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Politik

Showdown der Großväter

Katrin Gänsler
10. Februar 2019

In Nigeria stehen sich bei der kommenden Präsidentschaftswahl zwei alte Bekannte gegenüber: Amtsinhaber Muhammadu Buhari und Oppositionsführer Atiku Abubakar. Der Wahlausgang gilt bisher als nicht vorhersehbar.

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Muhammadu Buhari und Atiku Abubakar
Bild: Atiku Media Office

Mannir Abba ist Sänger und sitzt auf den Stufen eines beige-farbigen Hauses im Städtchen Daura, das im nordnigerianischen Bundesstaat Katsina liegt. Selbstverständlich habe er für Atiku Abubakar (72) ein Lied geschrieben, sagt er und stimmt sofort eine Lobeshymne auf den Präsidentschaftskandidaten und seine Partei, die People's Democratic Party (PDP), an. "Atiku ist die bessere Wahl. Alles, was man in meinem Heimatort Daura sieht, ist während der PDP-Regierung entstanden", sagt er wenig später. Um ihn herum klatschen Parteifreunde. Das geschieht ausgerechnet in der Heimatstadt von Amtsinhaber Muhammadu Buhari (76), der für den All Progressives Congress (APC) antritt und eine zweite Amtszeit will. Die Leute rund um Abba wollen das verhindern.

Verlässliche Prognosen gibt es nicht, und der Ausgang der Nigeria-Wahl - verschoben auf den 23. Februar - gilt bisher als offen. Sicher ist nur, dass keiner der übrigen 71 Kandidaten, die die Unabhängige Nationale Wahlkommission (INEC) Mitte Januar zugelassen hatte, eine Rolle spielen wird. Viele sind auf nationaler Ebene unbekannt und nicht einmal in der Hauptstadt Abuja zu sehen.

Der Präsident im Wohnzimmer

Buhari ist in Daura jedoch allgegenwärtig. Nicht nur an den Straßen ist das Gesicht des großen, hageren Mannes zu sehen, der bereits von Silvester 1983 bis 1985 Militärherrscher war. Auch Aliyu Rabe Daura, der für die Landesregierung arbeitet, hat sein Wohnzimmer mit Postern des Amtsinhabers geschmückt. Ein Foto, auf dem er selbst mit Buhari zu sehen ist, hat er gerahmt. "Er ist ein guter Mensch. Die Menschen respektieren ihn wegen des Wortes Gaskiya. Das bedeutet Wahrheit", erklärt Rabe Daura. Er schätzt Buhari allerdings auch wegen seiner Bescheidenheit. "Als er vergangenes Mal in Daura war, ist er zu Fuß von der Moschee zu seinem Haus gelaufen."

Präsidentschaftswahl Nigeria Aliyu Rabe Daura
Rabe Daura wünscht sich, dass Muhammadu Buhari wiedergewählt wirdBild: DW/K. Gänsler

Bei seiner Wahl vor vier Jahren sagte Buhari Korruption und Terrorismus den Kampf an. Außerdem wollte er die Wirtschaft stärken. Die Ergebnisse, gerade was den Sicherheitsbereich angeht, gelten als schwach. Seit Ende 2018 greift die Terrormiliz Boko Haram wieder vermehrt Kommunen an. Ende Januar waren nach Einschätzung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen 30.000 Menschen aus der Stadt Rann im Bundesstaat Borno ins Nachbarland Kamerun geflüchtet.

"Wir brauchen Wasser"

Dorthin hat sich 2014 auch Muhammadu Galadima aus dem Bundesstaat Adamawa geflüchtet. Heute lebt er wieder in seinem Heimatort Madagali. Wirklich gesichert ist die Gegend bis heute nicht, erzählen er und andere Bewohner. "Wir möchten gerne, dass die Regierung uns mit Wasser hilft. Aber hier geschieht gar nichts", zieht er ein ernüchterndes Fazit.

Buharis Wahlkampfslogan lautet "Next Level" - "Nächste Stufe". Im 14-seitigen Programm heißt es, das Fundament für eine stabile und blühende Nation sei errichtet worden. Neben dem Ausbau von Straßen und der Stromversorgung müssten nun Jobs geschaffen werden. Genau das ist das Kernthema von Herausforderer Atiku, der mit "Atiku's Plan" Nigeria zwar nicht wieder großartig, aber doch funktionsfähig machen will. Wahlkampfmanager Segun Sowunmi hält Atiku für den geeigneten Kandidaten, wenn es um Wirtschaftsfragen geht: "Er hat große Erfahrung mit der Schaffung von Jobs durch seine Unternehmen. 50.000 Stellen hat er direkt und weitere 300.000 indirekt geschaffen. Wir brauchen ganz schnell Jobs."

Eine Frau läuft an Wahlkplakaten vorbei
Der Wahlkampf ist auch im Straßenbild sichtbarBild: DW/K. Gänsler

Undurchsichtige Strukturen im Atiku-Imperium

Zu Atikus Imperium gehören Unternehmen, die Dienstleistungen rund um Logistik sowie im Öl- und Gassektor anbieten. Auch ist er Gründer der Amerikanischen Universität Nigerias in Yola. Verlässliche Zahlen zu seinem Vermögen finden sich nicht, wohl aber Korruptions- und Geldwäschevorwürfe. In einem Bericht des US-Senats heißt es, dass er mit mithilfe seiner vierten Ehefrau zwischen 2000 und 2008 insgesamt 40 Millionen US-Dollar in die USA gebracht haben soll.

Gleichzeitig hat Atiku für Behörden wie den Zoll gearbeitet und ist in den 1990er Jahren in die Politik gegangen. Vorläufiger Höhepunkt seiner Karriere war von 1999 bis 2007 die achtjährige Amtszeit als Vizepräsident unter Olusegun Obasanjo. Anschließend wechselte er mehrfach die Partei und gehörte von 2014 bis 2017 dem APC an. Nach seiner Rückkehr zur PDP betrieb er massiven Wahlkampf bei den parteiinternen Vorwahlen, die er im Oktober 2018 gewann.

Platz machen für junge Leute

Wahlkampfmanager Sowunmi sagt: "Atiku will nur eine Amtszeit. Er wird das respektieren und 40 Prozent der Posten mit jungen Menschen besetzen." 62 Prozent der Nigerianer sind jünger als 25 Jahre. Laut der Wahlkommission ist gut jeder vierte Wähler Student oder in Ausbildung. Beide Spitzenkandidaten könnten ihre Großväter sein.

Präsidentschaftswahl Nigeria Clifford Abalane
Clifford Abalane fordert, dass mehr für die Jugend getan wirdBild: DW/K. Gänsler

In Kojoli arbeitet Clifford Abalane mit seiner Flex. Funken sprühen. Vor mehr als 20 Jahren hat sich der 46-Jährige im Heimatdorf von Atikus Familie im ostnigerianischen Bundesstaat Adamawa niedergelassen. Abalane selbst hält sich mit Lobeshymnen zurück. Nigerias nächster Präsident müsse vor allem die Armut bekämpfen und "etwas für junge Menschen tun". Um ihn herum stehen ein paar von ihnen, und Abalane lernt sie gerade an. Neben besseren Chancen für die Masse der Bevölkerung treibt den Handwerker aktuell jedoch eine weitaus grundlegendere Frage um: der Ablauf der Wahlen. "Wir beten immer, dass sie frei und fair sind", sagt Clifford Abalane. Darin schwingt die Hoffnung vieler Nigerianer mit, dass der Kandidat mit den besten Argumenten gewinnt - und nicht der mit dem meisten Geld.