Schwenken: Volkssport der Saarländer
24. September 2015Das Feuer knistert, Rauch steigt auf, es duftet nach gegrilltem Fleisch. Vier Männer drängen sich um einen Schwenkgrill, diskutieren, wie lange das Fleisch noch auf dem Rost bleiben muss. Bei diesen Männern handelt es sich um Michael Schwenk und seine drei Freunde - alle vier echte Saarländer. Sie haben sich zum Team "Vier Schwenker für ein Halleluja" zusammengeschlossen und es bei der ersten Schwenkmeisterschaft 2015 im Saarland bis ins Finale geschafft. Als Vorspeise gab es Burger mit Ananas, dann ein Rinderfilet mit Whiskey-Marinade und zum Nachtisch ein Muffin mit Vanille- und Brombeersoße aus Omas gusseisernem Waffeleisen. Alle drei Gänge haben die vier auf dem Schwenkgrill zubereitet.
Schwenker, Schwenker und nochmal Schwenker
Schwenken ist der Begriff für Grillen im Saarland. Allerdings nur wenn dabei auch ein Schwenkgrill zum Einsatz kommt, eine Dreibeinkonstruktion, an der ein frei schwebender Rost mit einer Kette befestigt ist. Um das Fleisch gleichmäßig zu garen, wird der Rost über dem Feuer in Schwung gebracht - er wird geschwenkt. Dieser Schwenkgrill wird Schwenker genannt, das Grillgut - traditionell ein in Marinade eingelegter Schweinenacken - wird auch Schwenker genannt und um völlige Verwirrung zu schaffen - auch der Grillmeister heißt Schwenker. Deshalb schwenkt der Schwenker den Schwenker auf dem Schwenker. Dazu braucht es noch die drei B’s: also Bier (am besten im Saarland gebraut), Brot und Buchenholz. Buchen wachsen zuhauf im Saarland und werden traditionell zum Schwenken verwendet. "Wie man von Kindesbeinen an Fahrrad fahren lernt, so lernt man auch das Schwenken", erklärt Michael Schwenk, der sich durch seinen Nachnamen ganz besonders mit dem Grillen à la saarländisch identifiziert. "Die Schwenksaison ist das ganze Jahr über - vom 01. Januar bis 31. Dezember", so der Hobbyschwenker. "Im Schnee zu grillen, ist sehr beliebt, das Fleisch hat dann ein ganz besonderes Aroma", fügt er lachend hinzu.
"Der Mensch denkt, Gott lenkt, der Saarländer schwenkt"
Gegrillt wird in ganz Deutschland gern, aber für die Saarländer ist es nicht nur ein "gern", sondern es ist eine Liebe - oder besser Leidenschaft, Tradition und Brauchtum zusammen! Eine emotionale Sache, mit der nicht zu spaßen ist. "Schon dein Vater konnte nicht schwenken", ist zum Beispiel eine wirklich üble Beleidigung. Kein Wunder, dass ein Sprichwort sagt: "Der Mensch denkt, Gott lenkt, der Saarländer schwenkt."
Auch Klaus Marx schwenkt mit Begeisterung - und das fast täglich! Seit rund 20 Jahren verkauft er Schwenkgrills, in der Nähe von Saarbrücken hat er sein Geschäft. Pro Jahr verkauft er 500 bis 600 Schwenker, die meisten an Saarländer. Manche Bestellungen kommen inzwischen sogar von Übersee - allerdings dann vor allem von "Exilsaarländern", die sich nach einem Stück Heimat sehnen. Das Geschäft mit den Schwenkern läuft gut, das war aber nicht immer so, erzählt Marx. "Anfangs wurde ich belächelt." Denn Schwenker kaufte man damals nicht, man tauschte sie gegen einen Kasten Bier ein.
Die Geschichte des Schwenkens
Das Saarland ist durch die Eisen-und Stahlindustrie geprägt. Marx erzählt, dass bei der Produktion in den Werkstätten manchmal Reste übrig blieben, aus denen die Arbeiter ab den 50er Jahren Schwenkgrills bauten und sie nach Hause brachten. Im Laufe der Zeit entstand so, laut Marx, die Tradition des Schwenkens. Heute blieben in der Regel keine Reste mehr für den privaten Gebrauch übrig, sagt er, Schwenkgrills gäbe es trotzdem noch - nur dass sich die Saarländer jetzt ihre Schwenker kaufen. Oder aber man geht in die zahlreichen Restaurants mit "Innen-Schwenker", wo Gäste dem Grillmeister über die Schulter schauen können.
Der perfekte Schwenkbraten
Klaus Marx gibt manchmal auch Schwenk-Kurse - allerdings nur für Touristen. Denn ein echter Saarländer würde niemals einen Kurs buchen, das Schwenken hat er schließlich im Blut, erklärt er. Das gilt für ihn selbst natürlich auch. "Ein richtiger Schwenker ist ein Entertainer." Es gehöre zur Tradition, dass der Grillmeister und die Anwesenden ihre Erfahrungen und Gewohnheiten beim Schwenken austauschen.
Die Tipps von Klaus Marx sind: Das Fleisch muss eine Kerntemperatur von 65 Grad erreichen, außerdem sollte der Abdruck der Grillstäbe gut zu sehen sein. Zum Braten serviert er gern Kartoffelsalat. Hobbyschwenker Michael Schwenk backt die Kartoffeln hingegen im Ofen. Sein Fleisch grillt er am liebsten, wenn vom Feuer nur noch die Glut übrig ist. Auch wenn alle das Grundrezept anwenden, also einen Schwenker auf dem Schwenker schwenken, schwört wohl jeder saarländische Schwenker auf sein persönliches Rezept für den besten Schwenker.