zusammen mit traditionellen Sozialsystemen, in Indien und Nepal eben auch mit dem Kastensystem. In Afrika ist die Zunahme der Kinderarbeit eindeutig auch eine Folge von wirtschaftlichen Verarmungsprozessen."

In Deutschland sind schon in den 1990er Jahren Initiativen entstanden, die auf dem indischen Subkontinent Kinderarbeit in der Teppichproduktion bekämpfen. Die bekannteste Initiative, "Rugmark", ist ein Zusammenschluss von Produzenten, Teppichhändlern und Hilfsorganisationen. Mehrere hundert Teppichhersteller und Exporteure in Indien und Nepal haben Lizenzverträge abgeschlossen. Sie verpflichten sich, keine Kinder unter 14 Jahren zu beschäftigen, Mindestlöhne zu zahlen und alle Aufträge offen zu legen. Die Hersteller zahlen 0,25 Prozent und die Importeure ein Prozent des Importpreises an "Rugmark".

Davon werden von "Rugmark" die Überwachung der angeschlossenen Knüpfstühle durch unabhängige Inspektoren und, was besonders wichtig ist, die Rehabilitations- und Ausbildungsprogramme für ehemalige Kinderarbeiter finanziert. Unter dem Siegel "Rugmark" werden dann Teppiche exportiert, die garantiert von keinen Kinderhänden geknüpft worden sind.

Engagement noch immer nicht ausreichend

Allerdings ist das nach Ansicht von Klaus Heidel lediglich ein kleiner Erfolg: "Ich denke, in einzelnen Wirtschaftsbereichen - wie in diesem Fall in der Teppichindustrie - sind solche Warenzeichen sinnvoll und hilfreich. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass eben weltweit weniger als fünf Prozent aller Kinder für den Export arbeiten, so dass solche Warenzeichen an der Gesamtproblematik nicht viel ändern."

Individuelle Hilfe erforderlich

Ein neuer Ansatz tritt vielerorts verstärkt in den Vordergrund: Das Ziel ist, die Rechte der arbeitenden Kinder zu stärken. So setzen sich zum Beispiel Organisationen in manchen Gegenden Indiens für eine "menschlichere Gestaltung" der Kinderarbeit ein - für kürzere Arbeitszeiten, Gesundheitsschutz und bessere Löhne.

Mädchen knüpft einen Teppich
In Afghanistan knüpft ein kleines Mädchen jeden Tag TeppicheBild: AP

Doch auch hier muss unterschiedlich vorgegangen werden, erklärt Klaus Heidel: "Wenn Sie einen 6-jährigen Jungen nehmen, der in Indien in der Form von Schuldknechtschaft, also in der Form von Sklaverei, in einem Steinbruch arbeitet und dessen Situation vergleichen mit der eines 13-jährigen Mädchens, das in Managua auf der Straße Süßigkeiten verkauft, dann wird sofort deutlich, dass die unterschiedlichen Formen von Kinderarbeit auch unterschiedliche Antworten erfordern. Da man die Situation des Jungen in Indien nicht verbessern kann, muss es um eine sofortige Befreiung aus dieser Situation gehen. Im Falle des Mädchens in Managua geht es darum, dass sie so arbeiten kann, dass sie auch zur Schule gehen kann. Insgesamt wird ihre Entwicklung dadurch gestärkt und nicht geschädigt."

Kind als Lemo-Verkäufer in Indien
Anstatt in der Schule zu sitzen, muss dieser Junge in Neu Dehli Limonade verkaufenBild: AP

Unterstützung weltweit

Die UNO verurteilte Kinderarbeit 1989 durch eine Kinderrechtskonvention. Über 130 Staaten haben sie bisher ratifiziert. 2002 wurde mit dem ersten "Welttag gegen Kinderarbeit" ein internationaler Gedenktag eingerichtet, der jährlich am 12. Juni stattfindet. Seit 2003 wird im Rahmen dieses Gedenktages auch verstärkt auf den Kinderhandel hingewiesen.

Doch die Weltorganisation entwickele ihre Strategien zur Armutsbekämpfung ohne Bezug auf die Situation der Kinder, lautet der Vorwurf einiger Nichtregierungsorganisationen. Klaus Heidel bemerkt dazu: "Grundsätzlich stehen Kinder und Jugendliche nicht im Mittelpunkt der Bemühungen um Armutsbekämpfung. Das ist deswegen erstaunlich, weil in ganz vielen Ländern, die besonders arm sind, der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung bei über 50 Prozent liegt."

Helfer wehren sich gegen Kritik

Aber auch an der Arbeit der Hilfsorganisationen wird Kritik geübt. "Ein Tropfen auf dem heißen Stein" oder gar "nur ein Alibi für das schlechte Gewissen der westlichen Gesellschaften" seien die Aktivitäten der Helfer, so Kritiker. Klaus Heidel widerspricht: "Wenn es nur darum ginge, etwa Kinder aus bestimmten Arbeitsverhältnissen zu holen, wäre das nicht sinnvoll. Aber heute gehen alle Maßnahmen, die sich mit der Situation arbeitender Kinder beschäftigen, davon aus, dass sie natürlich ganzheitlich sein müssen.

Weiterhin dürfen die Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Kinder ohne jedes Einkommen dastehen. Auch die Entwicklungen von Dorfgemeinschaften müssen bedacht werden. Letztlich muss man fragen: Welche weltwirtschaftlichen Strukturbedingungen brauchen wir eigentlich, damit die Rechte der Kinder durchgesetzt werden können? Insofern ist es grundsätzlich nicht zutreffend, die Maßnahmen zur Verbesserung der Lage von Kindern nur als Alibi-Funktion zu bezeichnen."