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Trauer im Judentum

Heinz-Peter Katlewski18. November 2007

Wenn ein Jude stirbt, kommt die ganze Familie zusammen. Der verstorbene wird bei eime Ritualbad gereinigt, im Haus der Familie werden die Spiegel verhängt. Über Trauerbräuche im Judentum.

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Mauerhohes Jüdisches Grabmal
Mauerhohes Jüdisches Grabmal in Berlin-WeißenseeBild: dpa - Bildfunk

So lange ein verstorbener Mensch jüdischen Glaubens nicht beerdigt ist, steigt seine Seele nicht in den Garten Eden auf. Vom Garten Eden sprechen Juden, wenn Christen vom Himmel reden. In Israel werden Tote innerhalb eines Tages beerdigt. In Deutschland gilt die Regel: so schnell wie möglich. In der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf bedeutet das: innerhalb von zwei Tagen.

Nicht überall ist es so, aber in Düsseldorf betreut der Kantor der Gemeinde - der Vorbeter beim täglichen Gottesdienst in der Synagoge - auch die Beerdigungsgesellschaft, die Chewra Kadischa. Die Beerdigung der Toten ist im Judentum eine religiöse Pflicht. Das gilt für jede jüdische Gemeinde, und deshalb hat auch jede eine solche Gesellschaft. Sie begräbt nicht nur die Toten, sie bereitet die Verstorbenen auch rituell für die Beerdigung vor.

Reinigung im Ritualbad

Dazu gehört vor allem die Tahara - der Körper wird bei diesem so genannten Ritualbad gewaschen. Eine eigene Mikwe hat die Düsseldorfer Gemeinde nicht auf dem Friedhof. "Das ist sehr selten, dass eine Gemeinde so was hat. Deshalb muss eine Menge Wasser auf die Leiche kommen - bei uns sind das drei große Eimer,“ sagt Kantor Yitzak Hönig.

Religiösen Juden ist das Bad in der Mikwe in den Fällen vorgeschrieben, wo sie rituell unrein geworden sind. Verstorbene soll die Mikwe praktisch in die Nähe eines Zustandes versetzen, mit dem sie einst auf die Welt kamen. Dazu gehört auch, dass sie alles das, was sie zu Lebzeiten erworben haben, hinter sich lassen müssen: Tote werden nicht geschmückt oder etwa in einem Anzug beerdigt.

Nach der rituellen Reinigung kleidet die Chewra Kadischa den Leichnam in ein grob genähtes Sterbekleid aus Leinen oder Baumwolle und legt ihn in einem sehr schlichten schmucklosen Sarg. Jede Art der Grabbeigabe ist ausgeschlossen. "Das Ziel ist, so wie du auf die Welt kommst, so gehst du wieder von der Welt," erklärt Kantor Hönig.

Kein Gottesdienst bis zur Beerdigung

Für die unmittelbaren Hinterbliebenen - das sind nach der jüdischen Tradition Eltern, Geschwister, Kinder und Ehepartner - gelten in der Trauerzeit besondere Bedingungen. Rabbiner Julien-Chaim Soussan erwartet bis zur Beerdigung zum Beispiel nicht, dass sie zum Synagogen-Gottesdienst kommen. Er weiß um die erste Reaktion der Hinterbliebenen, wenn sie vom Verlust eines nahen Verwandten hören: das Nicht-akzeptieren-Wollen. "Sie suchen dann nach einem Schuldigen, in letzter Instanz ist das natürlich Gott. Die Hinterbliebenen brauchen bis zum Tag der Beerdigung keine Segenssprüche sagen und keine Gebote zu erfüllen, denn man hat Angst, dass sich das in das Gegenteil umkehrt, man mit Gott hadert."

Verhängte Spiegel

Es ist ein alter Brauch der Juden in Deutschland, dass die Spiegel im Trauerhaus verhängt werden. Trauernde verlassen bis zur Beerdigung das Haus nicht. Danach sitzen sie eine Woche lang daheim auf niedrigen Stühlen, sie rasieren sich einen Monat lang nicht, schneiden sich nicht die Haare und wechseln auch die Kleidung nicht. In der ersten Woche müssen sie auch nicht kochen. Darum kümmern sich andere Verwandte oder enge Freunde. So wird es jedenfalls gelehrt.

Tatsächlich ist es aber so, dass heute viele Juden in Deutschland mit solchen Bräuchen Probleme haben. Zum Teil deshalb, weil ihr Freundes- und Verwandtenkreis nicht groß genug ist, um die Betreuung von Trauernden neben einer Berufstätigkeit wahrzunehmen. Wichtiger noch ist, dass die meisten von ihnen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion sind, die in ihrer alten Heimat wenig Gelegenheit hatten, in jüdische religiöse Traditionen hineinzuwachsen.

Rabbiner Soussan kennt ganz unterschiedliche Verhaltensweisen in der Trauerzeit: "Manche lehnen das inhaltlich total ab und sagen, dass das nichts für sie sei. Andere hatten bis dahin vielleicht noch gar nichts mit Religion am Hut und sind in dem Moment doch froh, dass es etwas gibt, an dem sie festhalten können.“

Neben dem Glauben an einen höheren Sinn jeden Lebens und Sterbens tröstet manche die Hoffnung, dass, wenn einmal der Messias kommt, die Toten aus ihren Gräbern auferstehen. Grab und Grabstein werden auf jüdischen Friedhöfen nicht mehr von Menschen versetzt oder verändert oder gar untergepflügt. Nur Wind und Wetter dürfen daran noch rütteln. In Erinnerung an die Toten betet die Gemeinde an jedem Schabbat das Trauergebet, das Kaddisch. Dieses Trauergebet enthält keine Klage. Es bekundet nur die Heiligkeit Gottes und preist seinen Namen.