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Schützt die Impfung vor Long-COVID?

Katrin Ewert
28. November 2021

Die zugelassenen COVID-19-Impfstoffe schützen zuverlässig gegen einen schweren Verlauf. Aber beugen sie auch Long-COVID vor? Erste Studien zeigen: womöglich nur zum Teil.

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Symbolbild: Frau hält sich den Kopf vor Schmerzen
Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Konzentrationsstörungen können auch Symptome von Long-COVID sein. Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Ständige Müdigkeit, Kopfschmerzen, Atemnot, Konzentrationsstörungen – die Liste der Long-COVID-Symptome ist lang. Ärzte sprechen von Long-COVID, wenn Betroffene vier Wochen nach der Infektion immer noch Beschwerden haben. Ab zwölf Wochen stellen Mediziner die Diagnose Post-COVID-Syndrom.  

Long- oder Post-COVID gilt als eine der großen Unbekannten der Pandemie. Forschende können zwar bereits abschätzen, dass die Beschwerden etwa zehn bis 15 Prozent der COVID-Infizierten betreffen  und dass das Risiko für Frauen und ältere Menschen höher ist. Wissenschaftler können jedoch noch nicht sicher sagen, was die Ursache für Long-COVID ist  und wie lange die Symptome andauern.

Der lange Weg zurück ins Leben

Und auch eine weitere wichtige Frage können Forschende noch nicht beantworten: Sind Geimpfte vor Long-COVID geschützt, wenn sie sich trotz vollständiger Impfung mit SARS-CoV-2 infizieren? 

Smartphone-Studie: Risiko für Long-COVID um die Hälfte reduziert

Erste Studien haben nun versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Die sogenannte Zoe-COVID-Studie ist die bisher größte angelegte Untersuchung. Wissenschaftler vom King's College London haben dafür Daten von 1,2 Millionen Smartphone-Nutzern  gesammelt. Die Teilnehmer haben in einer App eingetragen, ob und wann sie geimpft worden sind, ob sie sich danach infiziert haben und ob und wie lange sie Symptome hatten.

Das Ergebnis: Die Geimpften hatten sich nicht nur deutlich seltener infiziert und zeigten weniger Symptome als die Ungeimpften. Wenn Beschwerden auftraten, verschwanden sie auch schneller: Unter den Geimpften war Long-COVID um knapp 50 Prozent weniger verbreitet als unter den Ungeimpften. 

Corona-Infektion trotz Impfung

Ein möglicher Grund: Das Immunsystem könnte bei Geimpften verhindern, dass der Körper Coronaviren einlagert und ein sogenanntes Reservoir bildet. Die Reservoir-Bildung diskutieren Forschende als eine mögliche Ursache  für Long-COVID. "Mithilfe der gebildeten Antikörper und T-Zellen könnte das Immunsystem das Virus während seiner ersten Replikation stoppen, bevor es versteckte Reservoirs im Körper bilden kann", kommentiert die Yale-Immunologin Akiko Iwasaki die Studie in einem Nature-Artikel.  

Studie hat ihre Schwächen

Die Smartphone-Studie weist also darauf hin, dass die Impfung das Risiko für Long-COVID um die Hälfte reduziert. Allerdings hat die Untersuchung einige Schwächen. Zum einen haben die Teilnehmer ihre Symptome selbst per App eingetragen. Sie wurden nicht von einem Arzt überprüft.

Zum anderen sind ältere Menschen, die oftmals kein Smartphone besitzen oder im Umgang mit Apps nicht geübt sind, in der Studie unterrepräsentiert. Und: Die Verteilung der App-Nutzer ist nicht gleich. Es registrierten sich mehr Frauen als Männer und weniger Menschen aus einkommensschwachen Regionen.

Eine zweite Studie von Forschenden der Universität Oxford kommt zu einem pessimistischeren Ergebnis. Die Forscher analysierten die Daten von rund 10.000 Menschen, die sich trotz Impfung mit Sars-CoV-2 angesteckt hatten und verglichen sie mit Personen, die sich ohne Impfung infiziert hatten. Die Teilnehmer der ersten Gruppe hatten dank der Impfung weniger schwere Symptome wie Atemnot und kamen seltener ins Krankenhaus. Die Long-COVID-Fälle waren aber in beiden Gruppen gleich.

Puls und Schlaf bei Long-COVID

Auch die Oxford-Untersuchung hat jedoch ihre Mängel: Die Studie basiert auf dokumentierten Gesundheitsdaten – etwa von Ärzten und Krankenhäusern. Nicht berücksichtigt sind die Fälle, in denen Menschen nur leichte Symptome hatten und nicht zum Arzt gegangen sind. Das könnte das Ergebnis verfälschen. Die Studie wurde noch nicht begutachtet und noch nicht einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht.

Delta-Variante nicht berücksichtigt

Die beiden Studien haben eine zusätzliche, gemeinsame Schwäche: Sie basieren auf Daten aus Großbritannien aus dem ersten Halbjahr 2021. Seit Sommer 2021 dominiert in Großbritannien (und in vielen anderen Ländern) jedoch die ansteckendere Delta-Variante. Und nun kommt auch noch die neue Omikron-Variante hinzu.

Es ist denkbar, dass die Delta-Variante bei Geimpften zu mehr Long-COVID-Fällen führen könnte. "Wir nehmen an, dass Delta-Infizierte viele infektiöse Partikel ausatmen. Menschen, die sich damit anstecken, haben eine höhere Menge an Anfangsviren", sagt Immunologin Iwasaki im Nature-Artikel. "Diese höhere Dosis könnte dem Virus den Vorsprung geben, ein Reservoir zu bilden – was dann zu Long-COVID führen könnte", schätzt die Forscherin ein.

Und was ist mit jenen Personen, die bereits vor ihren Impfterminen eine Infektion durchgemacht haben und an Long-COVID leiden? Es gibt Hinweise darauf, dass die Impfung diesen Menschen hilft. 

Neue Herausforderung Long-COVID

 Daten des britischen Office for National Statistics zeigen, dass die erste Dosis der Impfung die Beschwerden der untersuchten Betroffenen um 13 Prozent abschwächen konnte. Nach der zweiten Dosis verbesserten sich die Symptome um weitere 9 Prozent. Es ist jedoch nicht klar, ob sich die Beschwerden der Betroffenen auch auf Dauer verbesserten oder Long-COVID sogar ausheilte.

Weitere Forschung nötig

Zwar haben die aktuellen Studien wertvolle, erste Hinweise auf die Wirkung von Impfungen und Long-COVID gegeben. Vieles bleibt aber offen: Reduziert die Impfung das Risiko, nach der Infektion an Long-COVID zu erkranken? Wenn ja, wie sehr? Welcher der zugelassenen Impfstoffe schützt am besten vor Long-COVID? Gilt der Schutz auch für Kinder und Jugendliche? Um diese Fragen zu beantworten, ist noch mehr Forschung nötig.

Zum Glück stehen Forschenden immer mehr Daten zur Verfügung. Denn die Zahl der weltweit verabreichten Impfungen steigt täglich an. Momentan laufen mehrere Langzeitstudien wie das Projekt Recover,  bei dem Wissenschaftler mehrere zehntausend Menschen nach ihrer durchgemachten COVID-Infektion über einen langen Zeitraum untersuchen. 

Bis die Forscher die Daten ausgewertet haben, ist eines klar: Der beste Schutz gegen Long-COVID ist in erster Linie immer noch, die Infektion zu vermeiden – und dagegen wiederum hilft am besten ein vollständiger Impfschutz.