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Situation in Heidenau "wenig befriedigend"

Richard A. Fuchs24. August 2015

Vizekanzler Sigmar Gabriel war in Heidenau. Also jenem Ort, an dem zwei Nächte in Folge ein rechter Mob eine Erstaufnahme-Einrichtung für Asylbewerber attackiert hat. Gabriel will Mut machen – und drängt zur Eile.

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Sigmar Gabriel besucht Heidenau (Foto: DW)
Bild: DW/R. Fuchs

Ein Bauzaun mit weißer Plastikplane versperrt die Sicht auf das Gebäude, in dem derzeit rund 100 Flüchtlinge in Heidenau untergebracht sind. Jener Ort, der zwei Nächte von rechtsradikalen Schlägern belagert wurde, und vor dem sich schaurige Gewaltexzesse abgespielt haben, die viele vom Bürgerkrieg traumatisierte Flüchtlinge an das Zurückliegende erinnert haben müssen.

Als der Vizekanzler Sigmar Gabriel eintrifft, wird der Eingang des ehemaligen Baumarkts von Journalisten und Kamerateams belagert. Alle Augen richten sich auf Gabriel, der seine Sommertour durch Ostdeutschland umplante, um dem CDU-Bürgermeister Jürgen Opitz seine Solidarität zu zeigen. "Man darf diesen Typen, die sich hier in den letzten Tagen ausgebreitet haben, keinen Millimeter Raum geben", sagt Gabriel. "Das ist Pack", wettert er, und dieses Pack habe mit Deutschland nichts zu tun, so seine Botschaft.

CDU-Bürgermeister Jürgen Opitz, der von Rechtsextremen im Netz angefeindet wird, ist dankbar für die Unterstützung aus Berlin. "Er wäre sicherlich nicht in ein Nazi-Nest gekommen, sondern er kommt in eine Stadt, die überwiegend mit ganz normalen Menschen besiedelt ist."

Gabriel fordert mehr Geld

Ein kurzer Rundgang führt Gabriel durch das Erstaufnahme-Lager selbst - einen geschlossenen Baumarkt. Ihm öffnen sich Türen, die er selbst später gerne verschlossen gehalten hätte. Feldbetten in einer großen Halle, mit provisorischen Trennwänden und Dusch- und WC-Containern hinterm Haus. Auch Gabriel bemerkt, wie die Hitze sich in dem Gebäude staut, das schon in wenigen Tagen oder Wochen 700 Flüchtlingen als Erstaufnahme dienen soll.

"Wenig befriedigend", nennt Gabriel die Situation in Heidenau. Eine Kritik, die er nicht an den Bürgermeister, sondern an die dafür zuständigen Landesbehörden Sachsens richtet. Gabriel fordert, dass der Bund jetzt schnell und unkompliziert seine Liegenschaften prüfen müsse, ob sie als mögliche Erstaufnahme-Lager in Frage kämen. Er will Ausschreitungen wie in Heidenau verhindern - aber wohl auch Zustände wie im Gebäude selbst. Deswegen erneuert der Vizekanzler seine mehrfach vorgetragene Forderung, jetzt müssten die Finanzen für die Asylbewerber-Unterbringung aufgestockt werden: "Zwei Milliarden Euro reichen da längst nicht mehr", so Gabriel.

Den Flüchtlingen, von denen der Vizekanzler an diesem Tag nur sehr wenige sieht, ruft er vor laufenden Kameras zu: "Wir sind ein ganz mitfühlendes Land". Was hier in Heidenau geschehen sei, müsse mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden. Aber diese Szenen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, setzt Gabriel hinzu, dass es in Deutschland eine Solidaritätswelle für Flüchtlinge gebe - mit Hilfsangeboten allerorten.

Gabriels Wunsch, die Aufmerksamkeit auf die positiven Beispiele zu lenken, erfüllt sich jedoch nur kurz. Mancher Anwohner, der seine teilweise rassistischen Ansichten den wartenden Journalisten zum Besten gibt, will den Auftritt des Vizekanzlers nutzen. Wie eine Frau mit blau-weißem Ringel-Shirt und roter Dauerwelle, die ihren Namen nicht nennen will. Sie hat Angst vor den Flüchtlingen, aus einem ganz einfachen Grund: "Hier vorne ist eine Schule und natürlich haben die Eltern Angst um ihre Kinder, weil hier nur Kerle untergebracht sind." Es seien überwiegend Schwarze, sagt die Anwohnerin, die auch schon ihre Enkelin belästigt hätten.

Anwohnerin in Heidenau (Foto: DW)
Eine Anwohnerin erläutert ihre Sicht der DingeBild: DW/R. Fuchs

Bürgermeister: "Vize-Kanzler kommt in kein Nazi-Nest"

Bürgermeister Jürgen Opitz gibt sich alle Mühe, sein Heidenau in einem anderen Licht darzustellen. Er kämpft darum, dass Heidenau nicht zum neuen Symbol für ausländerfeindliche Hetze wird. Aber er weiß selbst, dass es nach den Ereignissen der letzten Tage schwer wird, das Image der Stadt schnell zu reparieren. Opitz, dessen CDU bei den vergangenen Kommunalwahlen nur wenig mehr Stimmen bekam als die rechtsradikale NPD, hat das Unheil kommen sehen. Bei all den rechtsradikalen Anschlägen rund um Dresden hätte jeder wissen können, so der Bürgermeister, "dass Heidenau als Aktionsplatz dran war."

Ein neues Sicherheitskonzept soll helfen, Probleme mit dem rechtsradikalen Mob in Zukunft auszuschließen. Aber auch Streitigkeiten, die zwischen den Flüchtlingen entstehen werden, sollen so frühzeitig befriedet werden. Auf Kritik, Sachsen würde bei der menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen versagen, reagiert Opitz gefasst. "Mir ist es lieber, dass ein Baumarkt genutzt wird, um die Leute unterzubringen, als sie in Turnhallen unterzubringen, wodurch dann letztlich auch der Schulunterricht oder das Vereinsleben darunter leidet."

Sami und Gazman (Foto: DW)
Flüchtlinge Sami und Gazman aus Syrien und dem IrakBild: DW/B. Knight

Gabriel: "Kein ostdeutsches Problem"

Vizekanzler Gabriel rechnet mit 600.000 Flüchtlingen, die es langfristig hierzulande allein in diesem Jahr zu integrieren gilt. Dass gerade in jüngster Zeit Anschläge und Pöbeleien gegen Flüchtlinge sich in Sachsen, in Ostdeutschland häuften, das will der Vizekanzler aber nicht als Beweis dafür sehen, das die Integration von Flüchtlingen hier nicht gelingen kann. Gabriel sieht - in Ost wie West - vielmehr eine doppelte Integrationsaufgabe. Es gelte, den Flüchtlingen eine neue Heimat zu geben, was auch eine Chance für die alternde Gesellschaft hierzulande darstelle. "Aber wir haben auch eine Integrationsaufgabe gegenüber der eigenen Bevölkerung", so Gabriel. Es gelte, die Akzeptanz für die Aufnahme zu fördern. Das könne so geschehen, dass nicht nur neue Flüchtlingsunterkünfte, sondern eben auch bezahlbarer Wohnraum für andere geschaffen werde.

Kritik daran, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den Ausschreitungen noch nicht nach Heidenau gekommen ist, weicht ihr SPD-Stellvertreter aus. Natürlich sei er auch im Namen der ganzen Bundesregierung hier, betont Gabriel. Was dem Parteifreund von Angela Merkel, CDU-Ortsbürgermeister Optitz, dann wohl aber noch nicht reicht. Mit Grüßen lässt er der Bundeskanzlerin ausrichten: "Ich hoffe ja, dass ich morgen oder spätestens übermorgen die Frau Merkel hier begrüßen kann."