Sieben Fakten zum Streit um Kohl-Nachlass
1. August 2014Der Kölner Journalist Heribert Schwan hat als Co-Autor die Autobiografie des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl mitgeschrieben. Dazu führte Schwan mit Kohl viele Gespräche. Als drei der geplanten vier Biografien fertig waren, beendete Kohl die Zusammenarbeit mit seinem Ghostwriter. Was folgte, war ein Rechtsstreit um die Tonbandaufnahmen der Gespräche mit dem Ex-Kanzler. Das Drama beginnt schon 2001.
1. Bänder mit Erinnerungen entstehen
2001-2002: Biograf Heribert Schwan trifft sich mit Helmut Kohl bei ihm zu Hause in Oggersheim bei Ludwigshafen in Süddeutschland. Insgesamt 105 Mal. Sie führen stundenlange Gespräche. Schwan zeichnet sie auf Tonband auf. So entsteht die Grundlage für die Kanzler-Memoiren: 135 Tonbänder, Aufzeichnungen von insgesamt etwa 600 Stunden Länge.
2. Arbeit an Memoiren
2001-2009: Acht Jahre arbeitet der Kölner Publizist Heribert Schwan mit Helmut Kohl an dessen Memoiren. Drei Bände mit dem simplen Titel "Erinnerungen" sind schon veröffentlicht. Sie umfassen die Jahre 1930-1994. Die letzten vier Jahre Kohls im Kanzleramt bis zu seiner Abwahl 1998 fehlen noch.
3. Abbruch der Zusammenarbeit
Das vierte Buch der Kohl-Biografie ist noch nicht vollendet. 300 Seiten hat Co-Autor Schwan geschrieben. Doch im März 2009 kündigt Kohl die Zusammenarbeit mit dem Journalisten auf. Schwan vermutet Kohls zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter hinter der Entscheidung. Schon bei einem anderen Projekt hatte es vorher Konflikte zwischen dem Publizisten und der Kanzlergattin gegeben.
4. Wert der Tonbänder steigt
Im Februar 2008 erleidet Kohl bei einem Treppensturz in seinem Haus schwere Kopfverletzungen. Seitdem kann er weder gehen noch richtig sprechen. Seitdem ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Der einst mächtige Politiker kann über sein Leben nicht mehr ausführlich reden. Die Bedeutung der Tonbandaufnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 steigt damit enorm. Sie sind, wie "Der Spiegel" schreibt: "Der letzte authentische Blick des Altkanzlers auf seine Regierungsjahre."
5. Rechtsstreit Kohl vs. Schwan
2013: Kohl fordert gerichtlich die Aufnahmen zurück. Das Oberlandesgericht Köln, wo Heribert Schwan seinen Wohnsitz hat, gibt ihm in der ersten Instanz recht, wogegen Schwan in Berufung geht. Der Biograf übergibt die Bänder, doch im nächsten Schritt fordert er sie sofort wieder zurück. Am Freitag (01.08.2014) werden die Originalbänder in zweiter Instanz zu Kohls Eigentum erklärt.
6. Staatsmann und "Kanzler der Einheit"
Helmut Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1982-1998). Die längste Amtszeit aller bisherigen deutschen Kanzler. Seine Verdienste vor allem um die deutsche Wiedervereinigung und um die Integration Europas sind unumstritten: Er gilt als "Vater der deutschen Einheit" und als einer der "Väter des Euro".
Kohl setzt die Wiedervereinigung mit gehörigem Nachdruck durch. Er war durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit in Deutschland nachhaltig geprägt. Sein älterer Bruder Walter fiel an der Front, Kohl erlebt die Besatzung Deutschlands durch die Siegermächte aus nächster Nähe. Nie mehr wollte er erleben, was er in seiner Kindheit durchgemacht hatte. Aus tiefster Überzeugung kämpfte er für ein vereintes Europa. Sein Traum war die politische Union Europas und "Die Vereinigten Staaten von Europa." Doch dazu kam es nicht mehr. Heute ist Kohl 84 Jahre alt.
7. Kampf um das Vermächtnis
1998: Kurz nach seiner Abwahl als Bundeskanzler lässt Kohl sein Privatarchiv - etwa 400 Aktenordner aus dem Bonner Kanzleramt in das Archiv der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung nach Sankt Augustin in der Nähe von Bonn transportieren.
2010: Fordert der Altkanzler seine Privatakten aus der Stiftung zurück. Seitdem befinden sie sich in seinem Privathaus.
2012: Heribert Schwan kündigt an, dass er die Tonbänder für seine eigene Kohl-Biografie nutzen möchte. Daraufhin reicht Kohl Klage um Herausgabe der Bänder ein.
In der deutschen Presse erscheinen Artikel über "Den Schatz von Oggersheim", den Kohls neue Frau an sich reißen wolle, der aber eigentlich Historikern zugänglich gemacht werden sollte. Man liest, dass Kohl-Richter den schwerkranken Altkanzler zwar sehr fürsorglich pflegt, aber von der Außenwelt isoliert.
Im Frühjahr 2014 sagt Meike Kohl-Richter in einem Interview: "Die alleinige Entscheidungsbefugnis" über den künftigen Nachlass ihres Mannes solle bei ihr liegen. Sie überlege, eine private Kohl-Stiftung zu gründen.
Juli 2014: Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht in Köln sagt: "Diese Tonbänder sollten nicht in irgendwelchen Privatkellern weder in Oggersheim noch bei Ihnen, Herr Dr. Schwan, liegen." Der Richter empfiehlt, das Material zum Beispiel dem Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung zu überlassen.
"Wenn Helmut Kohl einmal tot ist, wird es unweigerlich zum Streit mit seiner Frau um die Deutungshoheit über das Leben des Altkanzlers kommen", sagt Heribert Schwan.
Schwan hat noch die Möglichkeit, vor dem Bundesgerichtshof in Revision zu gehen. Auch wenn der Autor darauf eventuell verzichtet, werde er das Thema nicht los. "Es wird mich bis zu meinem Tod begleiten."