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Sicherheit als Verhandlungsmasse

Kersten Knipp6. März 2015

Der Zentralrat der PLO will das Sicherheitsabkommen mit Israel aufkündigen. So soll Israel dazu bewegt werden, einbehaltene Steuergelder auszubezahlen. Die Entscheidung ist auch eine Geste an die eigene Bevölkerung.

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Die israelisch-palästinensische Trennmauer, 12.11. 2013 (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Januar dieses Jahres wurde Hussam Kawasmeh von einem israelischen Militärgericht zu dreimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Richter sah es als erwiesen an, dass er der führende Kopf jener Gruppe war, die im Sommer 2014 drei israelische Jugendliche im Westjordanland entführt und getötet hat. Kawasmeh hatte die Tat gestanden.

Er war bald nach der Tat von israelischen Sicherheitskräften verhaftet worden. Geheimdienstliche Ermittlungen hatten auf seine Spur geführt. Ob auch palästinensische Sicherheitsbehörden dazu beigetragen hatten, die Identität der Mörder zu ermitteln, ist nicht bekannt. Dem palästinensisch-israelischen Sicherheitsabkommen zufolge ist es aber zumindest denkbar. Die 1995 im Rahmen des zweiten Osloer Abkommens 1995 abgeschlossenen Verträge verpflichten beide Parteien zu einer engen Sicherheitskooperation. Demnach wären die palästinensischen Sicherheitskräfte verpflichtet gewesen, ihren israelischen Partnern eigene Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen.

Hussam Kawasmeh, Hauptverantwortlicher für den Mord an drei israelischen Jugendlichen (Foto: Reuters)
Hussam Kawasmeh, Hauptverantwortlicher für den Mord an drei israelischen JugendlichenBild: Reuters/R. Zvulun

Vorwurf der Kollaboration

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat wenig Interesse daran, Einzelheiten des Falles bekannt werden zu lassen. Die Gründe liegen auf der Hand: In den Augen der palästinensischen Bevölkerung will die Behörde nicht der Kollaboration mit Israel beschuldigt werden. Genau das hatten ihre Gegner, allen voran die den Gazastreifen regierende Hamas, wiederholt getan. Der Vorwurf der Kollaboration mit Israel wiegt in den Augen der meisten palästinensischen Bürger schwer.

Mit Unbehagen sehen sie die augenfälligste Konsequenz des Abkommens: Palästinensische und israelische Sicherheitskräfte patrouillieren gemeinsam - und nehmen gemeinsam auch Verdächtige fest. Dass Palästinenser die Israelis dabei unterstützen, Landsleute festzunehmen, scheint angesichts der angespannten Beziehungen kaum erträglich. "Die Palästinenser hatten von Anfang an den Eindruck, die Sicherheitskooperation nutze vor allem Israel", schreibt das mit der Politik des Nahen Ostens befasste Internetportal Al-Monitor. "Aus ihrer Sicht dringen die israelischen Sicherheitskräfte unter Missachtung bestehender Vereinbarungen in palästinensisches Gebiet ein, um Verdächtige zu verhaften."

Dies gilt auch dann, wenn sich die Auswirkungen der Kollaboration gegen die Hamas richten. Deren islamistisches Weltbild lehnen viele Palästinenser zwar ab. Aber sie sehen auch, dass die Hamas nicht bereit ist, sich Israel zu unterwerfen. Genau dies werfen viele Palästinenser ihrer Autonomiebehörde vor. Diese habe seit Jahren zu keinen nennenswerten Verbesserungen ihrer Lebensumstände geführt, lautet die Kritik. Mit sehr gemischten Gefühlen beobachten die Menschen in den Autonomiegebieten darum, wie palästinensische Sicherheitskräfte gegen Hamas-Mitglieder vorgehen - vor allem dann, wenn sie von israelischen Truppen begleitet werden.

Beschuss von Gaza im August 2014 (Foto: Reuters)
Beschuss von Gaza im August 2014Bild: Reuters

Akzeptanz des Abkommens schwindet

Die Akzeptanz des Abkommens hat gerade in den letzen Monaten stark gelitten. Der Krieg im Gazastreifen vergangenes Jahr hat die palästinensisch-israelischen Beziehungen ebenso beeinträchtigt wie der unausgesetzte Siedlungsbau und die allgegenwärtige Präsenz israelischer Kräfte im Westjordanland. Auf Grundlage des Oslo-Abkommens kontrolliert Israel 61 Prozent der gesamten Fläche des Westjordanlandes. Kritiker werten das Sicherheits-Abkommen als indirekte Anerkennung israelischer Vorherrschaft. Sie bemängeln vor allem, dass für die in den im Westjordanland erbauten Siedlungen lebenden Israelis das Zivilrecht gilt, für die Palästinenser hingegen das Militärrecht. Für die Kritiker kommt das einer juristischen Diskriminierung gleich.

Zugleich schützt das Abkommen die Palästinenser aber auch vor jüdischen Extremisten. Aus diesem Grund lehnen diese das Abkommen ebenfalls ab – und sehen darin ihrerseits einer Form der "Kollaboration".

Proteste gegen israelische Siedlungspolitik in der West Bank im Dezember 2014 (Foto: Getty Images)
Protest gegen die israelische SiedlungspolitikBild: Abbas Momani/AFP/Getty Images

Keine Entwicklung vor den Wahlen

Die nun angekündigte Aufkündigung des Sicherheitsabkommen gilt auch als Reaktion darauf, dass Israel seit Monaten Steuern und Zolleinnahmen einbehält, die es für die Palästinensische Autonomiebehörde einzieht. Israel hatte damit auf den Antrag der Palästinenser reagiert, dem Internationalen Strafgerichtshof beizutreten.

Zwar erwäge die israelische Regierung, die einbehaltenen Gelder bald freizugeben, berichtet die Zeitung Jerusalem Post. Es sei aber unwahrscheinlich, dass dies vor den israelischen Parlamentswahlen am 17. März geschehe. "Eine solche Entscheidung würde das Ansehen Netanjahus bei den Wählern des rechten Spektrums schmälern", schreibt die Zeitung. Noch hat die palästinensische Autonomiebehörde ihre Ankündigung nicht umgesetzt. Palästinenser und Israelis patrouillieren weiterhin gemeinsam. Und zumindest bis zu den Wahlen wird sich daran wohl nichts ändern.