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Politik

Sexuelle Ausbeutung durch WHO-Mitarbeiter

28. September 2021

Während der Ebola-Epidemie von 2018 bis 2020 waren Mitarbeiter der Organisation im Kongo eingesetzt. Etliche von ihnen sollen ihre Position missbraucht haben.

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Demokratische Republik Kongo l anhaltende Ebola-Epidemie
Gesundheitspersonal 2019 während der Ebola-Epidemie in der DR KongoBild: picture alliance/AP Photo/J. Delay

Humanitäre Helfer haben bei ihrem Ebola-Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo zahlreiche Frauen und einige Männer sexuell ausgebeutet oder vergewaltigt: Zu diesem Schluss kommt eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestellte Untersuchungskommission. Deren Mitglieder hatten 63 betroffene Frauen, zwölf Männer und weitere Mitarbeiter der WHO und mehrerer Hilfsorganisationen angehört.

Der nun vorgelegte Bericht dokumentiert neun Fälle von Frauen, die Vergewaltigungen meldeten, sowie 29 ungewollte Schwangerschaften. Vermutlich gebe es eine hohe Dunkelziffer. 83 mögliche Täter seien identifiziert worden, 21 von ihnen hätten mit Sicherheit bei der WHO gearbeitet. Die Vorwürfe richten sich unter anderem gegen WHO-Ärzte und leitende Mitarbeiter, sowohl Lokalangestellte wie Ausländer. Die meisten Beschuldigten hätten Übergriffe rundheraus abgestritten oder behauptet, der Sex sei einvernehmlich gewesen, heißt es.

WHO I Tedros Adhanom Ghebreyesus
"Ein erschütternder Bericht": WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom GhebreyesusBild: Denis Balibouse/AP/picture alliance

Die Fälle waren vor einem Jahr durch Medienrecherchen ans Licht gekommen. Mehr als 50 Frauen schilderten damals, Männer hätten sie während des Ebola-Ausbruchs von 2018 bis 2020 im Gegenzug für Jobangebote zum Sex gedrängt oder ihnen gekündigt, wenn sie Geschlechtsverkehr ablehnten. Laut der Nachrichtenagentur "New Humanitarian" mit Sitz in Genf und der Thomson-Reuters-Stiftung waren Frauen betroffen, die als Köchinnen, Putzhilfen oder im Rahmen von Informationsprogrammen für die Bevölkerung arbeiteten. Sie hätten Kurzverträge für etwa 50 bis 100 Dollar (umgerechnet 43 bis 85 Euro) im Monat erhalten - mehr als doppelt so viel wie am Ort üblich.

Sex oder Kündigung

"Jeder hatte Sex im Gegenzug für irgendetwas", zitiert die Kommission eine Betroffene. "Um im Job voranzukommen, musste man in Sex einwilligen." Eine weitere Zeugin sagte über einen Beschuldigten: "Er drohte, dass ich meine Stelle verlieren würde, wenn ich keinen Geschlechtsverkehr mit ihm hätte."

World Health Organization in Genf
"Strukturelles Versagen": WHO-Hauptquartier im schweizerischen Genf (Archivbild)Bild: Sean Gallup/Getty Images

Wieder eine andere schilderte, sie sei nach ihrer Bewerbung in ein Hotel bestellt worden. Dort habe es geheißen, sie erhalte die ausgeschriebene Position, sofern sie zum Sex bereit sei. Als sie sich weigerte, habe der Mann sie vergewaltigt. Eine Frau, die im Team eines Arztes arbeitete, wurde nach eigener Aussage von diesem vor die Wahl gestellt: Entweder sie werde mit ihm intim oder sie müsse ihm die Hälfte ihres Gehalts abtreten. Sie habe gezahlt.

Eine Frau, die in einem Ebola-Behandlungszentrum arbeitete, sagte der Deutschen Welle: "Ich möchte Gerechtigkeit! Denn diese Leute haben uns wirklich missbraucht. Sie haben uns in eine unerträgliche Lage gebracht. Um Arbeit zu bekommen, wurden wir gezwungen, Sex zu haben."

"Ein schwarzer Tag für die WHO"

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sprach von einem "erschütternden" Bericht. "Das ist ein schwarzer Tag für die WHO." Tedros bat die Opfer um Vergebung und versicherte, er wolle alles dafür tun, damit die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Vier Männer seien bereits entlassen worden. Viele andere hätten die Organisation aus eigenem Antrieb verlassen.

Vorwürfe, die Vergewaltigungen betreffen, würden an die Justiz im Kongo und in den Heimatländern der Beschuldigten weitergeleitet. Die WHO wolle dafür sorgen, dass die Opfer und deren Kinder medizinische und psychologische Hilfe bekämen. Zugleich müsse die UN-Organisation Reformen einleiten, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholten.

Die Kommission hatte der WHO nicht nur "individuelle Fahrlässigkeit", sondern auch "eindeutiges strukturelles Versagen" bescheinigt. Allerdings treffe Tedros - ebenso wie die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, Matshidiso Moeti, und den Nothilfekoordinator Mike Ryan - persönlich keine Schuld. Moeti sagte: "Wir sind gedemütigt, entsetzt und unser Herz ist gebrochen."

jj/kle (dpa, afp, epd)