Sierens China: Ein bisschen Frieden
14. Juni 2018Von skurrilen Trump-Imitatoren über Gedenkmünzen bis hin zum exaltierten Basketballstar Dennis Rodman, der anreiste um seinen Freund Kim Jong Un zu unterstützen und gleichzeitig für eine Krypto-Währung warb: Der historische Gipfel in Singapur glich bisweilen einem Volksfest. Es gab ja am Ende auch etwas zu feiern: Trump und Kim verstehen sich.
Die Welt ist damit einstweilen ein Stück friedlicher geworden. Das ist schon sehr viel. Denn selbstverständlich kann ein Konflikt, der über ein halbes Jahrhundert gedauert hat, nicht mit einem vierstündigen Gipfel gelöst werden. Nun müssen die Details verhandelt werden. Ermutigend ist, dass beide Seiten nun in die gleiche Richtung wollen. Das deutlichste Zeichen: Trump will die "Kriegsspiele beenden", "womit wir eine riesige Menge Geld sparen werden". Damit meint er die provozierenden Truppenmanöver mit Südkorea vor den Küsten Nordkoreas. "Ich will unsere Soldaten zurückholen." Dass er sich damit sowohl mit seinem Militär als auch mit den Militärs in Seoul anlegt, dürfte selbst ihm klar sein.
Trump ist ein historischer Erfolg gelungen
Gleichzeitig jedoch bleiben die Sanktionen gegen Nordkorea erst einmal in Kraft. Man kann Trump also nicht vorwerfen, dass er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Auch wenn es vielen nicht passt, ist ihm sein historischer Erfolg gelungen. Er hat es nun in der Hand, den letzten großen offenen Konflikt aus dem 20. Jahrhundert zu lösen. Zum Abschluss des vierstündigen Treffens mit Kim unterzeichneten die beiden eine Erklärung, in der sich Nordkorea verpflichtet, auf eine komplette Denuklearisierung "hinarbeiten" zu wollen. Viel mehr konnte man realistischerweise nicht erreichen, wenn man bedenkt, dass Washington und Pjöngjang vor kurzem noch Erzfeinde waren. Trump ist in dieser Hinsicht offensichtlich realistisch: "Ich habe Nordkorea signalisiert: Lasst Euch Zeit! Wir können schnell, aber auch langsam vorgehen", so der US-Präsident zum Ende von Kims Atomprogramm.
Bei all dem darf man aber auch nicht vergessen, dass Kim in diesem Prozess weit mehr Regie geführt als Trump. Es war Kim, der den Zug aufs Gleis gesetzt hat mit der Teilnahme seiner Mannschaft an den olympischen Winterspielen in Südkorea und daraus folgend, dem Gipfel mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In. Erst da ist Trump auf den fahrenden Zug aufgesprungen, hat die Geschwindigkeit dann aber noch stark erhöht.
Klug von Kim war auch, dass er den chinesischen Staatspräsident Xi Jinping eng in den Prozess eingebunden hat. Denn eines darf man trotz des Singapur-Hypes nicht vergessen: Kim hat den chinesischen Staatschef in den vergangenen Wochen gleich zweimal auf chinesischem Boden besucht, lange bevor er sich mit Trump getroffen hat. Die Fotos, die dabei entstanden, und Xi und Kim zum Beispiel beim Strandspaziergang zeigen, mögen nicht annähernd so spektakulär sein, wie die von Kim und Trump, die sich vor einem blau-weißen Fahnen-Spalier die Hände reichen. Die Gespräche waren jedoch sehr viel tiefgehender als bei dem kurzen Treffen mit Trump in Singapur.
China hält die Fäden in der Hand
Peking hat in diesem Spiel in keinem Moment die Fäden aus der Hand gegeben. In Peking, Berlin und Washington muss man nun einräumen: Ein Diktator ist Kim gewiss, ein Irrer aber ist dieser Mann nicht, der ja gerade mal 35 Jahre alt ist. Er hat nun sogar die Chance, eine Art Deng Xiaoping Nordkoreas zu werden, wenn er sein Land wirtschaftlich öffnet, das bis unter die Grasnarbe voll mit wertvollen Bodenschätzen ist. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Die Rolle der Chinesen ist klar: Sie werden vor allem dafür sorgen, dass beide Seiten nicht übermütig werden und womöglich zu große Risiken eingehen. Xi will genau wie Trump die nukleare Abrüstung. Aber er ist auf keinen Fall daran interessiert, dass Nordkorea zusammenbricht. Deswegen wird der erfahrene Xi den jungen Kim anhalten, nichts zu übereilen und sich von Trump nicht aufs Glatteis führen zu lassen.
Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.