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Sierens China: Stimmungstief Down Under

25. Oktober 2019

Jahrelang profitierten Australien und China voneinander, nun kippt die Stimmung. Canberra geht mit den USA auf Konfrontation zu Peking. Entscheidend wird sein, wie lange die Australier das wirtschaftlich durchhalten.

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China Peking Australische Flagge
Bild: Getty Images/F. Li

Neben den USA ist wohl kein Land gegenüber China derzeit so misstrauisch wie Australien. "Die Werte Pekings stimmen nicht mit denen Australiens überein", erklärte Innenminister Peter Dutton unlängst, und sorgte mit seiner "bösartigen Anti-China-Rhetorik" in China für Empörung. Seine Worte seien eine "offene Provokation des chinesischen Volkes", erklärte Chinas Botschafter in Australien. Und auch die australische Opposition sprach von einem Mangel an "diplomatischen Fähigkeiten".

Dabei war Australien vor wenigen Jahren noch einer der stärksten Unterstützer Chinas im Westen. Canberras Liste der Vorwürfe ist lang: Diebstahl von geistigem Eigentum, Einflussnahme auf Studenten und Universitäten - etwa durch Konfuzius-Institute sowie Unterhöhlung der Demokratie durch pekingtreue Politiker und undurchsichtige Geldspenden.

Australien - Studenten der University of Queensland
Studenten der University of Queensland organisierten im Juli eine Kundgebung gegen den chinesischen Einfluss auf dem CampusBild: Transparency 4 UQ/T. Brown

Hinzu kommen Skandale wie die Verhaftung des in Australien eingebürgerten Ex-Diplomaten und Polit-Bloggers Yang Hengjun, der ohne Vorlage von Beweisen in China wegen Spionagevorwürfen festgehalten wird oder ein Cyberangriff auf das australische Parlament, der Anfang des Jahres von chinesischen Hackern verübt worden sein soll.

Australiens Blockade-Maßnahmen

Inzwischen versucht die australische Regierung den chinesischen Einfluss in Australien aktiv einzudämmen. Ein neues Gesetz stellt politische Einflussnahmen aus dem Ausland unter Strafe. Chinesische Investitionen in sensiblen Bereichen wie Stromnetzwerken oder großen landwirtschaftlichen Flächen sind untersagt. Beim Ausbau des 5G-Netzes folgt Canberra dem Bündnispartner USA und hat dem chinesischen Telekommunikationsgiganten Huawei jegliche Aufträge verweigert. Premier Scott Morrison ruft dazu auf, China nicht mehr als Entwicklungsland einzustufen. Und Innenminister Dutton fordert eine "offene Debatte" über die Neue Seidenstraße, Chinas militärische Expansion im Südchinesischen Meer und die Ausweitung des chinesischen Einflussbereichs im Indo-Pazifik.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Ein Problem hat Australien allerdings: China ist derzeit der größte Handelspartner der Australier. 38 Prozent  der australischen Exporte gehen in die Volksrepublik. Das sind acht Prozent des australischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Kein Land anderes Land der Welt ist so abhängig von China.

Wirtschaftliche Nachteile

Bislang hat Australiens Wirtschaft, die seit gut 28 Jahren wächst, von arbeitenden und konsumierenden Einwanderern aus China profitiert. Von den 25 Millionen Australiern stammen rund 1,2 Millionen von chinesischen Familien ab. Viele fürchten nun, Opfer der anti-chinesischen Stimmung zu werden und in sicherheitsrelevanten Berufen diskriminiert zu werden. Derzeit studieren mehr als 100.000 chinesische Studenten in Australien und bezahlen hohe Studiengebühren. Auch sie werden in den australischen Medien mit Argwohn betrachtet, seit sich einige während der Solidaritätsproteste mit Hongkong lautstark auf die Seite Festland-Chinas stellten. Auch der chinesische Tourismus, ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Australien, wächst so langsam wie seit neun Jahren nicht mehr. Die Spannungen haben dazu geführt, dass Touristen und Studenten aus China Australien bereits den Rücken kehren. Innerhalb der nächsten zwei Jahre könnte der sich abzeichnende Rückgang das Land 543 Millionen Dollar kosten, schätzen Experten.

Die USA setzen auf ein Sicherheitsbündnis mit Australien, Indien und Japan, um China im Indo-Pazifik Grenzen aufzuzeigen. Als Reaktion auf Chinas Aufstieg hat Australien sein Militär aufgestockt. Im vergangenen Jahr ist das Land zum zweitgrößten Importeur von Rüstungsgütern aufgestiegen, direkt hinter Saudi Arabien und noch vor China und Indien. Das gefällt Washington.

Huawei Australien
Ende der Geschäftsbeziehungen: Huawei in AustralienBild: Imago/ZumaPress//Imago/M. Schwarz

Immerhin profitiert Australien wirtschaftlich vom Handelsstreit zwischen China und den USA. Australien liefert inzwischen über 60 Prozent von Chinas Eisenerzimporten und über die Hälfte der Kohleimporte.

Derzeit arbeiten Canberra und Washington an einem Abkommen, das die Abhängigkeit von China weiter verringern soll, insbesondere bei der Versorgung mit Seltenen Erden. China versorgt rund 70 Prozent der Welt mit den Grundstoffen für Akkus und Mobiltelefone. Australien besitzt immerhin 14 der 35 Sorten, die in der US-High-Tech-Industrie benötigt werden. Auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Japan und Südkorea soll ausgeweitet werden. Peking erklärt selbstbewusst, man sei auf australische Rohstoffe nicht angewiesen und könne sie auch von woanders beziehen.

Allein gegen China

Allerdings ist Australien in der Region mit seinem Konfrontationskurs gegenüber China isoliert. Die anderen Nachbarn rücken eher näher an die aufsteigende Weltmacht. Und auch Australien will ein Teil der größten Freihandelszone der Welt werden, des "Regional Comprehensive Economic Partnership", kurz RCEP, das derzeit verhandelt wird. Es soll die zehn Asean-Länder in Südostasien zusammen mit Japan, Südkorea, China, Indien, Australien und Neuseeland zum größten Handelsblock der Welt zusammenschließen. Das geplante Abkommen baut auf bestehenden Handelsverträgen auf und will noch bestehende Zölle auf 90 Prozent aller gehandelten Waren innerhalb von fünfzehn Jahren eliminieren. In der künftigen Freihandelszone leben 3,5 Milliarden Menschen, knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Washington passt es nicht, dass die Australier dabei sein wollen.

Und hier zeigt sich schon, was die entscheidende Frage sein wird: Wie lange wollen die Wähler, dass sich die australische Regierung den Konfrontationskurs leistet, wenn die wirtschaftlichen Nachteile dieser Politik im Alltag ankommen? Eines ist klar: Canberras Partner Washington ist kaum dazu in der Lage, die wirtschaftlichen Einbußen abzufangen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.