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Politik

Sierens China: Trumps Firewall

Frank Sieren
22. Mai 2019

Chinas Tech-Industrie konnte nur so schnell wachsen, weil die amerikanischen Wettbewerber draußen bleiben mussten. Als Strafmaßnahme ist Trumps Huawei-Bann zwar verständlich, aber dennoch kurzsichtig, meint Frank Sieren.

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Huawei
Bild: picture-alliance/dpa/AP/A. Wong

Ganz überraschend kam das nicht: US-Präsident Donald Trump hat Huawei auf die schwarze Liste der staatsgefährdenden Unternehmen gesetzt. Der chinesische Telekom-Konzern darf nach Ablauf einer Frist von 90 Tagen keine Technologie mehr von amerikanischen Firmen kaufen. Huawei-Smartphones laufen zwar noch mit dem Google-Betriebssystem Android. Ohne Lizenz kann Huawei aber bald keine Updates mehr durchführen, neue Geräte hätten zudem keinen Zugang mehr zum Play Store, dem dem zentralen "Ökosystem" von Google, in dem Apps, Musik, Filme, Bücher und vieles mehr heruntergeladen werden kann. In China wäre das kein so großes Problem. Für Huawei-Kunden im Ausland ist das allerdings ein großer Nachteil.

Auch die Chiphersteller Qualcomm und Intel sowie der deutsche Hersteller Infineon Technologies könnten Huawei möglicherweise schon bald nicht mehr beliefern. Falls es denn in den kommenden drei Monaten nicht doch noch eine Einigung gibt - was durchaus wahrscheinlich ist. Aber so oder so - die drastischen Maßnahmen Trumps bedeuten jedenfalls nicht das Ende von Huawei, sie bedeuten nicht einmal, dass Huawei international isoliert wird.

Der 5G-Weltmarktführer

Denn Huawei ist der größte Netzwerkausrüster der Welt und ist, was den 5G-Standard betrifft, so gut wie allen anderen Anbietern voraus. Auch Huawei-Smartphones sind, was das Verhältnis von Preis und Leistung betrifft, unschlagbar. Deshalb haben bisher nur die Australier und die Neuseeländer dem Druck der USA nachgegeben, ganz auf Huawei-Netzwerktechnik zu verzichten. Selbst Deutschland und Großbritannien, die von Washington ebenfalls unter Druck gesetzt wurden, lassen ihre Märkte mit Einschränkungen für Huawei offen. Den Verkauf von Huawei-Smartphones im eigenen Land blockieren weltweit allein die Amerikaner.

China Huawei 5G Netz
In Sachen 5G führt an Huawei kein Weg vorbeiBild: picture-alliance/dpa/S. Fan

Der Grund ist offensichtlich: Es geht Trump darum, den wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerber China so stark wie möglich zu bremsen. Die Amerikaner möchten ihren Status als Weltmacht mit niemandem teilen. Die Sicherheitsrisiken sind weitgehend vorgeschoben. Bis heute hat die US-Regierung nicht beweisen können, dass das Unternehmen tatsächlich ein Sicherheitsrisiko darstellt. Huawei steht vor allem deshalb im Fokus, weil es das erste chinesische Hightech-Unternehmen ist, das sich international durchsetzen konnte.

Keine Panik bei Huawei

Bei Huawei bricht angesichts des Trump-Banns keine Panik aus. Man sei auf diesen Ernstfall bereits vorbereitet und habe ein eigenes Betriebssystem entwickelt. Und einen großen Teil seiner Chips stelle das Unternehmen schon selbst her. "Die USA unterschätzen unsere Stärke", sagt der 74-jährige Firmengründer Ren Zhengfei: "Wir können nicht mehr von der Welt isoliert werden."

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Das ist in der Tat so. Obwohl ausländische Telefon-Netzwerksysteme in China nicht verboten sind und obwohl Samsung und Apple ihre Smartphones uneingeschränkt verkaufen konnten, hat es Huawei geschafft nicht nur den chinesischen Markt zu erschließen, sondern auch weite Teile des Weltmarktes zu erobern. Huawei ist inzwischen nicht nur der größte Netzwerkausrüster der Welt, sondern nach Samsung auch der zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen - noch vor Apple. Vor allem in China, dem größten Wachstumsmarkt der Welt, verschieben sich die Machtgewichte dramatisch: Im vergangenen Jahr hat Apple hier 13 Prozent weniger Smartphones verkauft, Huawei 16 Prozent mehr. Mit 27 Prozent hat Huawei nun einen Marktanteil, der drei Mal so hoch ist wie der von Apple.

Ein gutes Argument hat Trump jedoch auf seiner Seite: Die Chinesen haben ihren Markt für Google, Facebook, Twitter und Whatsapp abgeschottet, damit Alibaba, Baidu und WeChat florieren konnten. Dennoch ist die Strategie des US-Präsidenten kurzsichtig. Statt Huawei so eng wie möglich an den amerikanischen Markt zu binden, um dann, wenn die Abhängigkeit groß genug ist, Zugeständnisse zu erzwingen, erreicht er nun stattdessen, dass Huawei sich besonders schnell von amerikanischen Zulieferern unabhängig macht. Die Chinesen haben das mit der deutschen Autoindustrie anders umgesetzt: Erst haben sie dafür gesorgt, dass Volkswagen inzwischen 40 Prozent seiner Autos in China verkauft. Nun können sie mitbestimmen wo die Reise hingeht. Huawei hingegen kann die amerikanischen Zwänge jetzt noch abschütteln und künftig eigene Wege gehen.

2018 Beijing International Automobile Exhibition | Volkswagen CC
Der mit Abstand größte Markt für VW ist ChinaBild: Reuters/D. Sagolj

Eiserner Vorhang 2.0?

Manche sprechen deshalb bereits jetzt von einem "Eisernen Vorhang 2.0", einer kommenden Weltordnung, in der zwei unterschiedliche digitale Systeme durch ihre verschiedenen technischen Standards voneinander getrennt sein werden. In der einen Tech-Hemisphäre würden dann vielleicht mit Huawei-Technik vernetzte selbstfahrende Autos von Baidu den Markt beherrschen, während in der anderen Google und Tesla den Ton angeben.

Das Problem für Trump: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass China sich technologisch auf diesen neuen Feldern viel schneller entwickelt, weil es über einen größeren Markt mit mehr Daten verfügt. Zudem können sie die neuen Technologien billiger anbieten, weil sie viel höhere Stückzahlen im Heimatmarkt erreichen können.

Die absolute Mehrheit der Staaten weltweit will sich deshalb nicht auf einen Bann der 5G-Huawei-Technologie einlassen. Donald Trump ist gerade dabei die USA zu isolieren und von neuen wichtigen Innovationsschüben abzukoppeln. Die Asiaten machen dabei nicht mehr mit, die Afrikaner und Südamerikaner auch nicht. Und zum Glück werden sogar die Europäer eigenständiger.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.