"Serbien wird für deutsche Unternehmen noch attraktiver"
20. Oktober 2023Die Bundesregierung will Investitionen deutscher Unternehmen in bestimmte Schwellen- und Entwicklungsländer besonders unterstützen. Wie das Wirtschaftsministerium am Anfang der Woche mitgeteilt hatte, beschloss die Regierung unter anderem, bei Investitionsgarantien für 34 Staaten den Selbstbehalt im Schadensfall zu halbieren und Entgelte für die Absicherung zu verringern. Die neue Anreize seien Teil der Diversifizierungsstrategie, mit der "starke Abhängigkeiten von einigen wenigen Märkten und kritischen Knotenpunkten in den Lieferketten" verringert werden sollen.
Zu den Ländern, für die die günstigeren Bedingungen gelten, gehören Algerien, Kenia, Südafrika und Marokko in Afrika, Indien, Indonesien und Thailand in Asien, Argentinien, Brasilien und Chile in Südamerika sowie die Türkei, Albanien und Serbien in Europa. Die Absicherung von Auslandsinvestitionen dient dazu, Risiken wie Enteignung, Krieg oder Rechtsbruch zu decken. Seit einiger Zeit diskutieren Experten über zu große wirtschaftliche Abhängigkeiten Deutschlands von Ländern wie China, etwa bei der Versorgung mit Rohstoffen. (von dpa)
Was das die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Serbien bedeutet, darüber haben wir gesprochen mit Alexander Markus, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer.
DW: Was bedeutet diese Entscheidung für Serbien? Ist dies ein Zeichen für eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Serbien?
Alexander Markus: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Serbien sind schon heute auf einem nie dagewesenen Level. Mit schätzungsweise 80.000 geschaffenen Arbeitsplätzen dürfte die Gruppe der Unternehmen mit deutschem Kapital einer oder der größte ausländische Investor gemessen an den Arbeitsplätzen in Serbien sein. Der Außenhandel legte in den beiden letzten Jahren um jeweils mehr als 25 Prozent zu, was an sich schon bemerkenswert ist.
Jegliche Vereinfachungen und bessere Bedingungen bei Investitionsgarantien sind ein gutes Zeichen. Am Ende ist aber nicht nur die die Höhe der Selbstbeteiligung im Schadensfall entscheidend, sondern auch, um wieviel der Preis der Investitionsgarantie die Projektkosten insgesamt erhöht und wie langwierig sowie bürokratisch die Beantragung solcher Garantien im konkreten Fall ist. Das sind die entscheidenden Punkte aus Sicht der Unternehmen.
In diesem Text wird nur von Albanien und Serbien gesprochen, an anderer Stelle ist die Rede von allen Ländern des Westbalkans. Handelt es sich einfach darum, dass Serbien und Albanien die ersten sind, die an diesem Programm teilnehmen, oder worum geht es…?
Es ist gut, dass das Programm für alle Länder des Westbalkans gilt, die noch kein EU-Mitglied sind und nicht nur für Serbien und Albanien, wie es verkürzend in der Meldung der dpa hieß.
Gibt es Unternehmen, die auf diese neuen, günstigeren Bedingungen gewartet haben und nun in Serbien investieren werden?
Alle Faktoren spielen bei der Auswahl eines Investitionsstandortes eine Rolle. In der Regel sind es jedoch die wirtschaftlichen Faktoren, die dabei die größere Rolle spielen. Die serbische Regierung gewährt Investoren, ganz gleich ob es inländische oder ausländische sind, sehr attraktive Investitionsförderungen. Diese spielen sicherlich aufgrund des Volumens und der sehr leichten Antragstellung im Einzelfall eine größere Rolle.
Im Jahr 2022 war laut Jahresbericht der Investitionsgarantien des Bundes (siehe hier, Seite 11) Serbien mit vier Projekten unter den Top 5 derjenigen Länder, für die solche Garantien angefragt wurden. Die Kombination der jetzt verbesserten Konditionen mit der Förderung, die die serbische Seite anbietet, wird mehr deutsche Unternehmen Serbien als attraktiven Investitionsstandort in Betracht ziehen lassen.
Sind die Kosten für die hier erwähnten Investitionen, die jetzt gesenkt wurden, ein Hindernis für einige Unternehmen?
Es geht hier um Risikoabsicherung und der Investitionsschutzvertrag zwischen Deutschland und Jugoslawien, der am 25.10.1990 in Kraft trat, gilt für Serbien fort. Daher sind Investitionen aus Deutschland grundsätzlich geschützt. Die Investitionsgarantie des Bundes ist jedoch eine zusätzliche Absicherung, weil das Unternehmen im Schadensfall am Ende sein Geld sicher von einer Seite bekommt - vom ausländischen Staat, in dem investiert wurde, oder von der Bundesregierung.
Vor dem Hintergrund, dass Serbien in der Einstufung des Länderrisikos auf Stufe 4 ist, kommt auch die zehnprozentige Senkung der jährlichen Kosten zum Tragen. Insgesamt macht es so für das ein oder andere Unternehmen dann eben doch mehr Sinn, in einem der Westbalkan-Länder EU-nah zu investieren, als weit weg in die Welt zu gehen. Vor allem in solchen Fällen, wo die wichtigsten Märkte dieser Unternehmen innerhalb der EU liegen.