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Politik

Seehofer und Salvini suchen den Schulterschluss

11. Juli 2018

Damit seine "Asylwende" funktioniert, braucht der deutsche Innenminister Hilfe von Rechtsaußen in Italien. Verhandlungen wurden vereinbart. Es keimt gar so etwas wie Freundschaft auf. Aus Innsbruck Bernd Riegert.

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Österreich Innsbruck - EU-Innenminister | Matteo Salvini, Italien & Horst Seehofer, Deutschland
Sie verstehen sich ganz gut: Italiens rechtspopulistischer Innenminister (li.) und Deutschland RessortchefBild: DW/B. Riegert

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) war voll des Lobes für seinen rechtspopulistischen Amtskollegen aus Rom. Der italienische Innenminister Matteo Salvini und er hätten am Rande des EU-Treffens in Innsbruck in sehr guter Atmosphäre miteinander gesprochen. "Wir waren uns in fast allen Punkten der Migrationspolitik einig", sagte Seehofer nach dem knapp einstündigen Gespräch in einem Innsbrucker Hotel. Auch Matteo Salvini, der mit Seehofer zusammen vor die Presse trat, zeigte sich sehr zufrieden und sprach von freundschaftlichen Beziehungen. "Wir sind uns einig, dass der Strom der Migranten gestoppt werden muss und die Außengrenzen besser geschützt werden müssen", sagte Salvini. Die beiden Minister vereinbarten Verhandlungen über eine mögliche direkte Zurückweisung von Asylsuchenden, die über Italien eingereist sich, an der deutschen Südgrenze. "Wir sprechen über Binnenmigration - soweit sie Deutschland und Italien betrifft", sagte Seehofer. Bis Ende Juli wolle man Ergebnisse einer Arbeitsgruppe von Beamten haben, über die dann die Minister noch einmal sprechen wollen, kündigte Seehofer an. "Dafür bin ich sehr dankbar. Es waren sehr sachorientierte Gespräche."

Salvini macht noch keine Zugeständnisse

Bislang hatte der italienische Ressortchef die Rücknahme von abgewiesenen Asylsuchenden vehement abgelehnt. Auf die Frage der DW, ob er jetzt dazu bereit sei, antwortete Matteo Salvini nicht direkt. Er sagte nur, solange die Außengrenzen nicht völlig kontrolliert würden, gebe es keine Rückkehr von Flüchtlingen nach Italien. Die Zurückweisungen an der deutschen Grenze waren ein Streitpunkt, der fast die deutsche Regierungskoalition gesprengt hätte. Horst Seehofer muss nun Abkommen mit Italien, Österreich und Griechenland aushandeln, um nationale Alleingänge zu vermeiden. Der deutsche Innenminister will an der bayrischen Grenze "Asylzentren" einrichten, aus denen heraus die Zurückweisungen erfolgen sollen. Diese Einrichtungen, die dazu dienen sollen, Asylsuchende nicht nach Deutschland einreisen zu lassen, sind Teil von Seehofers "Masterplan Migration", den er nach vier Wochen Streit mit den Koalitionspartnern CDU und SPD am Dienstag in Berlin vorgestellt hatte.

Am Mittwoch will der deutsche Innenminister auch mit seinem rechtspopulistischen Amtskollegen aus Wien über die Binnenmigration und die Zurückweisungen verhandeln. Herbert Kickl (FPÖ) hat aber vor Journalisten erneut betont, er werde keine Abkommen "zum Nachteil Österreichs" abschließen. "Österreich nimmt keine Asylbewerber zurück, für die es nicht zuständig ist", sagte Kickl. Die EU-Innenminister wollen nicht nur über die Sekundärmigration von Asylbewerbern sprechen, also die Abwanderung aus den Ankunftsländern Italien und Griechenland nach Mitteleuropa, sondern über grundlegende Reformen des Asylsystems.

Österreich Spielfeld Grenzschutzübung "Proborders"
Österreichs Innenminister Herbert Kickl ist EU-Ratsvorsitzender. Er setzt auf eine härtere LinieBild: picture-alliance/APA/picturedesk/R. Schlager

Kernfrage ist das "Dublin-System"

Zuständig für einen Asylsuchenden ist nach derzeit geltendem Recht der Staat der ersten Einreise, das besagt die vielzitierte "Dublin-Regel". Die drei Minister Seehofer, Kickl und Salvini stehen sich zwar ideologisch sehr nahe, aber in der praktischen Umsetzung der angekündigten "Asylwende" der konservativen CSU in Bayern sind sich die drei Herren nicht einig. Ihre Interessen sind sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass sich andere EU-Staaten gegen eine Reform der Dublin-Regeln wenden, zum Beispiel Ungarn oder Polen. Griechenland und Italien fordern hingegen ein Ende des Dublin-Systems, von dem sie sich über Gebühr belastet sehen.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini will offenbar nicht mehr auf Beschlüsse seiner EU-Kollegen warten. Er erklärte, überhaupt keine Schiffe mit Schiffbrüchigen, die aus Libyen kommen, mehr in Italien anlegen zu lassen. Das soll angeblich auch für die Schiffe anderer EU-Staaten gelten, die bislang von Italien koordiniert Schiffbrüchige aufgenommen und nach Italien gebracht haben. Die Innenminister müssen in Innsbruck nun beraten, ob nach den einseitigen Schritten Salvinis die EU-Operationen Sophia und Themis zur Seenotrettung und zur Bekämpfung von Menschenschmuggel unverändert weiter laufen können. Schiffe der Grenzschutzagentur Frontex und andere EU-Schiffe konnten bislang italienische Häfen anlaufen. Italien will durchsetzen, dass die Schiffbrüchigen nach Libyen zurückgebracht werden. Matteo Salvini sagte in Innsbruck, es könne nicht so bleiben, dass Italien alle aufnehme. "Es soll weniger Tote im Mittelmeer geben und weniger Asylanträge", sagte Salvini.

Schiff mit mehr als 900 Flüchtlingen landet in Italien
Wohin mit den Geretteten? Italien will niemanden in die Häfen lassenBild: picture-alliance/dpa/O. Scardino

Festung Innsbruck?

"Innsbruck wird zur Festung ausgebaut" bemängelte die Tiroler Tageszeitung an diesem Mittwoch auf ihrer Titelseite. 1.000 Polizisten sichern die Stadt, in der sich die Innenminister der EU treffen, um über eine Verschärfung des Asylrechts zu beraten. Die Minister müssen, so meint das Innenministerium Österreichs, vor Demonstranten geschützt werden. Vor dem Tagungshotel sind Soldaten mit Maschinenpistolen und voller Kampfausrüstung aufgestellt. Drei Protestkundgebungen sind angemeldet. Das Bild von der "Festung" passt zu den jüngsten Entwicklungen in der europäischen Asylpolitik, meinen Kritiker. Die Minister selbst sprechen von einem besseren und lückenlosen Schutz der Außengrenzen, besonders der Seegrenze zwischen Libyen und Italien vor illegaler Einwanderung.

Österreichs Innenminister Kickl erklärte vor Journalisten, dass er die Asylpolitik vor allem "krisenfest" machen will. Kickl freute sich, dass jetzt ein "neues Denken" in der Migrationsfrage eingesetzt habe. "Da ist ein Paradigmenwechsel erkennbar", so Kickl. In internen Arbeitspapieren der Beamten aus den Mitgliedsstaaten, die das Treffen in Innsbruck vorbereitet haben, ist vor allem von den Gefahren die Rede, die von "geschmuggelten Individuen" ausgehen. Diese seien "Fremdkörper" in den aufnehmenden Gesellschaften. In einem Imagefilm, den das österreichische Innenministerium produzieren ließ, wird ein direkter Zusammenhang zwischen den Flüchtlingen und den Terroranschlägen in Europa hergestellt. Die drastische Sprache in den Entwürfen der Beamten wurde für die Minister etwas abgeschwächt, aber die Richtung ist unverkennbar.

Neuer Vorschlag: Asyl nur noch in Nachbarländern der Krisenherde

"Die Bürger wollen vor allem Sicherheit", gibt Kickl zu bedenken. Die erreicht man nach Überlegungen des Innenministers, der im zweiten Halbjahr 2018 aus Ratsvorsitzender der EU ist, vor allem dadurch, dass man möglichst keine Migranten mehr nach Europa lässt und auch keine Flüchtlinge mehr aufnimmt. In Interviews vor dem Außenministertreffen hatte Herbert Kickl vorgeschlagen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber nur noch in den unmittelbaren Nachbarstaaten der Kriegs- und Krisenländer aufgenommen werden sollten. Im Umkehrschluss wäre die EU dann ganz aus dem Schneider, es sei denn, Asylbewerber kämen aus der Türkei, der Ukraine, Russland oder der Schweiz. 

Italiens Innenminister nannte den Vorschlag in Innsbruck einen "interessanten" Ansatz. Österreich will wie alle anderen EU-Staaten auf "Ausschiffungsplattformen" in Drittstaaten setzen, in denen aus dem Mittelmeer gerettete Migranten anlanden sollen. Dort soll dann ihre Schutzbedürftigkeit geprüft werden. Bislang ist aber kein Staat in Nordafrika bereit, solche Lager zu beherbergen.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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