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Ein HIV-positiver Pfarrer kämpft gegen Diskriminierung

Columbus Mahvunga, Katrin Matthaei23. April 2014

Kann ein Aids-Kranker ein guter Christ sein? Darauf möchten viele Kirchen in Afrika lieber keine eindeutige Antwort geben. Ein Skandal, findet ein HIV-positiver Pfarrer aus Simbabwe.

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Ein afrikanischer katholischer Geistlicher hält die Hände gefaltet (Foto: Getty Images)
Bild: Michel Gangne/AFP/Getty Images

Es gab einen Moment, da konnte er sie nicht mehr verstecken: Die Krankheit hatte Maxwell Kapachawos Körper so geschwächt, dass er sich an seinen Vorgesetzten wandte und die entscheidenden drei Worte sagte: "Ich bin HIV-positiv." Mehr als zehn Jahre ist das nun her. Und es war ein Tabubruch sondergleichen: Kapachawo war der erste Pfarrer Simbabwes, der seine Aids-Erkrankung öffentlich machte. Er leitete zu dem Zeitpunkt eine anglikale Kirchengemeinde in der Hauptstadt Harare. Die Antwort der Kirchenleitung ließ nicht lange auf sich warten: Der Kranke wurde entlassen - ein Schock für Kapachawo. Unter Nächstenliebe hatte er sich etwas anderes vorgestellt.

Pfarrer Maxwell Kapachawo Simbabwe lächelt in Kamera (Foto: DW)
Selbstbewusst: Pfarrer Maxwell KapachawoBild: DW/C. S. Mavhunga

Trotzdem hatte er Glück im Unglück: Kapachawo konnte sich eine medizinische Behandlung leisten, die auch gut anschlug. Gleichzeitig musste er sich mit seiner Krankheit und den Konsequenzen für sein Leben auseinandersetzen. Ist ein Aids-Kranker kein guter Christ? Verliert ein Aids-Kranker seine Würde als Mensch? Antworten auf diese Fragen fand er auf einer Reise nach Uganda: Dort besuchte er die Veranstaltung einer Organisation mit dem langen Namen "Afrikanisches Netzwerk religiöser Funktionsträger, die mit HIV und Aids leben oder persönlich betroffen sind" (ANARELA).

Kirche lässt Betroffene allein

Inspiriert von der Offenheit, mit der HIV-positive Geistliche dort über ihre Krankheit sprachen, machte sich Kapachawo daran, eine ähnliche Organisation in seinem Heimatland aufzubauen. Er taufte sie "Von der Kirche Verstoßene" (Abandoned Grace Ministries). Heute ist sie vielen eine Hilfe, denn allein ist Kapachawo nicht: Kirchenangehörige, seien es Funktionsträger oder einfache Gemeindemitglieder, wenden sich an seine Organisation - erleichtert, endlich offen mit ihrer Aids-Erkrankung umgehen zu können. Gemeinsam beten sie und tauschen sich über Probleme und Erfahrungen aus.

"Unsere Grundlage ist Nächstenliebe", sagt der heute 41-Jährige. "Hier geht es um Menschen, die isoliert leben - und das, obwohl die geistlichen Funktionsträger genau wissen, wie sehr die Betroffenen zeitweise ausgegrenzt werden." Die Organisation wolle der Gesellschaft zeigen, dass HIV-Infizierte trotz ihrer Erkrankung ein ausgefülltes Leben führen könnten. Und "dass eine HIV-Infektion kein moralisches Problem ist." Bei wem er sich infiziert hat, weiß der Geistliche nicht. Zu dem Thema sagt er nur soviel: "Jeder hat eine Vergangenheit, und keiner kann davor wegrennen. Ich habe nicht immer wie ein guter Christ gelebt."

Kirchenführer müssen in der Realität ankommen

Pfarrer drückt einer Gottesdienstbesucherin den Daumen auf die Stirn (Foto: Reuters)
"Die Kirche muss in der Realität ankommen"Bild: Reuters

Angesichts der erschreckenden Infektionsraten in Afrika sei es höchste Zeit, dass die Kirchenführer auf dem Kontinent ihre Haltung gegenüber HIV-infizierten Christen änderten, so Kapachawo. "Die Kirche verbringt fast mehr Zeit damit, die Verstorbenen zu beerdigen als sich zu Lebzeiten um sie zu kümmern." Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben in Afrika rund 25 Millionen Menschen mit dem HI-Virus - so viele wie sonst nirgendwo. Weil Aids eng mit dem Thema Sexualität zusammenhängt, ist die Krankheit in den oft sehr konservativ geprägten Gesellschaften tabu. Das gilt auch für die meisten Kirchen in Afrika, deren rigide Sexualmoral die Krankheit nicht selten als eine Art göttliche Strafe für homosexuelle Kontakte und mangelnde Enthaltsamkeit versteht. In Simbabwe versucht die Regierung zwar mit verschiedenen Maßnahmen, das Thema Aids in die Öffentlichkeit zu bringen. Das geschieht allerdings eher halbherzig. Politiker sähen die Erkrankung häufig noch als persönliche Angelegenheit, sagt Pfarrer Kapachawo.

"Wir sagen, dass Gott Liebe bedeutet, aber wenn es zu Aids kommt, ist diese Liebe nicht mehr sichtbar" sagt der Pfarrer, der inzwischen eine Pfingstgemeinde in Harare leitet. Die Kirchenführer in Afrika müssten ihre theologischen Ansichten überdenken und in der Realität ankommen. "Wenn ich heute sage, dass ich HIV-positiv bin, bin ich doch kein schlechter Mensch“, sagt Kapachawo. "Es werden schließlich auch Babys mit dem HI-Virus geboren. Warum sollten wir sie deswegen quälen? Warum sollten wir sie verdammen? Sie hatten keine Wahl, ob sie von infizierten Eltern geboren werden wollten."

Unterstützung durch die Familie

Dass der Pfarrer sich so vehement gegen das Tabu im Umgang mit Aids in seinem Land einsetzt, liegt nicht nur an seiner eigenen Infektion: Zwei seiner Geschwister sind an Aids gestorben, ein weiterer Bruder beging Selbstmord, nachdem er positiv getestet worden war. Eines seiner zwei verbliebenen Geschwister wird heute - genauso wie er selbst - mit anti-retroviralen Medikamenten behandelt, die eine Ausbreitung des Virus im Körper hemmen.

Pfarrer Maxwell Kapachawo mit seinem Sohn (Foto: DW)
Stolz auf seinen Vater: Francis KapachawoBild: DW/C. S. Mavhunga

Umso glücklicher ist er, dass seine vier Kinder gesund aufwachsen. Trotzdem ist ihr Leben stark durch die Krankheit des Vaters geprägt. Francis, Kapachawos ältester Sohn, erinnert sich noch gut daran, wie ihn seine Freunde und Klassenkameraden nach dem Outing des Vaters behandelten. Mitschüler mieden den Kontakt mit ihm - beim Spielen oder in der Klasse. "Ich habe mich zwar nicht geschämt - für gar nichts. Aber einfach war es trotzdem nicht." Heute sei er stolz auf seinen Vater. Und was würde er Politikern und Kirchenführern gerne sagen, wenn er die Gelegenheit dazu hätte? Francis überlegt kurz und antwortet dann als Sohn seines Vaters: "Lasst uns gemeinsam gegen Aids kämpfen. HIV ist ein Virus und keine moralische Krankheit."