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Seenotretter fordern Hilfe

Alexander Drechsel3. Juni 2015

In Bremerhaven haben Seenotretter aus 38 Ländern über die Lage der Flüchtlinge im Mittelmeer beraten. Doch die Situation könnte im Sommer erst einmal viel schlimmer werden.

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Ein Flüchtlingsboot vor Griechenland (Foto: REUTERS/Yannis Behrakis)
Bild: Reuters/Y. Behrakis

Die Bilder aus dem Mittelmeer gehen um die Welt: Hoffnungslos überfüllte Boote, auf denen Kinder, Frauen und Männer auf eine lebensgefährliche Fahrt nach Europa geschickt wurden und nahezu immer in Seenot geraten. Die International Organization for Migration (IOM) schätzt, dass in diesem Jahr bislang fast 1850 Menschen bei dem Versuch, nach Italien, Malta, Spanien oder Griechenland zu gelangen, im Mittelmeer ertrunken sind.

Menschen aus Seenot zu retten oder sie gar nicht erst in solche Gefahrensituationen kommen zu lassen, war das Thema des World Maritime Rescue Congress im norddeutschen Bremerhaven, der nur alle vier Jahre stattfindet. Mehr als 250 Seenotretter aus 38 Nationen tauschten drei Tage lang Erfahrungen aus.

Stark rückläufige Zahlen auf den Kanaren

So auch der Koordinator der marokkanischen Seenotrettung Mohammed Drissi. Sein Heimatland ist laut der EU-Grenzagentur Frontex ein Startpunkt für Migranten, die über den Seeweg illegal nach Europa einreisen wollen. Ihr Ziel ist das spanische Festland, das an der engsten Stelle der Straße von Gibraltar nur rund 16 Kilometer entfernt ist, oder die Kanarischen Inseln, die nur 100 Kilometer vor der marokkanischen Küste liegen.

Vor nicht ganz zehn Jahren seien vor allem auf den Kanarischen Inseln Zehntausende Migranten an Land gegangen, erinnert sich Drissi im Gespräch mit der Deutschen Welle. Aber inzwischen habe man gelernt. Die Zahlen sind extrem gesunken. Laut Frontex-Angaben gelangten im vergangenen Jahr 275 Menschen illegal über den Seeweg auf die Kanaren - 2006 hatte die Zahl noch bei 31.600 Flüchtlingen gelegen.

Mohammed Drissi, Koordinator der marokkanischen Seenotrettung (Foto: Foto: DW/A. Drechsel)
Mohammed DrissiBild: DW/A. Drechsel

Zusammenarbeit mit afrikanischen Kontinent verbessert

Heute haben sich die Routen nach Osten hin verlagert, was an mehreren Faktoren liegt: Zum einen schloss Spanien bilaterale Abkommen mit Mauretanien und Senegal, die typischen Startländer der Flüchtlingsboote mit dem Ziel Kanarische Inseln. Seitdem kontrollieren die beiden westafrikanischen Staaten ihre Küsten und werden dafür unterstützt. Und zum anderen verschärfte Spanien mit dem Seeüberwachungssystem SIVE seine Kontrollen.

Drissi sieht aber noch einen weiteren Punkt, weshalb heutzutage auf der Passage nach Spanien nicht mehr so viele Menschen ertrinken: "Es ist ein Ergebnis einer engen Kooperation und großer Anstrengungen. Wir arbeiten sehr eng mit den spanischen Kollegen zusammen. Diese Erfahrung dient auch als Beispiel für andere." In Workshops und Austauschprogrammen sei die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den marokkanischen Seenotrettern und der spanischen Küstenwache verbessert worden. Setze nun ein Boot von Marokko aus Kurs auf Europa, würden die spanischen Behörden informiert. Trotz all der Verbesserungen sind laut IOM in diesem Jahr auch schon mindestens 18 Menschen auf dieser westlichsten Seepassage nach Europa ertrunken.

Konstantinos Mitragas, Generalsekretär des Hellenic Rescue Team (Foto: DW/A. Drechsel)
Konstantinos MitragasBild: DW/A. Drechsel

Rettungseinsätze konzentrieren sich auf das zentrale Mittelmeer

Ähnliche Zahlen verzeichnet die IOM im östlichen Mittelmeer: Dort kamen bislang etwa 30 Migranten, beim Versuch über das Meer nach Griechenland zu kommen, ums Leben. Dagegen ertranken auf der mindestens 400 Kilometer langen Überfahrt im zentralen Mittelmeer geschätzt 1800 Kinder, Frauen und Männer. Dementsprechend konzentrieren sich die Rettungseinsätze auf das Seegebiet zwischen Libyen und Italien.

Dennoch sei die Situation zwischen Italien und Griechenland durchaus vergleichbar, sagte Konstantinos Mitragas, Generalsekretär des Hellenic Rescue Team, auf dem Kongress in Bremerhaven. Italien habe in diesem Jahr bislang zwar bis zu 45.000 Migranten gezählt, aber seine Heimat Griechenland verzeichne mit 35.000 Einwanderern die zweithöchste Zahl, so Mitragas. Die meisten davon kommen über den Seeweg.

Freiwillige des Hellenic Rescue Teams nach einer Landung von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesvos (Foto: Hellenic Rescue Team)
Spuren illegaler Einwanderung auf der griechischen Insel LesvosBild: Hellenic Rescue Team

Die Lage droht noch schlimmer zu werden

Dass dennoch relativ wenig Menschen ertrinken, habe mit der geringen Entfernung zu tun, erläutert Mitragas. "Von der westlichen Küste der Türkei aus zu den benachbarten griechischen Inseln sind es nur acht bis zehn Kilometer. Und die See dort ist sicherer als das offene Mittelmeer." Er geht davon aus, dass mit dem Sommer auch die Zahl der Bootsflüchtlinge massiv steigen wird. Viele Flüchtlinge gingen davon aus, dass im Sommer das Wetter besser sei. Aber das Gegenteil ist der Fall. Gerade im Sommer sei es in der Region windiger mit höheren Wellen als im Winter. "Das wissen viele Flüchtlinge nicht. Wahrscheinlich wird die Zahl der Toten im Sommer steigen - was ich nicht hoffe."

Mitragas fährt auch selber Rettungseinsätze auf See. "Es ist immer kritisch, wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, egal woher die Menschen kommen. Sind aber Kinder oder Babys betroffen, ist am schwierigsten. Das berührt einen mehr."

Ein norwegischer Rettungskreuzer für Griechenland

Als Generalsekretär des Hellenic Rescue Team wünscht sich Mitragas mehr Unterstützung bei der Versorgung und Rettung der Migranten - sowohl für Italien als auch für Griechenland. "Das Problem wird schon bald eskalieren, vor allem wegen des Vormarsches des 'Islamischen Staats' und der schlimmer werdenden Lage in Syrien." Die Flüchtlingszahlen werden steigen und damit auch die Toten.

Norwegen hat auf die Situation vor Griechenlands Küste reagiert. In wenigen Wochen werde ein Schiff der norwegischen Gesellschaft für Seerettung für ein halbes Jahr dort stationiert, gab die private Organisation in Bremerhaven bekannt. Doch das, da waren sich die Delegierten des World Maritime Rescue Congress einig, kann nur einer von vielen weiteren Schritten sein, um Flüchtlinge retten.