Schwere Informationspanne bei Spionage-Liste
31. März 2017Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatten am Mittwochmorgen im geheim tagenden Bundessicherheitsrat mit dem Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, über die Spionagevorwürfe gegen die Türkei gesprochen. Dabei habe Kahl jedoch die Nennung von deutschen Abgeordneten auf der Liste des türkischen Geheimdienstes MIT mit keinem Wort erwähnt, heißt es in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeine (F.A.Z.). Laut der Zeitung, die sich auf Sicherheitskreise beruft, war auch der BND-Chef zu dem Zeitpunkt nicht darüber informiert, dass die SPD-Politikerin Michelle Müntefering auf dieser Liste steht.
BKA entdeckt den Namen zuerst
Zuerst war der Name Müntefering demnach am Montag dem Bundeskriminalamt (BKA) aufgefallen. BKA-Beamte warnten daraufhin die Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Das Kanzleramt und das Innenministerium wurden jedoch nicht benachrichtigt, wie die F.A.Z. weiter berichtet. Erst am Mittwoch habe dann als erstes Regierungsmitglied Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) im Bundestags-Innenausschuss von der heiklen Angelegenheit erfahren.
Die Liste mit rund 300 Namen vorwiegend von angeblichen Anhängern der islamischen Bewegung des Predigers Fetullah Gülen hatte der MIT bereits im Februar an BND-Chef Kahl übergeben, der sie dann offensichtlich an das Bundesamt für Verfassungsschutz weiterleitete. Dieses wiederum übermittelte das Papier an das Bundeskriminalamt und die Sicherheitsbehörden der Länder. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putsch vom vergangenen Juli verantwortlich gemacht, wofür der BND laut Kahl aber keinerlei Anhaltspunkte hat.
"Abläufe gehören optimiert"
Sprecher der Bundesregierung äußerten sich zu der Informationspanne zurückhaltend. Regierungssprecher Steffen Seibert wies darauf hin, dass es hier um die operative Tätigkeit der Geheimdienste gehe, wozu er öffentlich nicht Stellung nehme. Ein Sprecher des Innenressorts sagte lediglich, dass solche Vorfälle "immer zum Anlass genommen werden, zu schauen, ob man Abläufe optimieren kann". Das werde auch in diesem Fall geschehen.
Schon bevor bekannt geworden war, dass Frau Müntefering und die Berliner CDU-Politikerin Emine Demirbüken-Wegner auf der Liste stehen, hatte die Bundesanwaltschaft gegen die Führung in Ankara Ermittlungen wegen Spionage aufgenommen. Wegen Verdachts auf geheimdienstliche Tätigkeit leitete sie nun ein Verfahren gegen einen hohen Funktionär der türkischen Religionsbehörde Diyanet ein, wie "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR berichten. Halife Keskin soll Imame in Deutschland beauftragt haben, in Moscheen Gülen-Anhänger auszuforschen.
se/qu (afp, faz)