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Politik

Schwarze Woche für Kandidat Sarkozy

Barbara Wesel
29. September 2016

Die Skandalserie um Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy geht weiter. Er will 2017 erneut kandidieren - aber ein Enthüllungsbuch und Beweise für Wahlkampfspenden von Gaddafi machen ihm zu schaffen.

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Frankreich Le Touquet Nicolas Sarkozy Rede
Bild: Reuters/P. Rossignol

"Nichts hält mich von meinem Plan ab, dem Volk zu dienen! Nichts, aber auch gar nichts!" Nicolas Sarkozy setzt im Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der konservativen Republikaner auf die  volle Dosis Pathos: Er brauche "eine sehr dicke Haut" in dieser Situation. Aber auch der "abscheulichste Verrat" werde ihn nicht von seinem Ziel abbringen. Begangen wurde dieser "Verrat" von Sarkozys ehemals engstem Berater Patrick Buisson, mit dem er allerdings schon seit 2012 verfeindet ist.

Buissons Attacke kann Sarkozy gerade jetzt, knapp zwei Monate vor seinem Etappenziel, überhaupt nicht brauchen: Ende November wird in einer Art Vorwahl der Präsidentschaftskandidat der französischen Konservativen ausgesucht. Nach den jüngsten Umfragen liegt der Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, immer noch vier bis sechs Prozentpunkte vor Sarkozy. Das ist eigentlich kein Vorsprung, der sich nicht aufholen ließe - aber die neuen Enthüllungen sind für Sarkozy ein Schlag ins Genick.

Sympathie für den Front National

"Die Sache des Volkes" nennt Patrick Buisson sein gerade erschienenes Buch, in dem er mit Anekdoten und anhand privater Aufzeichnungen seiner Treffen mit Sarkozy den Kandidaten rundum diskreditiert. Etwa nach dessen Wahlsieg 2007: Da soll der frischgebackene Präsident seinen Berater aufgefordert haben, ein Geheimtreffen mit dem damaligen Chef des rechtspopulistischen Front National (FN), Jean-Marie Le Pen zu organisieren. "Finde heraus, was er will", protokollierte Buisson das Gespräch. Noch früher zurück, in seine Zeit als Innenminister 2005, reicht ein anderes Zitat aus Buissons Dossiers. Natürlich hätten die Konservativen auch Gemeinsamkeiten mit dem FN, soll Sarkozy damals erklärt haben: "Die Werte des Front National sind die Werte aller Franzosen."

Frankreich Paris FRANCE-POLITICS-BUISSON
Racheakt eines Intimus: Patrick BuissonBild: Getty Images/AFP/M. Medina

Systematisch stellt Buisson den Kandidaten als Rechtsausleger mit übergroßer Nähe zum politischen Gegner dar. Was allerdings von Sarkozys Selbstdarstellung in jüngster Zeit durchaus untermauert wird. Just in der vorigen Woche hatte er die Losung in die Welt gesetzt, dass alle Franzosen, auch die Migranten, die Gallier als ihre Vorfahren anerkennen müssten. Eine Behauptung, die ihm mehr Spott als Begeisterung eintrug. Auch ohne das Enthüllungsbuch scheint klar: Nicolas Sarkozy fischt in rechten Gewässern und versucht, dem FN die Wähler mit extra-markigen Sprüchen abzujagen.

Ein erstklassiger Charaktermord

Wie aber der frühere Freund und Berater sich über Sarkozys Charakter auslässt, übertrifft alle Träume seiner politischen Gegner. Der Ex-Präsident sei ein Narziss, der die fünf Jahre seiner ersten Präsidentschaft in ewiger Selbstbespiegelung verbracht habe und einen unangemessenen Personenkult pflege: "Cäsarismus ohne Cäsar" heißt das in Buissons Buch. Carla Bruni sei für Sarkozy vor allem eine "Trophäe", mit der er sich in seinem "phallischen Triumphalismus" schmücke. Das Ganze ist ein erstklassiger Charaktermord: Sarkozy sei unreif und infantil, schreibt Buisson, ein politischer Zocker ohne langfristige Strategien. Das Buch ist der Racheakt eines früheren Intimus, den Sarkozy nur schwer ignorieren kann.

Frankreich Carla Bruni-Sarkozy mit Nicolas Sarkozy Regionalwahlen
Carla Bruni - die "Trophäe" an Sarkozys Seite?Bild: Getty Images/N. Gouhier

Die Spur des libyschen Geldes

Noch gefährlicher könnte die Spur des Geldes aus Libyen für Sarkozy werden. Das Internetmagazin "Mediapart" veröffentlichte jetzt Details aus dem Notizbuch des früheren libyschen Ölministers Schukri Ghanim. Der notierte stets sorgfältig alle Zuwendungen seines Regierungschefs Muammar al-Gaddafi an befreundete Mächte: 6,5 Millionen Euro soll der libysche Diktator für den Wahlkampf Sarkozys 2007 beigesteuert haben. Die Vorwürfe an sich sind nicht neu, die Notizen von Ghanim, der 2012 mysteriöserweise ertrunken aus der Donau gefischt wurde, untermauern sie nur weiter. Das Notizbuch gilt als echt, auch die norwegische Justiz hat es bereits in einem Korruptionsprozess verwendet.

Nicolas Sarkozy in Libyen mit Gaddafi
Ein Bild aus besseren Zeiten: Sarkozy und GaddafiBild: AP

Insgesamt soll Gaddafi 50 Millionen Euro für den Wahlkampf von Sarkozy zugesagt haben. Der Ex-Präsident hat das stets geleugnet. Anfang September erklärte nun die französische Justiz, sie wolle gegen Sarkozy einen Prozess wegen möglicher illegaler Wahlkampffinanzierung eröffnen. Seit drei Jahren wird  bereits in der sogenannten Bygmalion-Affäre ermittelt, die benannt ist nach der damals mit der Kampagne beauftragten Werbeagentur. Am Donnerstagabend soll ein früherer Bygmalion-Mitarbeiter in einer Dokumentation des öffentlich-rechtlichen Senders France 2 auspacken. Die Luft für Sarkozy wird zunehmend dünn.

Wer wählt hier eigentlich wen?

Inzwischen gibt es den Verdacht, dass nicht nur Anhänger der konservativen Republikaner ihre Stimme bei der Vorwahl abgeben werden. Jeder, der zwei Euro zahlt und ein konservatives Manifest unterzeichnet, kann nämlich mitstimmen. Bei den Sozialisten soll es den Plan geben, so berichten französische Medien, massenhaft für Alain Juppé zu votieren, um den ihnen verhassten Sarkozy zu verhindern. Sie haben erkannt, dass keiner ihrer eigenen Kandidaten eine Chance auf den zweiten Wahlgang hätte, am allerwenigsten François Hollande. Dann wollen sie wenigstens einen Präsidenten, der für sie halbwegs akzeptabel scheint.

Andererseits hält nichts den Front National davon ab, diese Strategie zu unterlaufen und ihre Stimmen wiederum für Nicolas Sarkozy einzubringen. Das ganze Prinzip Vorwahlen, der "Primaires", erscheint in dieser Situation zunehmend fragwürdig.