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Schweden: Mehr Menschen gehen als kommen

10. August 2024

Laut Prognosen wird Schweden im laufenden Jahr erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert mehr Aus- als Einwanderer verzeichnen. Die Regierung sieht sich dadurch in ihrer restriktiven Einwanderungspolitik bestätigt.

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Stockholm: Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard am Mikrofon vor Flaggen Schwedens und der EU
Bild: Christine Olsson/TT/picture alliance

Die Einwandererzahlen in Schweden sind laut Regierung so niedrig wie lange nicht mehr. Darauf ließen die Zahlen des nationalen Statistik-Instituts schließen, erklärte am Donnerstag die schwedische Ministerin für Migration, Maria Malmer Stenergard. Im Zeitraum von Januar bis Mai dieses Jahres wanderten demnach sogar 5700 mehr Menschen aus als ein. Dieser Trend werde sich voraussichtlich fortsetzen, sagte Malmer Stenergard. Die Zahl der Asylanträge sei so niedrig wie seit 1997 nicht mehr, fügte sie hinzu. 

Der Trend, dass immer weniger Asylanträge gestellt werden, ist allerdings nicht neu. Bereits 2016 wurden deutlich weniger Asylanträge gestellt, nämlich gut 22.000. Im Vorjahr waren es noch über 156.000 gewesen - sehr viel für ein Land mit nur etwas über zehn Millionen Einwohnern. 

Drastischer Kurswechsel 2016

Die deutlich niedrigeren Zahlen hängen mit dem Kurswechsel der damaligen schwedischen Regierung zusammen. Hatte Schweden zuvor eine recht liberale Zuwanderungs- und Integrationspolitik verfolgt und zahlreiche Menschen aus Krisenländern wie dem ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan, Syrien, Irak und Somalia aufgenommen, so änderten die damals regierenden Sozialdemokraten Ende 2015 die Migrationspolitik deutlich. Seit Oktober 2022 ist die durch Ministerpräsident Ulf Kristersson geführte Minderheitsregierung aus Moderaten, Christdemokraten und Liberalen im Amt. Sie wird von den rechtsnationalen Schwedendemokraten unterstützt.

"Vor dem Hintergrund massiver Engpässe bei der Registrierung, Unterbringung und Versorgung der damals immer zahlreicher ins Land kommenden Asylsuchenden" habe Schweden damals verschiedene Maßnahmen eingeführt, schreibt etwa Migrationsforscher Bernd Parusel für die Bundeszentrale für politische Bildung. Diese beträfen erstens den Zugang zum schwedischen Territorium, um einen Asylantrag zu stellen. Zweitens ginge es um die Schutzgewährung und ihre Rechtsfolgen. Drittens sollte die freiwillige Rückkehr gefördert werden und Abschiebungen abgelehnter Schutzsuchender konsequent vollzogen werden, so Parusel.

Strengere Maßnahmen, aber bessere Integration?

In der aktuellen Pressemitteilung der schwedischen Regierung heißt es nun, es wanderten auch immer mehr Menschen wieder aus, die im Irak, in Somalia oder in Syrien geboren wurden. Welchen Anteil diese freiwilligen Rückkehrer an den aktuellen Auswanderungszahlen haben, bleibt offen. Aber Migrationsministerin Stenergard scheint überzeugt, dass die derzeitigen Aus- und Einwanderungszahlen der restriktiveren Einwanderungspolitik der vergangenen Jahre geschuldet sind: "Die Bemühungen der Regierung tragen ihre Früchte."

Auch die Motivation der Auswanderer - sofern sie als Migranten ins Land gekommen waren, bleibt unklar. Parusel erklärte bereits 2017, "die Lebensführung ausreisepflichtiger Asylbewerber zu erschweren", sei ein ungeeignetes Mittel, um freiwillige Rückkehr zu fördern. Man schaffe eher mehr soziale Notlagen, wenn man solchen Menschen Geldleistungen und Unterkunft streiche.

Schweden: Kampf gegen Bandengewalt

Stenergard sagte weiterhin: "Der Trend zu einer Einwanderung, die bewältigt werden kann, ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir die Integration verbessern wollen." Dass eine erfolgreiche Integration einfacher ist, wenn zahlenmäßig weniger Migrantinnen und Migranten kommen, erscheint zunächst logisch. Doch auf den zweiten Blick funktioniere es laut Migrationsforscher Parusel nicht, Schweden möglichst unattraktiv für Einwanderer zu machen und etwa Migranten über längere Zeiträume hinweg über ihre Bleibeperspektive im Unklaren zu lassen, und gleichzeitig Initiativen zur besseren Integration und schnelleren Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern.

Die Lage hinter den Zahlen

Insgesamt lässt sich sagen, dass Schweden zahlenmäßig die Einwanderung in den vergangenen Jahren effektiv beschränkt hat. Doch ein Anzeichen, dass das nicht alle Probleme löst, könnte unter anderem die weiterhin grassierende Bandenkriminalität sein. Diese zu bekämpfen ist ja ein wichtiges Ziel des derzeitigen konservativen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson - er hatte sie dezidiert auf die "verantwortungslose Einwanderungspolitik und eine gescheiterte Integration" der Vorgängerregierung zurückgeführt.

Das Land ringt tatsächlich seit Jahren mit kriminellen Gangs, die sich vor allem durch Drogenhandel sowie Betrug finanzieren. Wegen der Bandenkonflikte kommt es immer wieder zu tödlichen Schüssen sowie Sprengstoffanschlägen. Nicht selten werden dabei auch Unbeteiligte getötet. Diese Art der Kriminalität findet meist in ärmeren Vierteln und Vorstädten statt, in denen hauptsächlich Menschen mit Migrationshintergrund leben. Laut Experten hängt das vor allem mit der dort hohen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Armut zusammen.

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis