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Senat in Manila hört Zeugen des Drogenkriegs

Ana P. Santos24. August 2016

Nach den massenhaften Tötungen im Drogenkrieg des philippinischen Präsidenten Duterte nahm sich jetzt der Senat das Thema vor. Angehörige von Opfern kamen zur Sprache, aber auch der Polizeichef.

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Vermummte Angehörige als Zeugen im Senat (Foto: Reuters/E. De Castro)
Bild: Reuters/E. De Castro

Nach seinem Wahlsieg erklärte der neue philippinische Präsident Rodrigo Duterte, er werde das Drogenproblem binnen drei bis sechs Monaten lösen. Das war vor knapp zwei Monaten, seitdem wurden fast 2000 Personen bei Razzien durch die Polizei sowie durch vermeintliche Bürgerwehren getötet. Am Dienstag endeten die ersten von mehreren geplanten Anhörungen des philippinischen Senats über die Hintergründe dieser Serie von größtenteils extralegalen Tötungen.

"Das sind 33 Getötete pro Tag", sagt Senatorin Leila de Lima. Sie ist die Vorsitzende des Recht- und Menschenrechtsausschusses im Senat, Ex-Justizministerin und frühere Vorsitzende der philippinischen Menschenrechtskommission. "Wir unterstützen die Anti-Drogen-Kampagne der neuen Regierung voll und ganz. Gleichzeitig wollen wir sicherstellen, dass Gesetze, Richtlinien und Verfahren eingehalten und die Menschenrechte beachtet werden", so die Vorsitzende während der Anhörung.

Von der Philippinischen Nationalen Polizeibehörde (PNP) wurden bei der Anhörung Daten vorgelegt, denen zufolge 756 Personen beim Zugriff der Polizei während Drogenverkäufen getötet wurden. 1160 weitere Personen seien "außerhalb des Rahmens polizeilicher Ermittlungen" getötet beziehungsweise durch angebliche Bürgerwehren getötet worden. "Sie haben sich zur Wehr gesetzt. Hätten sie sich ergeben, wären sie noch am Leben", sagte Polizeichef Ronald de la Rosa. Die Tötungen durch vermeintliche Bürgerwehren würden derzeit untersucht.

Präsident Rodrigo Duterte (Foto: picture alliance/dpa/C. Ebrano)
Präsident Duterte will sich auch durch Senatsanhörungen nicht von seinem Kurs abbringen lassenBild: picture alliance/dpa/C. Ebrano

Zeugenaussagen von Angehörigen

Die bei der Anhörung vernommenen Zeugen erzählen allerdings eine andere Geschichte. So berichtete die 26jährige Harra Kazuo, die mit einem Schal um den Kopf und Sonnenbrille auftrat, dass ihr Ehemann, Jaype Bertes und ihr Schwiegervater Renato Bertes in Polizeigewahrsam getötet wurden. Sie gab zu, dass beide Männer Drogen konsumiert und dass ihr Ehemann gelegentlich Drogen verkauft hätte, um den Lebensunterhalt für sie beide zu verdienen. "Er verdiente 300 Pesos (ca. 5,70 Euro) am Tag", berichtete die im siebten Monat schwangere Harra dem Ausschuss unter Tränen.

Ihr Ehemann sei bereits kurz davor gewesen, sich bei der Polizei zu melden, als die Polizeibeamten in ihre Wohnung stürmten und die Herausgabe von Drogen verlangten. Die Polizisten durchwühlten die Habseligkeiten der Verdächtigen und unterzogen die zweijährige Tochter des Paares einer Leibesvisitation. Die beiden Männer wurden sodann abgeführt. Laut Polizeibericht versuchten sie, auf der Wache einem Polizisten die Waffe zu entreißen, daraufhin seien sie erschossen worden.

Laut gerichtsmedizinischen Erkenntnissen wurden die beiden Männer vor ihrem Tod geschlagen, außerdem wurden mindesten jeweils drei Schüsse auf sie abgefeuert. Ein Schuss traf den Vater am oberen Teil des Kopfes, was auf eine gebeugte Haltung bei Abgabe des Schusses deutet.

Eine weitere Zeugin, Mary Jane Aquino, sagte aus, dass ihre Eltern Drogen konsumiert und mit solchen gehandelt hätten. Auch sie verbarg ihr Gesicht unter einem Tuch und trug Sonnenbrille und Kapuze. Auch sie sagte, dass ihre Eltern im Begriff waren, sich der Polizei zu stellen, als sie getötet wurden. Seitdem hätten sie und ihre vier jüngeren Geschwister sich einen Monat lang bei Verwandten versteckt. "Deshalb ist es wichtig, dass wir die Berichte dieser Zeugen hören", sagte Senatorin de Lima der DW. "Was sich dort abspielt, ist eine Gemengelage aus den Situationen verschiedener Beteiligter, die alle Bestandteil der Anti-Drogen-Kampagne sind."

Leila De Lima Senatorin und Ronald Dela Rosa Polizeichef (Foto: picture-alliance/AP Photo/B. Marquez)
Senatorin de Lima und Polizeichef Ronald Dela Rosa bei den AnhörungenBild: picture-alliance/AP Photo/B. Marquez

Keine grundsätzliche Kritik an Dutertes Kurs

Nach Schätzungen der philippinischen Drogenbehörde Dangerous Drugs Board gibt es 1,3 Millionen Drogenkonsumenten im Land. Laut Daten, die von der PNP vorgelegt wurden, sind 73 Prozent aller Dorfbewohner in der einen oder anderen Form von der Drogenplage betroffen: Das heißt, dass es in ihrer Nachbarschaft bekannte Drogenkonsumenten, größere oder kleinere Drogenhändler oder ein Drogenlabor gibt. Der allergrößte Teil der philippinischen Öffentlichkeit unterstützt den Drogenkrieg der Regierung. Sie sieht darin eine überfällige Maßnahme, um etwas gegen die nur selten verfolgte Alltagskriminalität zu tun. Der Zustimmungswert für Duterte beträgt derzeit über 90 Prozent.

Bei der zweitägigen Anhörung äußerten die Senatoren zwar Unterstützung für die Polizeimaßnahmen gegen Drogenkriminalität, waren aber unterschiedlicher Meinung über den richtigen Weg. Ein Senator zeigte sich sogar besorgt, dass die bei der Anhörung verbrachte Zeit die Polizei bei ihrer Arbeit behindern und den "Schwung" der Anti-Drogenkampagne lähmen könnte. Andere gaben zu bedenken, dass die massenhaften Tötungen eine "ernüchternde Wirkung" auf die Öffentlichkeit haben könnten. "Vielleicht gewinnen wir den Drogenkrieg, aber dieser Sieg wird nichts bedeuten, wenn die Bürger das Vertrauen in die Polizei verlieren und das Gesetz in die eigene Hand nehmen", gab Senator Ralph Recto zu bedenken.

Polizeichef de la Rosa nahm zum Ende der Anhörung seine Behörde in Schutz: "Wir sind keine Mörder. Unser Auftrag ist zu dienen und zu beschützen. Wir schlachten nicht wahllos Menschen ab." Am Dienstag Abend, wenige Stunden nach dem Ende der Anhörungen, sendete das Fernsehen den Audio-Mitschnitt eines unbewaffneten Mannes, der von der Polizei niedergeschossen wurde, während er versuchte, sich zu ergeben und um sein Leben bettelte. Seine Frau, jetzt seine Witwe, sagte, dass ihr Mann weder Drogen konsumiert noch mit ihnen gehandelt habe.