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Sierens China: Schweinisch vernetzt

Frank Sieren
2. Mai 2019

Die Afrikanische Schweinepest macht beispielhaft deutlich, wieviel in Deutschland inzwischen von China abhängt. Denn wenn chinesische Schweinebauern ihre Tiere töten müssen, hat das Folgen weltweit, meint Frank Sieren.

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Schweinezucht in China
Bild: Getty Images

Wenn in China ein Sack Reis umfällt, so das Sprichwort, muss es uns nicht interessieren. Tatsächlich haben Ereignisse in China längst einen größeren Einfluss auf den Alltag in Deutschland, als wir es gerne hätten.

Jüngstes Beispiel ist der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in China, wegen der seit August 2018 über eine Millionen Schweine vorzeitig getötet werden mussten. Schätzungen zufolge könnte sich die Zahl der gekeulten Tiere auf bis zu 200 Millionen erhöhen - das wäre ein Bestandsrückgang dreimal größer als die gesamte Schlachtschwein-Population der USA. Die Folgen gehen schon jetzt weit über China hinaus: Selbst in Deutschland kletterte der Erzeugerpreis für Schweinefleisch seit Jahresbeginn um knapp ein Drittel. Für große Schlachtunternehmen, die eine Exportlizenz nach China haben, ist das zunächst profitabel. Schlecht ist das jedoch für die vielen mittelständischen Fleischverarbeiter. Sie zahlen wegen China nun drauf. Die steigenden Preise betreffen jedoch nicht nur Schweinefleisch, da die Chinesen ihre Versorgungslücken auch mit Huhn und Rind füllen werden. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig. Denn die Chinesen konsumieren mehr Schweinefleisch als jedes andere Land der Erde: jährlich um die 55 Millionen Tonnen.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Der weltweit größte Markt für Schweine

Gleichzeitig ist China der weltweit größte Schweineproduzent und auch der größte Importeur. Wegen der Schweinepest fehlen dem Land dieses Jahr rund vier Millionen Tonnen, um seinen Bedarf zu decken. China muss deshalb 60 Prozent mehr Schweinefleisch importieren als im vergangenen Jahr. Das freut neben den deutschen Schweinezüchtern auch die in Brasilien, Dänemark, Spanien, den Niederlanden und sogar die in den USA, obwohl dort wegen des Handelsstreits höhere Zölle gelten. Anfang April haben sich die Verkäufe von Schweinefleisch aus den USA nach China verdreifacht. Was nach einem Etappensieg für Donald Trump aussieht, ist jedoch am Ende ein Nullsummenspiel. Weniger Schweine bedeuten auch weniger Bedarf an Tierfutter. China war bislang der größte Importeur von Soja. Die Exporte von US-Sojabohnen werden im kommenden Jahr erheblich geringer ausfallen, egal ob es vorher zu einer Einigung im Handelsstreit kommt oder nicht. Das Soja-Geschäft ist ein wichtiger Markt für die Amerikaner.

Das Problem ist nicht neu. China hat in den vergangenen elf Jahren bereits drei Schweine-Epidemien erlebt. Schon 2007 forderte der damalige Premierminister Wen Jiabao "unverzügliche Marktjustierungen". Im selben Jahr legte die Regierung in landesweiten Kühlhäusern "strategische Schweinefleisch-Reserven" an, um die Preise stabil zu halten. Dieses Mal ist die Lage jedoch ernster: Das chinesische Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Preise für Schweine im zweiten Halbjahr um bis zu 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigen werden - Rekordniveau! Das treibt wiederum die Inflation nach oben. Und eine hohe Inflation kann Unmut in der Bevölkerung auslösen. Der Wert der chinesischen Einkommen sinkt.

An dieser Stelle kommt der Yuan ins Spiel: Je stärker der Yuan ist, desto weniger schlagen die Importpreise auf die Kunden durch und desto weniger heizen sie die Inflation an. Peking muss den starken Yuan allerdings auch gegen die Interessen der Exporteure austarieren. Auch bei ihnen geht es um Arbeitsplätze. Das alles ist nicht einfach. Die soziale Stabilität muss neu austariert werden. Einkommensschwache Bürger müssen unterstützt, die Schweinezüchter subventioniert werden - nicht zuletzt auch dies um Arbeitsplätze zu sichern. In allen Fällen gilt: Je stärker der Yuan, desto weniger Subventionen sind nötig. Die soziale Stabilität Chinas ist auch für Deutschland wichtig. Denn China ist einer unserer größten Handelspartner.

Schweinezucht in China
Bild: AFP/Getty Images

Hoffen auf mehr vegane Chinesen

Auch mit einer Einigung im Handelsstreit könnte China die Belastungen durch die Schweinepest etwas dämpfen. Bis sich die Population auf Vor-Seuchen-Niveau eingependelt hat, könne es jedoch gute drei Jahre dauern, zumal die Seuche mittlerweile in allen chinesischen Provinzen aufgetreten ist. Peking hat präventiv Seuchen-Tests für alle Züchter angeordnet.

Weitsichtig wirbt Peking in der Bevölkerung seit Jahren für weniger Fleischverzehr. Doch dafür ist der chinesische Wohlstand noch zu jung. Das Fleischgericht ist ein Statussymbol. Einen Vegan-Trend wie im Westen, der Tierwohl, Gesundheit und Klimaschutz propagiert, gibt es in China deshalb noch nicht. Das würde die Fleischpreise entlasten und damit der deutschen fleischverarbeitenden Industrie Luft schaffen. Nicht nur für die deutschen Wurst- und Fleischliebhaber wird deswegen die Frage immer wichtiger, ob und wie schnell die Chinesen veganer leben. In diesen Tagen ist die Inflation in Deutschland auf zwei Prozent angestiegen. Die "Chinesische Schweinepest" ist mächtig genug, sie weiter anzuheizen. 

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.