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PolitikEuropa

Schweden und Dänemark: Koranverbrennung und Meinungsfreiheit

2. August 2023

Die Koranverbrennungen, die derzeit für Schlagzeilen und wütende Reaktionen sorgen, finden in einem komplexen Umfeld statt. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

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Pakistan Islamabad | Proteste wegen Koranverbrennung in Schweden
Anhänger der islamistischen Jamaat-e-Islami demonstrieren Anfang Juli in der pakistanischen Hauptstadt IslamabadBild: Anjum Naveed/AP/picture alliance

Die Koranverbrennungen der vergangenen Wochen werden immer mehr zu einem Problem für Dänemark und Schweden. Es gab in beiden Ländern mehrere Aktionen, bei denen der Koran beschädigt oder verbrannt wurde. Erst am Montag sollen zwei irakische Aktivisten einen Koran in Schweden geschändet haben. Die Ereignisse führten zu erheblichen Spannungen zwischen den beiden nordeuropäischen mit muslimisch geprägten Ländern. Doch stellt es die Länder auch vor innenpolitische Probleme. Am Sonntag teilte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson auf Instagram mit, dass sich Schweden in "der angespanntesten Sicherheitslage" seit dem zweiten Weltkrieg befinde.

Was hat die Koranverbrennungen ausgelöst?

Weshalb es gerade jetzt zu den Koranverbrennungen kommt, ist eine schwierige Frage, findet Tobias Etzold, Forscher am öffentlich finanzierten Norwegischen Institut für Internationale Beziehungen. In den Ländern gebe es in "gewisser Weise eine Tradition" sich kritisch oder, wie jetzt, verachtend gegenüber anderen Religionen und speziell dem Islam zu äußern. Bereits im vergangenen Jahr sei es zu solchen Aktionen gekommen, damals von Rechtsradikalen und Rechtspopulisten.

Natogipfel in Litauen Eingung zwischen Erdogan und Ulf Kristersson
Der schwedische Ministerpräsident Kristersson und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schütteln sich vor dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 10. Juli die Hand. Schweden wartet noch auf die finale Zustimmung zu seinem NATO-BeitrittBild: Henrik Montgomery/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Schweden möchte der NATO beitreten und hatte dafür im Juli grünes Licht von der Türkei bekommen. Die Türkei verknüpfte ihre Zustimmung vor allem mit einer härteren Linie gegenüber der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Schweden und prangerte auch Koranverbrennungen an. Derzeit steht die Zustimmung des türkischen Parlaments noch aus. Der Politologe Etzold glaubt, dass das Zusammenfallen der Koranverbrennungen und das Warten auf die finale Entscheidung kein reiner Zufall sei. Die Situation habe sich wahrscheinlich hochgeschaukelt, wobei eine Aktion der nächsten folge. 

Warum ausgerechnet in Schweden und Dänemark?

"Beide Länder haben einen sehr umfassenden, weitreichenden Begriff von Meinungsfreiheit," erklärt Etzold. Deshalb komme es hier immer wieder zu solchen Aktionen. Andere Staaten seien restriktiver: Derartige Aktionen könnten dort etwa als Volksverhetzung geahndet werden. Die schwedische Verfassung dagegen schreibe die Meinungsfreiheit ausdrücklich auch dahingehend fest, dass Kritik an Religionen erlaubt sei. Zudem gebe es in Schweden bislang kein richtungsweisendes Gerichtsurteil, das die Koranverbrennung oder die Verbrennung einer anderen heiligen Schrift als Volksverhetzung einordne.

Dänemark  Koranverbrennung vor der Irakischen Botschaft in Kopenhagen
Mitglieder der "Dänischen Patrioten" demonstrieren am 24. Juli vor der irakischen Botschaft in KopenhagenBild: Thomas Sjoerup/Ritzau Scanpix via REUTERS


In Dänemark kam es bereits 2005 zu einem folgenschweren Skandal um die Mohammed-Karikaturen, die in der Tageszeitung "Jyllands-Posten" veröffentlicht wurden und die Anfang 2006 gewalttätige Proteste von Muslimen in aller Welt auslösten.  

"Schweden und Dänen - sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik - pochen eben auch sehr stark auf diese umfassende Meinungsfreiheit und tun sich sehr schwer damit, diese in irgendeiner Form einzuschränken," erklärt Etzold, der zur Außen- und Sicherheitspolitik der skandinavischen Länder forscht.

Welche Konsequenzen haben die Koranverbrennungen?

Die Ereignisse in Schweden und Dänemark haben zu heftigen Protesten und diplomatischen Verstimmungen mit muslimisch geprägten Ländern geführt. Insbesondere im Irak kam es zu  Ausschreitungen. Mitte Juli wies das Land die schwedische Botschafterin aus.  Zuvor waren Protestierende in das Botschaftsgebäude eingedrungen und hatten Feuer gelegt. Auch der Iran kündigte Mitte Juli an, vorerst keinen neuen schwedischen Botschafter ins Land zu lassen, nachdem die Amtszeit des vorherigen Botschafters beendet sei. Auch dort kam es zu Protesten. Aus Saudi-Arabien hieß es, man wolle Schweden eine Protestnote überreichen und habe den Botschafter einbestellt. Auch Algerien bestellte letzten Monat die Botschafter Dänemarks und Schwedens ein. Die Türkei soll Berichten zufolge von den beiden Ländern ebenfalls Maßnahmen gegen die Koranverbrennungen gefordert haben.

Koran-Verunglimpfung in Schweden löst heftige Proteste aus

Doch die Vorfälle haben auch innenpolitische Konsequenzen. Aus Angst vor Vergeltungsanschlägen habe man in Schweden die Terrorwarnstufe auf drei von fünf und in Dänemark auf vier von fünf gesetzt, so der Politologe Etzold. 

Welche Maßnahmen ergreifen Dänemark und Schweden? 

Beide Länder haben die Koranverbrennungen verurteilt, verweisen aber auf die Meinungsfreiheit, wegen der die Genehmigungen erteilt werden müssten. Außerdem hat insbesondere Schweden darauf hingewiesen, dass die Aktionen von Einzelpersonen ausgingen und nicht vom Staat. Im Mittelpunkt steht dabei der irakische Staatsangehörige Salwan Momika mit seinen Aktionen. 

Beide Länder prüfen derzeit Maßnahmen, um Versammlungen mit Koranverbrennungen zu verbieten. Am Sonntag sagte der dänische Außenminister Lars Lokke Rasmussen die dänische Regierung suche nach "einem rechtlichen Instrument" derartige Aktionen vor Botschaften zu unterbinden.

In Schweden prüft man derzeit, ob sich die Polizei mit weitergehenden Befugnissen ausstatten ließe, um Koranverbrennungen zu verhindern und Personen zu durchsuchen. Auch sollen Kontrollen im Inland und an den Grenzen verstärkt werden. Von dem grundsätzlichen Prinzip der Meinungsfreiheit wolle man aber nicht abrücken, betonte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson am Dienstag vor der Presse. Der Politologe Etzold rechnet mit "erheblichen Widerstand" vor allem von den Rechtspopulisten, welche die derzeitige schwedische Regierung unterstützten.

(Mit Agenturen)

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel