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Politik

SIPRI: Rüstungsboom trotz Corona

26. April 2021

Weltweit wurden 2020 fast 2000 Milliarden Dollar in Rüstung gesteckt, obwohl die Wirtschaftskraft schrumpfte. Die USA und China liegen weiter vorn.

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MIM-104 Patriot  Raketensystem
Raketensystem der US ArmyBild: FRANK TREVINO/DoD/picture-alliance

So viel Geld wurde seit 1988 nicht mehr für das Militär ausgegeben. Und da herrschte noch der Kalte Krieg: 1981 Milliarden US-Dollar haben die Staaten der Welt 2020 in Raketen, Panzer, Munition und ihre Soldaten investiert. Das entspricht einer Steigerung von 2,6 Prozent zum Vorjahr. Und das trotz der Corona-Pandemie, deren Bekämpfung die Wirtschaftskraft erheblich hat einbrechen lassen.

Das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm (SIPRI) stellt in seinem jüngsten Jahresbericht fest, dass die Ausgaben für Rüstung weltweit derzeit bei 2,4 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung liegen, obwohl nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds die Wirtschaft wegen der Corona-Krise weltweit um rund 3,3 Prozent schrumpfte.

An Rüstung wird auch in der Pandemie nicht gespart 

Nur wenige Länder wie zum Beispiel Chile oder Südkorea haben Rüstungsausgaben zugunsten der Pandemie-Bekämpfung anders zugewiesen. Brasilien und auch Russland haben ihre Militärbudgets ein wenig zurückgeschraubt - im Vergleich zu den vorherigen Planungen. Russland zum Beispiel um 6,6 Prozent.

Infografik Welche Länder geben am meisten für Militär aus? 2021 DE
Die USA und China sind mit Abstand Spitzenreiter

Ganz allgemein könne man feststellen, so SIPRI-Expertin Alexandra Marksteiner gegenüber der DW, "dass die Pandemie keinen bemerkenswerten Einfluss auf die weltweiten Rüstungsausgaben 2020 gehabt hat. Die Militärausgaben sind angestiegen, mitten in einem wirtschaftlichen Niedergang".

Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) glaubt, das liege auch daran, dass es im Wehrbereich besonders schwierig sei, "kurzfristig umzusteuern". Der DW sagt er: "Viele Projekte dürften noch vor Corona auf den Weg gebracht worden sein." Veränderungen werde man wohl eher in der Zukunft sehen. "Gleichzeitig hat sich das internationale Klima verschlechtert." Mit weniger Ausgaben sei in der Zukunft eher nicht zu rechnen. 

Niklas Schörnig Friedens- und Konfliktforscher
Der SIPRI-Bericht biete Einblick in ein sonst sehr intransparentes Feld, sagt Experte Niklas SchörnigBild: HSFK

Die "Big Spender" bleiben die USA und China

Nichts hat sich auch daran geändert, dass die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik China am meisten Geld für Militär ausgegeben haben. Beide Länder, die politisch immer weiter auseinanderdriften, stehen für mehr als die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben.

Aber auch Deutschland hat seine Militärausgaben erhöht und sich unter den "Top Ten" der größten Ausgabenationen sogar noch um einen Platz "verbessert": von Rang acht auf Rang sieben. Nach den Berechnungen von SIPRI hat Deutschland 2020 knapp 53 Milliarden Dollar in sein Militär gesteckt - rund 1,4 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes.

Damit bleibt Deutschland aber immer noch weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Darauf hatte sich das Verteidigungsbündnis 2014 geeinigt. In zehn Jahren wolle man sich diesem Ziel annähern, hieß es damals. Immer wieder hatte der frühere US-Präsident Donald Trump gegenüber Deutschland darauf gedrungen. Auch sein Nachfolger Joe Biden fordert mehr militärische Beteiligung von Deutschland.

Zwei Prozent für Verteidigung mag heute viel erscheinen. Bedenken muss man aber auch: Anfang der 1960er Jahre, in den Hochzeiten des Kalten Krieges, wendete Deutschland rund fünf Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungszwecke auf.

Der Trend zu höheren Ausgaben für das Militär wird in Deutschland wohl anhalten, prognostiziert Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: "Zumindest wird auch unter der Regierung Biden der Druck auf die alliierten Partner, ihre Militärausgaben zu erhöhen, nicht nachlassen."

Infografik Weltweite Entwicklung der Waffenausgaben DE
Ausgabenentwicklung nach Regionen

Immer mehr NATO-Länder erreichen Zwei-Prozent-Ziel

Fast alle 30 NATO-Mitgliedsländer, so berichtet das SIPRI, haben ihre Militärausgaben 2020 gesteigert. Die Corona-Pandemie führt in diesem Zusammenhang zu einem kuriosen Phänomen: Corona-bedingt sank das Bruttoinlandsprodukt der meisten Staaten; gleichzeitig blieben aber die Militärbudgets unverändert.

Prozentual zur Wirtschaftskraft steigen damit die Rüstungsausgaben. Nun erreichen zwölf NATO-Mitglieder das selbstgesteckte Ziel von zwei Prozent. 2019 waren es lediglich neun Staaten. Neu dazugekommen ist beispielsweise Frankreich. Insgesamt stehen die NATO-Länder inklusive der USA weiterhin für rund die Hälfte der globalen Militärausgaben.

Die Kurve der Rüstungsausgaben steigt vor allem in der Volksrepublik China stetig an, die nun schon 26 Jahre in Folge mehr Geld für das Militär ausgibt. 252 Milliarden Dollar flossen 2020 ins chinesische Militär. 

China l Militärparade zur Feier des 70. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China
China rüstet kräftig auf - Militärparade zur Feier des 70. Jahrestages der Gründung der VolksrepublikBild: picture alliance/Photoshot/L. Xiao

Für den Zeitraum 2011 bis 2020 konstatiert das SIPRI für China einen Zuwachs von 76 Prozent. Das Institut erklärt das mit den ambitionierten Plänen zur Modernisierung bei den Waffensystemen und "Expansionsplänen".

Rüstungswettlauf zwischen den USA und China?

Chinas größter Konkurrent sind die USA. Die Vereinigten Staaten  sind mit Abstand das Land mit den höchsten Rüstungsausgaben weltweit. 39 Prozent entfallen auf das NATO-Land USA. In absoluten Zahlen waren das im vergangenen Jahr 778 Milliarden Dollar, weit mehr als der gesamte deutsche Bundeshaushalt. Die Steigerungsrate zum Vorjahr liegt bei 4,4 Prozent. Das SIPRI erklärt die Steigerung unter anderem mit einer Erneuerung des Nukleararsenals. Ein weiterer Grund sei ein Gefühl der Bedrohung. Vor allem, so erklärt SIPRI-Mitarbeiterin Alexandra Marksteiner, seien da "die wahrgenommenen Ängste der strategischen Wettbewerber China und Russland".

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Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online