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Vettel: "Heuchler" mit kritischer Stimme?

18. Juli 2022

Sportlich fährt der ehemalige Formel-1-Weltmeister auch in dieser Saison der Konkurrenz hinterher. Beim Thema Umweltschutz, Sexismus oder Rassismus geht Sebastian Vettel aber voran und sorgt für Aufsehen - und Kritik.

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Sebastian Vettel präsentiert in Baku ein T-Shirt mit der Aufschrift "Everyday is a Friday for the future"
Sebastian Vettel präsentiert in Baku seine Haltung zu UmweltthemenBild: James Moy/empics/picture alliance

Benzingeruch, dröhnende Motoren und Autos, die mit knapp 300 km/h im Kreis fahren: Der Formel-1-Zirkus ist wieder unterwegs. Und der nächste Stopp wird am Wochenende der Circuit Paul Ricard sein, wo der Große Preis von Frankreich entschieden wird. Erneut werden dann unter dem Jubel tausender Zuschauer zehn Teams versuchen, so viele WM-Punkte wie möglich zu einzufahren. Und erneut wird die Formel 1 unzählige Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Im Jahr 2019 - der letzten Saison vor Corona - wurden insgesamt 256.551 Tonnen des umweltschädlichen Gases im Rahmen der Rennserie freigesetzt.

Dabei entfallen allerdings nur knapp ein Prozent (0,7 Prozent) auf die Emissionen der Rennautos, die an den Wochenenden beim Rennen, den Trainingseinheiten und auf Testfahrten unterwegs sind. Das sind "lediglich" 1795,8 Tonnen Kohlendioxid - pro Saison. Den größten Anteil haben laut einer Studie zur  Nachhaltigkeitsstrategie, die die Formel 1 im Jahr 2019 veröffentlicht hat, die Logistik (45 Prozent) und die Reisen der Angestellten (27,7 Prozent), die bei den Formel-1-Teams angestellt sind. Zum Vergleich: Der Fußabdruck einer Fußball-Weltmeisterschaft ist noch deutlich größer. Die WM in Russland 2018 verursachte sogar etwa 2,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid.

"Save the bees"

Dass die Formel 1 trotzdem nicht die sauberste Sportart ist, überrascht nicht. Dass einer ihrer besten Fahrer Woche für Woche mit Aktionen für mehr Umweltschutz für Aufmerksamkeit sorgt, aber schon. Sebastian Vettel hat bei den vergangenen Rennen immer wieder gezeigt, dass ihm Naturschutz sehr am Herzen liegt. Jüngst machte er beim Großen Preis von Österreich mit seinem Helmdesign auf das Bienensterben aufmerksam. "Save the bees - there is still a race to win" ("Rettet die Bienen - es gibt immer noch ein Rennen zu gewinnen") war darauf zu lesen. Der 35-Jährige engagiert sich bei einem Projekt, das sich für den Schutz dieser Insekten einsetzt.

Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel trägt beim Grand Prix in Österreich ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Save the Bees"
Beim Grand Prix in Österreich macht Sebastian Vettel (M.) auf das Bienensterben aufmerksamBild: Jakub Porzycki/NurPhoto/picture alliance

Wenige Wochen zuvor machte er in Kanada auf den umweltschädlichen Teersand-Abbau aufmerksam. "Es ist ein Horror für die Natur. So etwas sollte nicht erlaubt sein", sagte Vettel. Vom Tragen des dafür extra designten Helms während des Rennens wurde ihm Gerüchten zufolge dann aber von der FIA und seinem Team abgeraten. In Miami trug er ein T-Shirt mit der Warnung vor dem Untergang Floridas angesichts der schmelzenden Pole und der drohenden Überflutung. In Baku warb er im Fahrerlager mit seiner Kleidung für Frieden in der Ukraine. Und während des freien Trainings am Freitag trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift "Everyday is a Friday for the Future" ("Jeder Tag ist ein Freitag für die Zukunft").

Vettel: "Ich denke, es sollte null Toleranz geben"

Vettel ist seit jeher unbequem. Und er wirkt derzeit fast mehr wie ein Aktivist denn wie ein Formel-1-Fahrer. Mit seinen Aktionen macht er sich aber nicht nur Freunde im Rennzirkus. "Ich bin nicht gerade der beliebteste Fahrer in den Augen der Formel-1-Organisation", erklärte der viermalige Formel-1-Weltmeister. "Mir kann aber niemand sagen, was ich zu sagen oder nicht zu sagen habe. Auch wenn das nicht gerne gesehen wird, was ich dann sage."

Vettel weiß um seinen Status und seine öffentliche Reichweite. Auch beim Rassismuskandal während des Grand Prix in Spielberg vor zwei Wochen nahm der Formel-1-Pilot kein Blatt vor den Mund und verurteilte die Vorfälle deutlich. "Wer auch immer diese Leute sind, sie sollten sich schämen und auf Lebenszeit von Rennveranstaltungen ausgeschlossen werden", so Vettel. "Ich denke, es sollte null Toleranz geben."

Sebastian Vettel zeigt die Siegerfaust, als er 2013 zum vierten Mal Weltmeister wird
Die Siegerfaust kann Sebastian Vettel lange nicht mehr zeigen. Zuletzt wird er 2013 Weltmeister mit Red Bull Bild: James Moy/empics/picture alliance

Karriereende nach dieser Saison?

Sportlich dagegen schafft es Vettel seit seinem Weggang von Red Bull, wo er vier Mal Weltmeister wurde, nicht mehr auf die Titelseiten. Weder bei Ferrari noch bei seinem aktuellen Rennstall Aston Martin konnte der 35-Jährige bisher an seine vergangenen Erfolge anknüpfen. Kein Wunder, dass sogar über ein Karriereende nach der aktuellen Saison spekuliert wird. Vettels Vertrag läuft aus. Ob das Arbeitspapier noch einmal verlängert wird, ist fraglich.

Entscheidend könnte dabei auch der neue Vertrag von Aston Martin mit dem mächtigen Staatsfond aus Saudi-Arabien sein. Der britische Rennstall will durch das frische Geld seine Schulden tilgen. Doch wie reagiert Vettel auf die neue Kooperation? Beim letztjährigen Rennen in Saudi-Arabien veranstaltete er in Dschidda das Race4Women, bei dem nur Frauen und Mädchen an den Start gehen durften. Zudem kritisierte er die Menschenrechtssituation in dem Wüstenstaat. "Manches ist nicht so, wie es sein sollte." Welche Auswirkungen der neue Deal auf die Karriere Vettels haben wird, bleibt also offen.

Vettel: "Dann bin ich halt ein Heuchler"

Bei allem Engagement des Rennfahrers bleibt aber ein fader Beigeschmack. Schließlich ist Vettel Teil einer Rennsportserie, die zwar bis 2030 "klimaneutral" werden möchte, aber aktuell noch tausende Tonnen Kohlendioxid verursacht. Jüngst warf ihm Sonya Savage, die Umweltministerin der kanadischen Provinz Alberta, via Twitter Heuchelei vor: Er solle lieber auf seinen eigenen CO2-Fußabdruck achten, schrieb die Politikerin am Rande des Kanada-Grand-Prix.

Sebastian Vettel sitzt in einem Formel-1-Auto von Aston Martin
Als Formel-1-Fahrer setzt sich Sebastian Vettel für mehr Umweltschutz ein - geht das?Bild: Jerry Andre/Laci Perenyi/picture alliance

Vettel ist sich seiner zwiegespaltenen Situation bewusst, betont aber: "Hier geht es nicht um mich als Rennfahrer. Es geht um ein viel größeres Bild." Zudem hat der 35-Jährige nie bestritten, dass seine Situation als Formel-1-Pilot und Aktivist auch als heuchlerisch betrachtet werden könnte. "Dann bin ich halt ein Heuchler, wenn ich einen Job mache, den ich liebe, wenn ich aber gleichzeitig auf Umweltbelange hinweise. Wir werden alle von verschiedenen Leidenschaften getrieben. Ich werde mich nicht verbiegen", sagte Vettel und ergänzte: "Ich bin kein Heiliger. Es ist nicht meine Aufgabe, den Leuten zu sagen, was sie tun sollen. Aber ich tue für mich so viel, wie ich kontrollieren kann."