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Siemens lässt Auftragssperre kalt

Astrid Prange6. März 2014

Die Strafe für einen Bestechungsskandal bei der brasilianischen Post scheint für Siemens weniger schmerzhaft als vermutet. Nach firmeninternen Informationen machen Staatsaufträge nur zehn Prozent des Umsatzes aus.

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Stadien Fußball WM 2014 Brasilien Arena Castelao
Bild: Jefferson Bernardes/AFP/Getty Images

"Alle alten Verträge laufen ohne Veränderungen weiter", versichert ein Sprecher des Konzerns in São Paulo. Auch in Zukunft werde sich der wirtschaftliche Schaden durch den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in Grenzen halten. Denn Siemens schließe 90 Prozent seiner Geschäfte in Brasilien mit privaten Firmen ab. Öffentliche Aufträge umfassten nicht mehr als rund zehn Prozent des Umsatzes. Im Geschäftsjahr 2013 betrug dieser umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro.

Das Gerichtsurteil vom Freitag vergangener Woche (28.02.2014) hatte große öffentliche Aufmerksamkeit hervorgerufen. Erstmals seit der Gründung der brasilianischen Niederlassung im Jahr 1905 wurde Siemens per Gerichtsurteil von der Teilnahme an allen öffentlichen Ausschreibungen im Land für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgeschlossen. Dem Konzern wird vergeworfen, zwischen 1999 und 2004 Ausschreibungsunterlagen für einen Großauftrag der brasilianischen Post ECT manipuliert zu haben.

Die Gelassenheit bei Siemens in Brasilien ist auch deshalb überraschend, weil das Unternehmen in den vergangenen acht Jahren stark von den öffentlichen Investitionen im Rahmen des brasilianischen Konjunkturprogramms PAC (Programa de aceleraçao ão crescimento) profitierte. In der zweiten Phase des PAC von 2011 bis 2014 flossen nach Angaben der brasilianischen Regierung umgerechnet insgesamt 181 Milliarden Euro in den Ausbau der Infrastruktur des Landes.

Gebäudetechnik für WM-Stadien

Bisher ist Siemens an zwei wichtigen aktuellen Infrastrukturprojekten im Rahmen des PAC beteiligt. Dazu gehören die Fertigstellung des Atomreaktors Angra 3 sowie der Bau des umstrittenen Wasserkraftwerkes Belo Monte im Amazonasgebiet, für das Siemens Turbinen liefert. Das Investitionsvolumen der beiden Großvorhaben liegt für den brasilianischen Staat bei insgesamt 13 Milliarden Euro.

Auch an der Vorbereitung der WM verdiente Siemens mit: Die Firma verantwortet nach eigenen Angaben die Gebäudetechnik in den WM-Stadien in den Städten Fortaleza (Arena Castelão), Natal (Arena das Dunas) und Brasília (Estadio Nacional Mané Garrincha). Außerdem erhöht das Unternehmen die Kapazität der Umspannstation am internationalen Flughafen von São Paulo.

In den Bereichen Gesundheit und sozialer Wohnungsbau ist Siemens ebenfalls präsent: Für das staatliche Förderprogramm "Mein Haus, mein Leben" lieferte die Firma 1,5 Millionen Schalter und Steckdosen. Das Tochterunternehmen "Diagnostics", das im südbrasilianischen Joinville medizinische Geräte herstellt, gewann 2013 die Hauptausschreibung für Hepatitis-Testgeräte im Bundesstaat São Paulo und wird nun die brasilianischen Gesundheitsbehörden mit über einer halben Millionen von Testsets versorgen.

Negative Schlagzeilen

Siemens fiel in den vergangenen Monaten in Brasilien immer wieder durch negative Schlagzeilen auf. Im Juli 2013 hatte der Konzern Selbstanzeige wegen illegaler Preisabsprachen beim U-Bahn-Bau in São Paulo erstattet. In dem komplizierten Kartellrechtsverfahren bat die brasilianische Justiz kürzlich die Staatsanwaltschaft München um Amtshilfe. Damals hatte bereits das Landesministerium für Transport in der Großraumregion São Paulo ein internes Verfahren eröffnet, um zu prüfen, ob Siemens für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen "geeignet" sei.

U-Bahn in Sao Paulo Brasilien (Foto: MAURICIO LIMA/AFP/Getty Images)
Beim U-Bahn-Bau in Sao Paulo war Siemens an illegalen Preisabsprachen beteiligtBild: Mauricio Lima/AFP/Getty Images

Mit dem Ausschluss für öffentliche Aufträge in ganz Brasilien hat sich das Verfahren aus São Paulo nun erübrigt. Zu Beginn der Woche kündigte Siemens an, gegen das Gerichtsurteil Berufung einzulegen. Gegenüber der Tageszeitung "Estadão" räumte das Unternehmen erstmals Verluste ein. "Die Strafen und Bußgelder könnten sich negativ auf das operative Geschäft, die finanziellen Ergebnisse und den Ruf der Firma auswirken", heißt es dort in einer Stellungnahme.