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Senior-Experten helfen Azubis

Renate Heilmeier15. September 2014

Wer sich nach Schule oder Studium in der Arbeitswelt behaupten muss, hat Hilfe nötig. Guten Rat geben sogenannte "Senior-Experten". Die deutschen Fachleute im Ruhestand helfen Berufsanfängern weltweit.

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Seniorexperte Götz Krüger und Azubi Patrick Gohr in der Maler- und Lackiererfirma Wamser in München (Foto: DW/Renate Heilmeier)
Bild: DW/R. Heilmeier

Eine Malerwerkstatt in München: Eigentlich ist schon Feierabend, doch zwischen Regalen mit Malerutensilien und Farbkübeln, Leitern und an die Wand gemalten Mustern haben die beiden Auszubildenden Patrick und Emre noch einen Termin mit Götz Krüger. Seine Lehre liegt bei dem 74-jährigen Rentner Jahrzehnte zurück, aber wenn es um das Ausrechnen von Flächen und die Mischungsverhältnisse von Farben geht, macht ihm niemand etwas vor. Nach Feierabend hilft er deshalb den beiden Jugendlichen, die mit seiner Hilfe die Ausbildung geschafft haben. Patrick brauchte seine Unterstützung besonders in der Theorie. "Im praktischen Teil war ich sehr zielstrebig und lernfähig, aber die Theorie in der Berufsschule, da waren mir manche Sachen ganz fremd."

Götz Krüger arbeitet als sogenannter "Senior-Experte". Viele Jahre war er nach seiner Lehre und einem Maschinenbaustudium im Vertrieb eines großen Unternehmens tätig. Seine jahrelange Berufserfahrung und die Lust darauf, sein Berufswissen an junge Leute weiterzugeben, hat ihn zu SES geführt, dem "Senior Experten Service" in Bonn. "Ich wollte einfach Menschen helfen, da ist auch viel Idealismus meinerseits im Spiel - und auch der Wunsch, ins Ausland zu kommen und Menschen kennenzulernen." Der Experten-Service der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit besteht seit 1983. Erfahrene Fachkräfte im Ruhestand werden in kleinere und mittlere Unternehmen vermittelt oder in öffentliche Einrichtungen, Kommunen und gemeinnützige Träger im In- und Ausland, damit sie dort als Coach arbeiten.

Mehr als ein bisschen Nachhilfe

Mittlerweile sind die Senioren aber auch in Mentoringprogramme mit Auszubildenden eingebunden. Der Grund: Laut Statistik bricht heute jeder fünfte Lehrling in Deutschland seine Ausbildung ab. Die Initiative VerA versucht das mit Hilfe der Senior-Experten zu verhindern. Unter dem Motto "Stark durch die Ausbildung" bringt sie deshalb Fachleute wie Götz Krüger vom SES mit Lehrlingen zusammen.

Azubi Patrick Gohr in der Maler- und Lackiererfirma Wamser in München (Foto: DW/Renate Heilmeier)
Azubi Patrick Gohr hat vor allem in der Theorie-Prüfung von seinem erfahrenen Mentor profitiertBild: DW/R. Heilmeier

Götz Krüger begleitet Patrick und Emre seit dem zweiten Lehrjahr ihrer Ausbildung. Regelmäßig hat er mit ihnen geübt, damit sie den Stoff in der Berufsschule verstehen und die Prüfungen bestehen. Dabei hat es auch geholfen, dass sich die beiden Berufsanfänger als kleine Lerngruppe gegenseitig unterstützen. Doch es geht nicht nur um ein bisschen Nachhilfe, um den Lernstoff zu beherrschen, sondern auch um Sozialkompetenz, die berufserfahrene Senioren wie Götz Krüger ganz selbstverständlich an die Auszubildenden weitergeben. Die Senior-Experten motivieren und beraten, geben Tipps und helfen nach Bedarf.

Neue Initiativen gegen altbekannte Probleme

Götz Krüger fühlt sich auch ein bisschen an die Zeit erinnert, als er selbst Lehrling und so alt wie Patrick und Emre war. "Auch ich wäre manchmal froh gewesen, wenn mir ein älterer Erfahrener hilfreich zur Seite gestanden hätte, auch mit Fragen, die man vielleicht im Elternhaus nicht ansprechen konnte", sagt er. "Die Probleme sind heute eigentlich genauso, wie wir sie früher auch gehabt haben." Nur dass es da noch keine Programme gab, die ältere Fachleute und Lehrlinge zusammenbrachten, wenn während der Ausbildung nicht alles glatt lief.

Seniorexperte Götz Krüger in der Maler- und Lackiererfirma Wamser in München (Foto: DW/Renate Heilmeier)
Senior-Experte Götz Krüger begleitet die Maler-Lehrlinge seit ihrem zweiten AusbildungsjahrBild: DW/R. Heilmeier

Gerne wäre Götz Krüger für den SES auch mal ins Ausland gegangen. Bisher hat sich dafür noch keine Gelegenheit ergeben. Immerhin hat der Senior Experten Service seit seiner Gründung vor über 30 Jahren mehr als 30.000 Einsätze in rund 160 Ländern durchgeführt. Bei den über 1500 Auslandseinsätzen im Jahr konzentrieren sich die Aktivitäten auf Entwicklungs-, Schwellen- und Reformländer. "Unsere Experten sind auf allen Gebieten gefragt., von der Aalfischerei bis zur Zementfabrik", erklärt Bettina Hartmann vom SES. "Gerne holen sich junge Unternehmer den Rat der Senioren, aber sie werden auch an Universitäten und in Betrieben gebraucht, wenn es um konkrete Fragen der Lehre oder Ausbildung geht."

Ältere Fachleute als Entwickungshelfer

Einsatzort kann ein Betrieb in Brasilien, Tansania oder Indien sein. Zwischen drei Wochen und sechs Monaten verbringen die pensionierten Fachleute vor Ort. Ein Ehepaar aus Brühl hat zum Beispiel eine Lehrbäckerei für Menschen mit Down-Syndrom in Bolivien gecoacht. Der Bäckermeister und seine Frau haben dort 40 neue Produkte eingeführt.

Experte Franz Neblich in Uganda, 2012 (Foto: Senior Experten Service)
Die Senior-Experten sind weltweit im Einsatz - hier zum Beispiel in einem Solarlampenbetrieb in UgandaBild: SES

Auch wenn Götz Krüger darauf hofft, sein Expertenwissen ebenfalls in andere Länder tragen zu können, ist er doch froh, dass er jungen Menschen in seinem Heimatort helfen konnte. "Bei jeder Anfrage erkundige ich mich ganz genau, weil ich mir nur Einsätze vorstellen kann, bei denen ich tatsächlich den Leuten weiterhelfen kann", sagt er. Mentor zu sein macht ihm Spaß und hält ihn jung. "Letztlich war es bei Patrick und Emre nur Hilfe zur Selbsthilfe", beschreibt er seinen Einsatz bescheiden.