Migranten verlassen Hilfsschiff "Sea-Watch 3"
29. Juni 2019Das Schiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch ist nach dem unerlaubten Anlegen im Hafen der italienischen Insel Lampedusa und der Festnahme der Kapitänin beschlagnahmt worden. Das bestätigte der Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer der Deutschen Presse-Agentur in Rom. Die 40 Migranten seien von Bord gegangen.
Was nun mit ihnen passieren soll, ist noch unklar. Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, haben sich bereit erklärt, Schutzsuchende aufzunehmen. Die Flüchtlinge waren vor mehr als zwei Wochen vor der libyschen Küste von der Organisation gerettet worden. Seitdem wartete Sea-Watch vergeblich auf die Zuweisung eines sicheren Hafens in Europa.
Neben den Migranten waren 22 Besatzungsmitglieder und mehrere italienische Abgeordnete auf dem Schiff. Die Kapitänin des Schiffs, Carola Rackete, hatte das Schiff Mitte der Woche trotz Verbots der Regierung in in Rom die Hoheitsgewässer des Landes gesteuert. Sie fahre in italienische Gewässer und bringe die Migranten auf Lampedusa in Sicherheit, hatte sie betont.
Rackete begründete den Schritt in einem Internetvideo, bevor sie von der Polizei festgenommen wurde. Die italienische Staatsanwaltschaft habe bekannt gegeben, dass sie nicht helfen werde, die Geretteten von Bord zu bringen. "Das heißt, nach wie vor warten wir auf eine Lösung, die sich nicht abzeichnet", so Rackete vor der Einfahrt in den Hafen von Lampedusa.
Ein Polizei-Schnellboot versuchte dies vergeblich zu verhindern. "Wir haben uns in den Weg gestellt", sagte ein italienischer Polizist. Doch wenn sie nicht ausgewichen wären, hätte die "Sea-Watch" das Schnellboot "zerstört".
Die italienische Staatsanwaltschaft hat gegen Rackete Ermittlungen eingeleitet. Vorgeworfen werden ihr laut Laut Sea-Watch-Sprecherin Giorgia Linardi unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung des Seerechts. Der Nachrichtenagentur Ansa zufolge drohen der 31-jährigen Kapitänin drei bis zehn Jahre Haft, weil sie gegen ein Kriegsschiff Widerstand geleistet oder Gewalt angewendet habe.
Notstand ausgerufen
Sea-Watch teilte am Samstagmorgen mit, man habe fast 60 Stunden zuvor den Notstand an Bord ausgerufen. "Niemand hörte uns zu. Niemand übernahm Verantwortung. Einmal mehr ist es an uns, die 40 Geretteten in Sicherheit zu bringen."
Die Festnahme der Sea-Watch-3-Kapitänin ist aus Sicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland eine "Schande für Europa". Er sei "traurig und zornig", sagte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in Hannover. "Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die geretteten Menschen sicher an Land bringen will." Seine Gedanken und Gebete seien bei Rackete.
Seit Jahren streiten die EU-Länder über einen Mechanismus zur Verteilung der Bootsflüchtlinge. Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini verlangte nun konkrete "Garantien" der aufnahmebereiten Länder, bevor die Menschen von Bord des Schiffes gehen dürften. Daneben sei die Regierung "entschlossen", gegen jeden vorzugehen, der die Gesetze gebrochen habe.
lh/ml/kle/AR (dpa, Sea-Watch)