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Shakespeare: aktuell und unerschöpflich

Ceyda Nurtsch
29. April 2019

"Shakespeare und Übersetzung" lautete das Thema der diesjährigen Frühlingstagung der Shakespeare-Gesellschaft in Weimar. Internationale Forscher widmeten sich der Frage nach Möglichkeiten und Tücken von Übersetzungen.

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William Shakespeare
Bild: picture-alliance/dpa/Mary Evans Picture Library

Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: Jedes Jahr um den Geburtstag des englischen Dramatikers und Lyrikers William Shakespeare am 23. April herum veranstaltet die Shakespeare-Gesellschaft ihre Frühjahrstagung. "Shakespeare und Übersetzung" lautete das diesjährige Thema. Vom 26. - 28. April widmeten sich internationale Forscher der Frage nach der Übersetzbarkeit der Werke des Dramaturgen aus Stratford-upon-Avon.

Dass die Shakespeare-Gesellschaft ihren Sitz ausgerechnet in der Goethe- und Schiller-Stadt Weimar hat, verwundert auf den ersten Blick. "Die Deutsche Shakespeare Gesellschaft wurde 1864 gegründet und ist, soweit uns bekannt ist, die weltweit älteste literarische Gesellschaft", erklärt die Präsidentin der Gesellschaft, Prof. Claudia Olk. "Wir freuen uns immer wieder, an unseren Gründungsort zurückzukommen, denn Shakespeare war hier schon damals einer der großen Klassiker neben Goethe und Schiller." Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass sich unweit der Tagungsstätte eine Shakespeare-Statue befindet, der die Teilnehmer anlässlich der Tagung natürlich gemeinsam einen Besuch abstatten.

Deutschland Shakespeare-Tagung in Weimar
Übersetzer, Literaturwissenschaftler und Shakespeare-Fans diskutieren auf der Tagung der Shakespeare-Gesellschaft in WeimarBild: DW/C. Nurtsch

Shakespeare-Übersetzungen: Immer wieder modern

Übersetzungen seien "so aktuell wie unabschließbar in der Shakespeare-Forschung", erklärt Olk das diesjährige Thema. Man könne sich auf die einzelnen Werke fokussieren und sie vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Politik, Philosophie, Wissenschaft und Theaterlandschaft neu interpretieren. Besonders interessant sei die Frage: "Wie ist die sprachliche Gefasstheit der Werke und wie funktionieren die Übersetzungen bis in die Gegenwart hinein?"

Einer der Tagungsteilnehmer ist der langjährige Übersetzer, Anglist und Lyriker Klaus Reichert. "Jedes Mal, wenn ich ein Stück von Shakespeare wieder lese, entdecke ich Stellen, wo ich denke, wieso ist mir das nicht aufgefallen? Da steht ja etwas drin, das ist viel spannender als das, was ich bisher über das Stück gedacht habe." Als junger Mensch habe er immer "relativ flott" übersetzt, erzählt er. Doch im Laufe seines Lebens habe er erfahren, wie viele unterschiedliche Schichten in den Texten seien. "Sie übersetzen ja nicht Wort für Wort, sondern sie übersetzen von einem kulturellen System in ein anderes kulturelles System."

"Shakespeare ist ein unerklärliches Genie"

Doch wie erklärt er, dass sich Shakespeare immer wieder der Zeit anpassen lässt und so nie an Aktualität verliert? "Shakespeare ist einfach ein unerklärliches Genie gewesen, wie es vorher und nachher überhaupt keines gegeben hat", denkt Reichert. "Es hat große Dramatiker, große Dichter gegeben, aber niemanden mit dieser Unerschöpflichkeit." Und vielleicht, fügt er hinzu, liege es auch daran, dass sich der Dramaturg "nicht packen" lasse. "War er nun Anglikaner, Protestant, Puritaner oder ein verkappter Katholik?" Bei anderen Autoren sei das deutlicher zu sehen. Doch bei Shakespeare erwecke jede Figur eine neue Fragwürdigkeit. "Wenn Sie denken, Sie wissen was ist, stimmt es wieder nicht in der nächsten Szene. Das ist auch diese darstellerische Vielfalt", so Reichert.

Diese Einschätzung teilt auch Stefan Bachmann, Intendant des Schauspielhauses Köln. Derzeit ist am Hamburger Thalia Theater seine Inszenierung "Rom" zu sehen – eine Bündelung von Shakespeares drei Römerdramen: "Julius Caesar", "Corolian" und "Antonius und Cleopatra" in der Bearbeitung von John von Düffel. Viel sei am Theater etwa darüber diskutiert worden, was es hieße, einen Umsturz zu planen, erzählt Bachmann. "Die Stücke sind einfach von so einer Vielschichtigkeit, Brisanz und Aktualität."

The Globe Theatre in London
Das "Globe Theatre" in London im Jahr 1825. Hier wurden viele Werke von Shakespeare aufgeführt.Bild: Getty Images/Hulton Archive

"Quotable Shakespeare"

Den abschließenden Festvortrag der Tagung hält die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. Sie widmet sich der Frage nach den Einflüssen Shakespeares in gegenwärtige TV-Produktionen. In "Westworld" mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle etwa zitiert ein Android immer, wenn er eine Störung erfährt, Shakespeare. "Man nennt das 'Quotable Shakespeare'", erklärt Bronfen. "Durch die Shakespeare-Zitate verleiht man der Serie Autorität. Man zeigt, man ist kulturell wertvoll, man schafft eine Art Gemeinschaft, weil alle Leute diese Zitate auch erkennen."

Der Einfluss zeige sich aber auch in Serien wie "House of Cards" oder "Homeland". Die derzeitige Politik, insbesondere die US-amerikanische Politik, erinnere sehr an die Politik, die in den Shakespeare-Historien wie Macbeth durchgespielt werde, denkt Bronfen. "Es geht immer um blutige Machtkämpfe, um Intrigen und Zwist im Inneren." Und da liege es auf der Hand, die blutigen Hände der Politik in Washington und somit "House of Cards" mit den blutigen Händen Macbeths und seiner Lady zu verknüpfen. Und Bronfen fasst zusammen: "Der Geist Shakespeares geistert also weiter herum, weil er so greifbar und wandelbar ist. Und zwar sowohl von der Sprache her als auch von den Figurenkonstellationen, Geschichten und Themen, die verhandelt werden."