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Verzweifelter Kampf gegen Ebola

Adrian Kriesch, Jan-Philipp Scholz26. September 2014

Nach der Ausgangssperre und fast 600 Ebola-Toten hat Sierra Leone die Quarantänemaßnahmen noch einmal verschärft. Beobachter glauben, das Schlimmste stehe in dieser Krise noch bevor, berichten DW-Reporter vor Ort.

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Krankenpfleger in Schutzausrüstung tragen Ebola-Patientin im Polizeikrankenhaus in Freetown (Foto: A. Kriesch/J. Scholz/DW)
Bild: DW/Scholz/Kriesch

Das Gesicht der Frau sieht verängstigt aus - und voller Schmerzen. Sie versucht ein paar Meter zu rennen, bricht dann zusammen. Etliche Männer schreien sie an: Krankenpfleger, Soldaten, Polizisten. Ein Soldat feuert einen Warnschuss in die Luft. Sie solle umkehren, brüllen die Männer. Die Frau ist an Ebola erkrankt und gerade aus einer neuen Isolierstation am Rande der Hauptstadt Freetown ausgebrochen, in der sie behandelt werden soll.

"Momentan ist hier alles etwas chaotisch, weil wir erst vor wenigen Tagen aufgemacht haben", sagt Bimba Idriss, wenige Minuten vor dem Vorfall. Er ist der leitende Arzt des Polizeikrankenhauses. Und auch wenn er sagt, das schon bald alles geregelter laufen werde: Die Situation zeigt, wie verzweifelt das westafrikanische Sierra Leone versucht, das Virus unter Kontrolle zu bringen.

Bimba Idriss, leitender Arzt des Polizeikrankenhauses (Foto: A. Kriesch/J. Scholz/DW)
Bimba Idriss, leitender Arzt des PolizeikrankenhausesBild: DW/Scholz/Kriesch

136 Ärzte für sechs Millionen Menschen

Sierra Leone musste in den vergangenen Jahrzehnten viele Schicksalsschläge verarbeiten: ein blutiger Bürgerkrieg, Choleraausbrüche. Das kleine westafrikanische Land mit sechs Millionen Einwohnern ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Die Müttersterblichkeitsrate ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste der Welt, auf 1000 Geburten kommen elf Mütter, die nicht überleben. Im ganzen Land gibt es nur 136 Ärzte. Und jetzt auch noch Ebola.

Im Osten des Landes gab es im Juni die ersten Fälle - doch keine ausreichende Reaktion darauf. Das Virus breitete sich aus, Anfang Juli erreichte es Freetown. Mittlerweile gibt es mehr als 1000 Ebola-Infizierte, doch nur 323 Betten in Isolierstationen. Mehr als 500 weitere Betten seien nötig, sagt die WHO. Viele Opfer sterben zu Hause - und infizieren dabei häufig Familienangehörige.

Überforderte Isolierstationen

Gunnar Urban von der Hilfsorganisation Cap Anamur versucht gerade in kürzester Zeit eine Isolierstation für das einzige Kinderkrankenhaus des Landes mit aufzubauen. Geeignete Schutzkleidung, Aufklärungsarbeit, Fluchtwege - der deutsche Arzt muss dabei an viele Details denken. Kleinste Fehler könnten später zur Infektion weiterer Menschen führen. Deshalb ist er besorgt, dass durch Regierungsbeschlüsse Einrichtungen zu schnell eröffnet werden. "Die neu eröffnete Isolierstation im Polizeikrankenhaus war am Wochenende völlig überfordert mit der Anzahl der Patienten", sagt Urban. Mehr als 60 Ebola-Infizierte wurden in wenigen Tagen aufgenommen, während gleichzeitig noch Bauarbeiten laufen und geeignetes Schutzmaterial fehlt. Bei einem Treffen zwischen Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Weltgesundheitsorganisation warnten Teilnehmer eindringlich, dass sich in den nächsten zwei Wochen ein Teil der Mitarbeiter der Isolierstation im Polizeikrankenhaus anstecken könnte, berichtet Urban.

Gunnar Urban von der Hilfsorganisation Cap Anamour (Foto: A. Kriesch/J. Scholz/DW)
Gunnar Urban arbeitet für die Hilfsorganisation Cap Anamour im einzigen Kinderkrankenhaus von Sierra LeoneBild: DW/Scholz/Kriesch

"Wir brauchen dringend Unterstützung"

Die Regierung um Präsident Ernest Bai Koroma hatte am vergangenen Wochenende eine dreitägige Ausgangssperre erteilt, um alle Haushalte zu kontrollieren und Ebola-Fälle zu isolieren. 130 Infizierte wurden gefunden, meldeten die Behörden. Am Donnerstag (25.09.2014) stellte Koroma drei weitere komplette Distrikte unter Quarantäne. Insgesamt ist damit die Bewegung von zwei Millionen Menschen vorerst eingeschränkt - das ist ein Drittel der Bevölkerung.

Freiwillige Helfer vom Roten Kreuz sammeln Leichen in Freetown ein (Foto: A. Kriesch/J. Scholz/DW)
Freiwillige Helfer vom Roten Kreuz sammeln Leichen in der Stadt einBild: DW/Scholz/Kriesch

"Wir stehen vor großen Herausforderungen und brauchen dringend Unterstützung in fast allen Bereichen", sagt Ali Kamara. Er arbeitet für das Gesundheitsministerium und begleitet täglich Beerdigungsteams, die Leichen in Freetown einsammeln und bestatten. Viele Bewohner des Landes haben sich freiwillig gemeldet, um im Kampf gegen Ebola zu helfen. Oft mangelt es aber an professioneller Schutzausrüstung und einer guten Ausbildung.

Kamara und sein Team wollen gerade vier Ebola-Leichen im Polizeikrankenhaus abholen, als plötzlich die Patientin aus der Isolierstation ausbricht und Panik auslöst. Kamara schaut sich aus sicherer Distanz an, wie nach einer halben Stunde zwei Krankenpfleger in gelber Ganzkörper-Schutzausrüstung die Frau zurück in die Isolationsstation tragen. Sein Gesicht sieht müde aus, seit Juli ist er täglich im Einsatz. Trotz der vielen Rückschläge und traumatisierenden Erlebnisse: Er ist überzeugt, dass Sierra Leone den Kampf gegen den Virus noch nicht verloren hat.