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Sechs Sekunden

Marcus Bösch7. Februar 2013

Achtung, Achtung. Es gibt was Neues. Vine heißt es. Ein Videodienst der sechs Sekunden lange Videos ins Netz schaufelt, die dann bis zum jüngsten Tag immer wieder wiederholt werden. Endlos. Warum? Darum!

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Logo Vine App
Logo Vine AppBild: vine

Thomas Mrazek leitet den Fachausschuss Online des Deutschen Journalisten-Verbands und twittert. Gerade eben erreicht mich ein Tweet von ihm. Er lautet: "Test", gefolgt von einem Link zum neuen Videodienst Vine. Dahinter versteckt sich ein kurzes Video, das den Computerscreen von Herrn Mrazek zeigt, die Kamera schwenkt über den Schreibtisch, zeigt aus dem Fenster und bleibt bei einem weißen Bücherregal hängen. Und dann geht alles wieder von vorne los.

Einfach so

Thomas Mrazek ist nicht allein. Sehr viele Journalisten testen gerade den Kurzvideodienst aus dem Hause Twitter, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen. Weil hier wieder was entstehen könnte, was ganz Großes und Wichtiges. So was wie Facebook. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Egal. Lieber mal das Ganze testen.

Was dabei heraus kommt, sind dann Videos, die mit dem Begriff "Test" ganz gut beschrieben sind. Es passiert Irgendwas. Und dann ist dieses Irgendwas auch schon wieder vorbei. Noch mal anschauen mag man sich das nicht. Dabei kann man sich ja bei Vine direkt anschauen, wie man den Dienst nutzen kann. Empfohlen werden da besondere Videos. Da baut jemand das Logo von Vine aus Lego, dreht sich beim Liegestütz in der Luft um 180 Grad, filmt seinen Hund beim Roller fahren oder entblättert eine Mandarine im Zeitraffer.

Vine erlaubt es Nutzern mit der Video-App für Smartphones so viele Bilder zu filmen wie man mag, sie dürfen nur die Länge von sechs Sekunden nicht überschreiten. Warum sechs Sekunden? Keine Ahnung. Einfach so. Beschränkung soll offenbar für Kreativität sorgen.

Die Idee war nett

Kreativität ist sehr anstrengend und aufwändig. Vor allem wenn das Ergebnis genau sechs Sekunden dauern darf. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe mit meiner Ehefrau über eine Stunde gebraucht, um ein einziges sechs Sekunden langes Video ins Netz zu stellen, dabei haben wir uns mehrmals angeschrien, mehrere Liter Nagellackentferner verbraucht, den Küchentisch eingesaut und am Ende haben wir das Video wieder gelöscht. So ungefähr funktioniert Vine.

Die Idee war eigentlich nett und überschaubar. Außerdem war Sonntag, wir hatten wenig bis gar nichts zu tun und draußen war es kalt und nass und grauenhaft. Da meine Ehefrau und ich freie Tage damit verbringen, mit zwei Smartphones wortlos nebeneinander auf der Couch zu sitzen, um uns gegenseitig im Internet Nachrichten zu schreiben, hielten wir es für angebracht, ein sinnstiftendes Gemeinschaftserlebnis zu durchleben.

Combo Screenshot Vine App - drei Hände mit unterschiedlich lackierten Fingernägeln
Bild: vine

Das ging schief

Die Rolle die mir dabei zugedacht war, war die eines Hobby-Kameramanns. Und zwar eines präzisen, ruhigen Beherrschers der Kamera, der die linke Hand meiner Frau zu filmen hatte, während diese einen Finger mit Nagellack bestrich, dann absetze, um einen weiteren Finger mit einem anderen Nagellack zu bestreichen.

Sie ahnen es, das sollte ein zugegebenermaßen nicht Hollywood-tauglicher Stop-Trick werden. Ein erster Versuch. Aber zumindest origineller als das Abfilmen des Arbeitszimmers. Ich kürze etwas ab. Es ging alles schief. Auch das, was gar nicht schief gehen kann. Das ging aber auch schief. Erst filmte ich das Falsche, dann wackelte ich, dann wollte die App nicht mehr, dann wollte ich nicht mehr, dann wollten wir alle nicht mehr, bis irgendwann dann doch ein Ergebnis herauskam, das leider weder mir noch ihr gefiel und wir noch mal und dann immer wieder von vorne anfingen.

Wir waren dabei

Es hat nicht wirklich Spaß gemacht. Aber am Ende hatten wir ein Ergebnis. Ein sechs Sekunden langes Video mit einer Hand, deren Fingernägel wie von Geisterhand mit verschieden Farben bestrichen werden. Und die dann wieder unlackiert sind. Keine Ahnung wozu das gut sein soll. Aber vielleicht passiert hier etwas Großes. Etwas das man nicht verpassen darf. So was wie Facebook. Und wir waren mit dabei. Fast als allererste. Noch vor dem Fachbereichsleiter Online des Deutschen Journalistenverbandes.

Marcus Bösch war irgendwann 1996 zum ersten Mal im Internet. Der Computerraum im Rechenzentrum der Universität zu Köln war stickig und fensterlos. Das Internet dagegen war grenzenlos und angenehm kühl. Das hat ihm gut gefallen.

***ACHTUNG: NUR im Zusammenhang mit der Netzkolumne "Digitalitäten" benutzen!*** Bild von Marcus Bösch für die DW, September 2012
DW-Netzkolumnist Marcus BöschBild: DW/M.Bösch

Und deswegen ist er einfach da geblieben. Erst mit einem rumpelnden PC, dann mit einem zentnerschweren Laptop und schließlich mit geschmeidigen Gerätschaften aus aalglattem Alu. Drei Jahre lang hat er für die Deutsche Welle wöchentlich im Radio die Blogschau moderiert. Seine Netzkolumne gibt es hier jede Woche neu.