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Nicht in Merkels Auftrag!

Volker Wagener3. Februar 2016

Die Außen-Nebenpolitik der CSU ist legendär. Nun fliegt Horst Seehofer nach Moskau. Eine pikante und umstrittene Visite des Bayern in Zeiten heftiger deutsch-russischer Verwerfungen.

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CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: picture-alliance/dpa/P. Kneffel)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Selten zuvor stand es so schlecht um die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau. Selbst der vorsichtige Frank-Walter Steinmeier, Merkels Mann für das Außenressort, kann derzeit nichts bewegen in Russlands Hauptstadt. Und mitten in dieser politischen Eiszeit will nun CSU-Chef Horst Seehofer am Donnerstag Präsident Wladimir Putin beehren. Ausgerechnet er, Merkels heftigster Kritiker in der Flüchtlingspolitik. Ein Mann, der gerne polarisiert. Der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort?

"Wie können wir heute die Welt anzünden?", fragte er immer mal wieder seine Berater, wenn die Republik ein paar Tage wenig oder nichts über Bayern, über die CSU zu hören bekommen hatte. Seit die Flüchtlinge zu Hunderttausenden über Bayern nach Deutschland kommen, braucht er um ausreichende Publicity nicht mehr zu fürchten. Seehofer ist Merkels gefährlichster Kritiker, er bombardiert die Kanzlerin seit Monaten mit Ultimaten. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hält er nicht im Detail, sondern grundsätzlich für falsch. Seehofer mag als bayerischer Ministerpräsident zu Putin fliegen, in Moskau aber wird er als Vertreter einer der drei Berliner Regierungsparteien empfangen werden.

Moskau-Visite in Zeiten russischer Propaganda

Seehofers Moskau-Besuch fällt zeitlich exakt mit einer Offensive des Kreml zusammen, Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland zu nehmen. Putins ausführliches Interview, das er der "Bild"-Zeitung vor Kurzem gewährte, mag noch ein konventionelles Mittel der Russland-PR in Deutschland gewesen sein. Doch die Behauptung, Lisa, ein 13-jähriges russlanddeutsches Mädchen, sei von arabischen Flüchtlingen in Berlin vergewaltigt worden, trug tagelang Züge einer Verleumdungskampagne gegen Deutschland. Auffällig war dabei der scharfe Ton des russischen Außenministers Sergej Lawrow gegenüber der deutschen Justiz.

CSU-Chef Horst Seehofer ( Foto: Tobias Hase dpa/lby)
Horst Seehofer, CSU-Parteichef, Bayerns Ministerpräsident und Koalitionär in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Russland betreibe mit rechtsradikalen Netzwerken - insbesondere mit der AfD und Pegida - eine Politik, so der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, die die Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge in Deutschland gefährde. Auch Teile der Russlanddeutschen würden gezielt angesprochen. Kiesewetter hält Moskau glatte Informationsverfälschung vor. Im Deutschlandfunk nannte er das russische Syrien-Engagement eine "hybride Kriegsführung", die die Flucht der Menschen Richtung Europa nur beschleunige. Vor diesem Hintergrund sei Seehofers Moskau-Reise zu diesem Zeitpunkt ein Fehler.

Schon zu Beginn der Syrien-Krise hatte die CSU für eine engere Zusammenarbeit mit Russland plädiert. Ohne Putin sei die Situation in Syrien nicht in den Griff zu bekommen, so Seehofer schon im September. Sein Russland-Verständnis und seine Frontstellung innerhalb der Berliner Koalition gegen Merkels Flüchtlingskurs kommen Putin gerade recht: Er wolle Zweitracht säen in Deutschland und in der EU, ist sich der Unionspolitiker Kiesewetter sicher.

Putins und Seehofers Ziel? Das Ende der Russland-Sanktionen!

Darüber hinaus haben der starke Mann in Moskau und der Bayer ein gemeinsames Interesse: Das Ende der EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Brüssel hatte nach der Krim-Annexion Teile des Handels mit Russland auf Eis gelegt. Die Sanktionen wurden mehrfach verlängert. Moskau hatte mit einem Gegenembargo für einen Großteil der Agrarprodukte aus der EU reagiert. Auch Bayerns Landwirte waren die Leidtragenden. Seehofer sieht sich als Interessenvertreter der heimischen Wirtschaft, deren Botschaft klar ist. Mittelstand, Industrie und Handel wollen so schnell wie möglich wieder ins Geschäft kommen.

Wladimir Putin Interview mit Redakteuren der "Bild"-Zeitung in Sotschi (Foto: picture-alliance/dpa/A. Nikolskyi)
Nicht ohne Hintergedanken: Wladimir Putin beim Bild-Gespräch in Sotschi am 11. Januar.Bild: picture-alliance/dpa/A. Nikolskyi

Frankreich hatte erst vor wenigen Tagen ein gewichtiges Signal gesandt. Ziel sei es, so der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron bei einem Besuch in Moskau, "im kommenden Sommer die Sanktionen wieder aufheben zu können". Natürlich nur, wenn Moskau die Verpflichtungen des Minsker Abkommens erfülle. Doch der politische Schulterschluss in der EU gegenüber Moskau beginnt aufgrund wirtschaftlicher Interessen Einzelner aufzuweichen. Das spielt Putin in die Hände. Die Frage ist, wie Seehofer seinen Besuch akzentuiert, als deutscher Außenpolitiker und indirektes Mitglied der Berliner Koalitionsregierung oder als Wirtschaftsvertreter seines Freistaates.

Bayerische Außenpolitik - eine Neuentdeckung

Die CSU und ihre Außenpolitik waren schon immer etwas Spezielles. Die CSU-Granden Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber waren innenpolitisch für Krawallmacherei in Berlin gut - auch schon zu Bonner Zeiten. Legendär ist vor allem die "Außenpolitik nach eigenen Maßstäben" von Franz-Josef Strauß. 1983 ermöglichte er der maroden DDR-Führung einen Milliardenkredit, was ihm teils heftige Kritik aus seiner CSU einbrachte. Auch regelmäßige Kontakte zum Apartheid-Staat Südafrika, insbesondere zu Staatspräsident Pieter Willem Botha, oder zu Paraguays Diktator Alfredo Stroessner stehen für eine geradezu demonstrativ eigene Außenpolitik des Freistaates.

Kein Wunder, dass sich Horst Seehofer in dieser Tradition sieht und sich schon 2014 für seine bis dahin 32 Auslandsreisen (bis auf Australien war er auf jedem Kontinent) rühmte. Dabei konzentrierte er sich vorrangig auf die Förderung der wirtschaftlichen Interessen seiner heimischen Unternehmer. Doch der Flüchtlingsstrom hat den bayerischen Ambitionen in der Außenpolitik eine neue Argumentationsgrundlage verschafft. Seit die ankommenden Flüchtlinge über Bayern deutschen Boden betreten, ist bayerische Innenpolitik zugleich bundes- wie außenpolitisch relevant. Das ist neu.

Aktuell bleibt die Frage, was genau Seehofer mit Merkel vor dem Abflug an Sprachregelungen festgelegt hat. In Russland sind westliche Politiker unisono schlecht beleumundet. Merkel ist da eine Ausnahme. Ihr Verstand, ihre Härte, ihre eisernen Nerven werden respektiert. Mehr noch: Sie wird geachtet. Ob Seehofer, der Gefühlsmensch, den Vereinnahmungsversuchen Putins gewachsen ist, wird letztlich darüber entscheiden, ob der Besuch zur Fußnote der Geschichte wird - oder die fragile Berliner Koalition zusätzlich strapaziert.