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Politik

Seehofer: Muslime gehören zu Deutschland

28. November 2018

Es ist eine bemerkenswerte Kehrtwende für den Innenminister und CSU-Chef - und er hat sich zugleich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Seehofer will einen Islam fördern, der in der deutschen Gesellschaft "verwurzelt" ist.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek  (Foto: Imago/M. Heine)
Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek Bild: Imago/M. Heine

Zum Auftakt der Islamkonferenz hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die Rechte und Pflichten muslimischer Bürger betont. "Muslime gehören zu Deutschland", sagte er bei dem Treffen in Berlin. Sie hätten die gleichen Rechte und Pflichten wie alle Bürger in Deutschland. Daran könne es "keinen vernünftigen Zweifel geben", sagte Seehofer. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte der CSU-Chef noch erklärt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Nun verwies er lediglich auf die christliche und jüdische Prägung Deutschlands.

Programm  "Moscheen für Integration" angekündigt

Die zentrale Frage für die Islamkonferenz in dieser Wahlperiode sei für ihn, wie ein Islam in Deutschland gefördert werden könne, "der in unserer Gesellschaft verwurzelt ist", sagte Seehofer. Er unterstrich sein Ziel, ausländische Einflüsse auf deutsche Moschee-Gemeinden zu ersetzen durch eigene Strukturen, auch bei der praktischen Imam-Ausbildung. Es sei Angelegenheit der muslimischen Gemeinschaften, das zu organisieren. Die Bundesregierung sei hier kein Vormund, habe aber Interesse an der Ausbildung deutscher Imame. Seehofer kündigte ein Programm "Moscheen für Integration - Öffnen, Kooperieren, Vernetzen" an, über das muslimische Gemeinden Förderung für Integrationsarbeit erhalten können. Der Haushaltstitel sei bereits eingeplant. Mit wie viel Geld das Programm ausgestattet werden soll, sagte er nicht.

Kritik hatte es in den vergangenen zwei Jahren vor allem an Predigten und Aktivitäten von Imamen des türkischen Islam-Dachverbandes Ditib gegeben. Einigen Predigern war vorgeworfen worden, sie hätten Gläubige bespitzelt. Weiterer Stein des Anstoßes waren Gebete für türkische Soldaten im Syrien-Einsatz.

Insgesamt sind für die zweitägige Konferenz in Berlin rund 240 Teilnehmer angemeldet (Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Insgesamt sind für die zweitägige Konferenz in Berlin rund 240 Teilnehmer angemeldet Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Imame der Ditib werden von der staatlichen türkischen Religionsbehörde nach Deutschland entsandt. Der Theologe Ucar und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sprachen sich für eine deutsche Imam-Ausbildung nach dem Vorbild des christlichen Priesterseminars aus. Die nordrhein-westfälische Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) sagte, Salafisten sei es bedauerlicherweise gelungen, Jugendliche auf Deutsch anzusprechen und in ihrer Lebenswelt abzuholen. In den meisten nicht-radikal geprägten Moscheen fehlten dagegen "vertrauenswürdige Ansprechpartner", die Deutsch sprechen und nah am Alltag der Jugendlichen sind. 

Nun mehr unabhängige Persönlichkeiten dabei 

Der Innenminister hatte zur Islamkonferenz stärker als seine Vorgänger muslimische Einzelpersonen eingeladen. 240 Teilnehmer sind für die zweitägige Veranstaltung angemeldet. Seehofer sagte, die Islamkonferenz werde unter seiner Leitung in der Zusammensetzung breiter und vielfältiger sowie in der Arbeitsweise flexibler. Vertreter deutscher Stellen sowie muslimischer Verbände und Organisationen sind ebenso dabei wie unabhängige und säkulare Muslime. Nach eigenen Worten will Seehofer auf feste Gremien verzichten, sondern in unterschiedlichen Formaten alltagspraktische Fragen der Muslime in Deutschland diskutieren. Das Treffen ist der Auftakt der vierten Phase der 2006 gestarteten Deutschen Islam Konferenz (DIK) und soll zugleich ein Neustart im Dialog mit den Muslimen in Deutschland sein. 

Ergänzend sagt der Islamismus-Experte und Psychologe Ahmad Mansour der Deutschen Welle, wichtig sei, dass für die nächste Generation der in Deutschland lebenden Muslime "eine Alternative zu dem konservativen Islam" geschaffen werde. Sie müssten Deutsche, Teil von Deutschland, Demokraten und zugleich Muslime sein können.

Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir (Foto: picture-alliance/dpa/A. Riedl)
Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir Bild: picture-alliance/dpa/A. Riedl

Özdemir: Reformbereitschaft der Islamverbände "völlig überschätzt"

Schon vor Beginn der Runde war die Debatte über den Einfluss islamischer Dachverbände und die Ausbildung von Imamen aufgeflammt. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte die bisherige Politik der deutschen Parteien gegenüber den Verbänden als "zu nachgiebig". Alle Parteien im Bund und in den Ländern hätten die Reformbereitschaft der Islamverbände "völlig überschätzt", sagte der frühere Grünen-Chef Özdemir der Tageszeitung "Die Welt". Das gelte insbesondere für den Moscheeverband Ditib. Die Dachverbände sollten nicht "für alle Ewigkeit ausgeschlossen werden", sagte Özdemir. "Aber zuvor müssen Ditib und die anderen Verbände die Voraussetzungen erfüllen - sie müssen sich von Organisationen ausländischer Mächte zu deutschen Vertretungen inländischer Muslime transformieren", forderte der Grünen-Politiker. Sie müssten nachweisen, "dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden unserer Verfassung stehen und dass in unserem Zusammenleben das Grundgesetz für sie über jedem heiligen Buch steht".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), reagierte zurückhaltend auf die Kritik Özdemirs. Der Grünen-Politiker habe in Teilen Recht, es gebe bei der Verbänden allerdings auch Reformprozesse, sagte Widmann-Mauz im Norddeutschen Rundfunk. Es sei wichtig, "dass wir den Gesprächsfaden auch zu Ditib nicht abbrechen". Widmann-Mauz forderte einen Dachverband, der unterschiedliche Strömungen auffange und für den Staat ein "Ansprechpartner auf Augenhöhe" sei.

sti/fab (afp, epd, kna)