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KonflikteBurkina Faso

Schulze in Burkina Faso und Benin: Perspektiven gegen Terror

Katrin Gänsler in Cotonou, Benin
3. März 2024

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze will in Burkina Faso Gesprächsbereitschaft demonstrieren - gegenüber einer Militärjunta. In ihrem zweiten Reiseziel Benin geht es um das Vertrauen der Menschen in den Staat.

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Bundesentwicklungshilfeministerin Svenja Schulze mit Arbeiterinnen einer Maniokchips-Fabrik in Nigeria (Archivbild)
Kein Westafrika-Neuling: Bundesentwicklungshilfeministerin Svenja Schulze mit Arbeiterinnen einer Maniokchips-Fabrik in NigeriaBild: Leon Kuegeler/photothek/picture alliance

Das letzte Februarwochenende wird Adama Sawadogo, der in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou lebt, wohl nie vergessen. "Die Lage ist nicht einfach. Während des Wochenendes hat es wirklich überall im Land Angriffe gegeben und diese auch noch zeitgleich. Kirchen wurden ebenso wie Moscheen Ziel der Anschläge", sagt Sawadogo, der sich ehrenamtlich um Binnenvertriebene kümmert. Nach Informationen der katholischen Diözese Dori wurden im Dorf Essakané-Village während der Sonntagsmesse 15 Menschen ermordet. Die Föderation der islamischen Vereinigungen von Burkina Faso (FAIB) spricht von 14 Personen, die in einer Moschee in der Stadt Natiaboani im Osten des Landes umgebracht wurden, darunter der Imam.

Und bei Überfällen auf drei Dörfer in der nördlichen Provinz Yatenga sind nach bisherigen Erkenntnissen der Behörden mindestens 170 Menschen getötet worden. Der zuständige Staatsanwalt Aly Benjamin Coulibaly erklärte dazu an diesem Sonntag, er sei vor einer Woche über die "massiven tödliche Angriffe" in den Dörfern Komsilga, Nodin und Soroe informiert worden. Die Opfer seien "hingerichtet" und zahlreiche weitere Menschen verletzt worden.

Es ist die schwerste Anschlagsserie seit langem in dem Sahelstaat mit seinen 22 Millionen Einwohnern, in dem sich der Terrorismus seit 2016 immer mehr ausbreitet.

Adama Sawadogo sitzt an einem Holzpult
Adama Sawadogo hilft in Ouagadougou ehrenamtlich BinnenvertriebenenBild: Katrin Gänsler/DW

Burkina Faso ist am Montag die erste Station der Westafrika-Reise von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die auch Vorsitzende der Sahel-Allianz ist. Nach Angaben eines Sprechers des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) investiert diese derzeit rund 28 Milliarden US-Dollar in der Region. "Deutschland und Europa sind an guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu den Ländern Westafrikas interessiert. Das gelingt nur mit Engagement und respektvoller, pragmatischer Politik. Das fängt an damit, die Probleme zu sehen und ernst zu nehmen", heißt es aus dem Ministerium gegenüber der DW

Gespräche mit der Militärregierung

Sichtbar sind vor allem die Folgen des Terrorismus: Den aktuellsten Zahlen der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR zufolge waren im März 2023 rund zwei Millionen Menschen auf der Flucht. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung lebte bereits im Jahr 2020 nach Daten der Weltbank unterhalb der Armutsgrenze. Knapp 3,4 Millionen haben laut Unicef keinen Zugang mehr zum Gesundheitssystem.

Nach Einschätzung von Adama Sawadogo hatten die jüngsten Anschläge ein Ziel: Die Terroristen seien "gekommen, um uns zu zeigen, dass sie stark sind. Letztendlich sind sie aber nur schwach", sagt der Ehrenamtler der DW. Denn es werde durchaus Menschen geben, die zurück in ihre Dörfer gehen, weil sich die Sicherheitslage gebessert habe. Das sei der Armee zu verdanken. "Wir wissen, dass all jene, die uns verteidigen, mutig sind. Wir sind sicher, dass der Terrorismus in Burkina Faso aufhört." 

Registrierung von Geflüchteten
Rund zwei Millionen Burkinabé sind auf der Flucht vor dem TerrorBild: Katrin Gänsler/DW

Nach zwei Staatsstreichen im Jahr 2022 ist in Burkina Faso das Militär an der Macht, und Hauptmann Ibrahima Traoré steht an der Staatsspitze. Gemeinsam mit Mali und Niger kündigte das Land Ende Januar an, aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS auszutreten. Die Folgen gelten als gravierend für die ganze Region. Auch das wird ein Thema der Reise der deutschen Ministerin sein. Laut BMZ geht es "darum, wie möglichst viel regionale Zusammenarbeit im Interesse der Bevölkerung erhalten bleiben kann".

Gewalt im Norden von Benin

Die Militärregierung wird von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) zunehmend scharf kritisiert. "Die burkinischen Behörden wenden immer brutalere Methoden an, um vermeintliche Kritiker und Gegner zu bestrafen und zum Schweigen zu bringen", zitierte HRW seine leitende Sahel-Forscherin Ilaria Allegrozzi. Ihren Erkenntnissen zufolge seien seit Ende November mindestens sechs Mitglieder der politischen Opposition sowie Aktivisten verschwunden. Seit dem vergangenen Jahr können Volljährige gegen ihren Willen zur Wehrpflicht gezwungen werden.

Nach Burkina Faso geht die Reise weiter in das Küstenland Benin. Im nördlichen Grenzgebiet des 13-Millionen-Einwohner-Landes ist es ebenfalls zu Terrorangriffen gekommen. Nach Erkenntnissen der niederländischen Denkfabrik Clingendael verbreiten Anhänger - darunter auch Beniner - der einst in Mali gegründeten und der Al Qaida nahe stehenden "Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime" (JNIM) in Moscheen klare religiöse Botschaften, die etwa den Konsum von Alkohol, Tabak und Schweinefleisch verbieten.

Mit der Regierung unzufrieden

Nach Einschätzung von Kamal Donko, einem promovierten Geografen der Universität Bayreuth und wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut Lasdel in Parakou im Norden Benins, sind Jugendliche durchaus empfänglich für solche Botschaften. "Im ländlichen Raum gibt es Armut, Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit. Das hängt mit Maßnahmen der Regierung zusammen. Das kann dazu führen, dass sich junge Menschen radikalisieren."

Eine Garküche am Straßenrand
Parakou im Norden Benins: Armut im ländlichen RaumBild: Katrin Gänsler/DW

Aus dem Sahel in die Küstenstaaten überschwappen kann nach Einschätzung von Donko aber noch etwas anderes: der Frust der jungen Generation auf alte Eliten und die einstige französische Kolonialmacht. "Junge Menschen in den Grenzregionen wollen das, was sich anderswo abspielt, womöglich kopieren." Proteste gegen die Regierung können das Land schwächen. Nach Einschätzung des BMZ arbeitet Benin daran, auch mit deutscher Unterstützung staatliche Strukturen zu stärken und diese abseits der Wirtschaftsmetropole Cotonou sichtbarer zu machen.

Ausbildung gegen Migration und Extremismus

Auch berufliche Bildung soll für bessere Perspektiven sorgen. Dafür setzt sich Jules Tohountode in der Stadt Dogbo im Südwesten unweit der Grenze zu Togo ein. Er ist Präsident der nichtstaatlichen Organisation Education Services International (ESI), die dort ein Ausbildungszentrum betreibt. Junge Menschen können sich zum Automechaniker, Bäcker oder Schweißer ausbilden lassen. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: "Viele Menschen mit akademischer Ausbildung und Diplom werden weder vom Staat noch von Unternehmen angestellt." Gut ausgebildete Handwerker seien indes gefragt oder können sich selbstständig machen.

Jules Tohountode an seinem Schreibtisch
Für Jules Tohountode gehen solide Ausbildungen Hand in Hand mit innerer SicherheitBild: Katrin Gänsler/DW

Jules Tohountode sagt, dass Unternehmen gezielt nach Handwerkern suchen und unbefristete Verträge vergeben. Das heißt: Es werden Steuern gezahlt, während die große Mehrheit im informellen Sektor arbeitet. Zentral ist für Tohountode allerdings die soziale Komponente: Ein bezahlter Job, der Freude macht, beugt der Abwanderung vom Land in die Stadt vor, was den ländlichen Raum stärkt. "Für den Terrorismus gilt das ebenfalls. Ist jemand beschäftigt, ist das schon eine Schranke. Er wird sich nicht so schnell extremistischen Gruppen anschließen ."

Mitarbeit: Katharina Kroll

Aktuelle Zahlen ergänzt mit Informationen der Agentur afp