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Sicherheit mit den Taliban?

Waslat Hasrat-Nazimi, Florian Weigand19. Juni 2013

Afghanistans Armee und Polizei haben die Verantwortung für die Sicherheit im Land komplett übernommen. Gleichzeitig gehen die Anschläge der Taliban weiter - trotz geplanter Friedensgespräche mit den USA.

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Die Taliban eröffnen ein Büro in Katar (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Afghanistan steht an einem Wendepunkt. Die NATO hat offiziell die Sicherheitsverantwortung an die Regierung Karsai übergeben, die letzen 95 Bezirke - sie liegen hauptsächlich im umkämpften Süden - sind nun in afghanischer Hand. Die noch im Land stationierten rund 100.000 NATO-Soldaten werden künftig nur noch unterstützend eingreifen. Doch noch am Tag der Übergabe zeigten die Taliban, dass sie weiterhin ungehindert zuschlagen können. Bei einem Bombenanschlag in Kabul wurden mindestens drei Zivilisten getötet und 24 weitere Menschen verletzt. Später töteten zwei Raketen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram nördlich von Kabul vier US-Soldaten.

Verhandlungen mit den Taliban

Die Taliban treten inzwischen selbstbewusst auf. Ihre neu eröffnete, offizielle Vertretung in Doha, der Hauptstadt des Golf-Emirats Katar, ist ein sichtbares Zeichen der neuen Stärke. Sie haben zudem angekündigt, ihre Angriffe und Anschläge in Afghanistan fortsetzen zu wollen - trotz der geplanten direkten Verhandlungen mit den USA. Die US-Regierung hatte am Dienstag (18.06.2013) angekündigt, in Doha direkte Gespräche mit den Taliban über ein Ende des Konflikts aufnehmen zu wollen. Diese sind nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters allerdings inzwischen verschoben worden.

Afghanistans Präsident Karsai auf auf einer Pressekonferenz (Foto: AFP)
Afghanistans Präsident Karsai will sich nicht an den geplanten Friedensgesprächen in Katar beteiligenBild: Shah Marai/AFP/Getty Images

Nach über einem Jahrzehnt ISAF-Einsatz sei ohne die Radikal-Islamisten kein Frieden möglich, meint der politische Analyst Waheed Mozhdah: "Die internationale Gemeinschaft ist nun zu dem Entschluss gekommen, dass der Afghanistan-Konflikt nicht durch Krieg zu lösen ist. Die USA wollen bereits vor 2014 eine Art Frieden mit den Taliban herstellen, damit sie in Ruhe das Land verlassen können. Die Gespräche in Doha können ein großer Schritt in die richtige Richtung sein."

Präsident Hamid Karsai ist anderer Ansicht. Er ist verärgert über die geplanten Gespräche. Inzwischen kündigte seine Regierung an, Friedensverhandlungen in Doha zu boykottieren, solange es sich nicht um einen vollständig von Afghanen geführten Friedensprozess handele. Außerdem drohte er an, die bilateralen Gespräche mit den USA über ein zukünftiges Sicherheitsabkommen auszusetzen.

Ausländische Hilfe nach 2014

Ohne Hilfe aus dem Ausland wird es schwierig sein für die Afghanen, den massiven Angriffen der Taliban gewachsen zu sein, sagt Adrienne Woltersdorf, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Afghanistan. Die Bedingungen in verschiedenen Regionen Afghanistans seien sehr unterschiedlich - dies habe man beim sogenannten Transitionsprozess nicht berücksichtigt. "Die Kritik an dem Übergangs-Prozess ist, dass er sich mehr an gesetzten Daten orientiert als an tatsächlichen Begebenheiten vor Ort." So sei der Norden Afghanistans relativ ruhig, während im Süden in weiten Teilen die Taliban die Kontrolle haben. Gleichzeitig, so Woltersdorf, sei die Übergangsphase aber alternativlos, denn keine der westlichen Truppenstellernationen sei weiter bereit, noch länger im Land zu bleiben.

NATO-Soldaten auf dem Weg in einen Hubschrauber nach der Übergabe der Sicherheitsverantwortung (Foto: SHAH MARAI/AFP/Getty Images)
NATO-Soldaten: Die ausländischen Truppen ziehen abBild: Shah Marai/AFP/Getty Images

Lokale Sicherheitskräfte

Den Taliban stehen rund 350 000 afghanische Regierungstruppen entgegen. Die Zahlen sind jedoch beeindruckender als die Realität: Experten wie der deutsche Ex-General Egon Ramms glauben, dass die afghanischen Sicherheitskräfte überfordert sind und weiterhin die Unterstützung der ausländischen Soldaten brauchen. Außerdem sei die afghanische Luftwaffe nicht in der Lage, alleine zu operieren.

Der frühere NATO-Kommandeur des "Allied Joint Force Command" im niederländischen Brunssum blickt pessimistisch auf die Zeit nach dem Abzug der ISAF im Jahr 2014. "Wenn nach dem Abzug der ISAF-Truppen die Taliban wieder aktiver werden, könnte dies im schlimmsten Fall das Land als Ganzes erschüttern". Noch sei unklar, wie die ab 2015 geplante internationale Folge-Operation "resolute support" genau aussehen werde.

Destabilisierungsfaktor Pakistan

Pakistan werde sich jede Schwäche des Nachbarlands zunutze machen, um den eigenen Einfluss am Hindukusch zu stärken. Davon ist der afghanische Analyst Hamidullah Noor Ebad vom National Center for Policy Research in Kabul überzeugt: "Wenn die Pakistaner sehen, dass die ausländischen Kräfte weg sind, werden sie die Taliban mit Waffen unterstützen", befürchtet er. "Damit werden die afghanischen Sicherheitskräfte überfordert sein." Denn denen fehlt es an allem: guter Ausbildung, modernem Gerät und vernünftiger Bezahlung.

Dabei ist das afghanische Militär noch um einiges besser aufgestellt als die Polizei, räumt der Afghanistan-Kenner Conrad Schetter von der Universität Bonn ein. Es sei einfacher gewesen, das Militär auszubilden, als die Polizei. "Auf der lokalen Ebene ist die Ausbildung der afghanischen Polizei fehlgeschlagen. Man hat verstärkt versucht, lokale Milizen in Uniformen zu stecken und sie als Polizeieinheiten aufzustellen. Die große Gefahr dabei ist aber, dass diese Milizen ihre Macht ausnutzen und die Kontrolle übernehmen."

Afghanische Sicherheitskräfte nach einem Taliban-Anschlag am Flughafen Kabul (Foto: Reuters)
Afghanische Sicherheitskräfte im EinsatzBild: Reuters

Verunsicherte Bevölkerung

Viele Afghanen sind nach der Übergabe der Sicherheitsverantwortung verunsichert. Straßenverkäufer Shaheb in Kabul fasst zusammen, was auch viele andere denken: "Wenn die Hilfen aus dem Ausland weiter gewährleistet werden, werden wir problemlos die Verantwortung übernehmen können. Sollte keine Hilfe mehr kommen, wäre das für Afghanistans Zukunft sehr schwierig."