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Skandale der Vergangenheit holen Deutsche Bank ein

Andreas Becker21. Dezember 2012

Bei der Deutschen Bank jagt ein Skandal den nächsten. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, verlorene Gerichtsverfahren, drohende Bußgelder. Wie angeschlagen ist Deutschlands größte Bank?

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Polizeiwagen vor der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Wie sich die Zeiten ändern: Lange galt die Deutsche Bank als Vorzeigeunternehmen, auch deshalb, weil sie in der Finanzkrise ohne Hilfsgelder der Bundesregierung auskam. Sie ist das mit Abstand größte Kreditinstitut des Landes und das einzige, das auch international eine wichtige Rolle spielt. Doch in den letzten Tagen folgt eine Hiobsbotschaft auf die nächste. Die Bank ist angeschlagen, ihr Ruf gefährdet.

Am Donnerstag (20.12.2012) durchsuchte die Staatsanwaltschaft Geschäftsräume in der Frankfurter Zentrale. Die Ermittler prüfen, ob Mitarbeiter der Bank falsche Aussagen gemacht haben im Prozess um die Pleite der Mediengruppe Kirch. In der Vorwoche hatte ein Gericht in München die Bank zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, weil sie Mitschuld am Bankrott des Medienunternehmens im Jahr 2002 trägt. Wie viel die Bank zahlen muss, ist noch offen, es könnten bis zu einer Milliarde Euro werden.

Deutsche Bank: Imageproblem und rote Zahlen

Bewaffnete Polizisten

Für die Deutsche Bank war es bereits der zweite Besuch der Staatsanwaltschaft innerhalb einer Woche. Am Mittwoch vergangener Woche hatten bei einer Großrazzia 500 zum Teil bewaffnete Beamte von Bundespolizei, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung Büros ihre Büros Frankfurt und anderen Städten durchsucht. Ermittelt wird wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchten Strafvereitelung beim Handel mit CO2-Emissionszertifikaten. Fünf Manager wurden festgenommen, ermittelt wird auch gegen Jürgen Fitschen, einen der beiden Chefs der Bank.

Die Bilder vom Polizeieinsatz allein würden reichen, um den Ruf der Großbank anzukratzen. Doch für das Geldhaus kam es noch schlimmer. Nur einen Tag später musste die Bank verkünden, dass ihr Gewinn im Schlussquartal des Jahres einbricht. Und am Mittwoch dieser Woche verurteilte ein italienisches Gericht die Deutsche Bank und drei andere Institute, weil sie die Stadtverwaltung von Mailand mit Zinswetten geschädigt haben. Die Bank will in Berufung gehen, Klagen von 600 weiteren italienischen Kommunen sind noch anhängig.

Am Freitag (21.12.2012) schließlich wurde bekannt, dass die Bank beim Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland nicht mehr die Nummer eins ist, sondern vom US-Konkurrenten Morgan Stanley überholt wurde.

Jürgen Fitschen und Anshu Jain (rechts) (Foto: Thomas Lohnes/dapd)
Jürgen Fitschen (links) und Anshu Jain, die Doppelspitze der Deutschen BankBild: dapd

Glanz vergangener Tage

Und das sind nur die Ereignisse der letzten zehn Tage. Für Jürgen Fitschen und Anshu Jain, die seit Juni an der Spitze der Bank stehen, könnte der Ärger kaum größer sein. Dabei waren sie angetreten mit dem Versprechen, einen Kulturwandel herbeizuführen. Die Bank sollte bei ihren Kunden das Vertrauen zurückgewinnen, das sie und die gesamte Branche durch die Finanzkrise verspielt hatte.

Wie blank die Nerven an der Spitze liegen, zeigt die Reaktion von Jürgen Fitschen nach der Großrazzia der Polizei in der vergangenen Woche. Er greift zum Telefon und beschwert sich beim Ministerpräsidenten des Bundeslands Hessen über den Einsatz. Als das bekannt wird, hagelt es noch mehr Kritik, auch aus der Politik. Fitschen könne sich glücklich schätzen, noch nicht zum Rücktritt gezwungen worden zu sein, sagte Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). "Ein Politiker hätte bei einem solchen Versuch, die Arbeit von Staatsanwalt und der Polizei durch einen Anruf beim Ministerpräsidenten zu behindern, bereits seinen Job verloren."

Wie sich die Zeiten ändern: Als im Jahr 2009 Fitschens Vorgänger Josef Ackermann 60 Jahre alt wurde, richtete Bundeskanzlerin Angela Merkel ihm zu Ehren eine Feier aus. Für viele Deutsche war das Abendessen im Kanzleramt ein Symbol für die enge Verflechtung zwischen Deutscher Bank und Politik.

Noch in den 1980er Jahren war die Deutsche Bank ein Aushängeschild der sogenannten Deutschland AG. Sie finanzierte die Geschäfte der großen Industrieunternehmen, ihre Vertreter saßen in allen wichtigen Aufsichtsräten. Dann folgte die Zeit aggressiver internationaler Expansion. Durch milliardenschwere Zukäufe weitete die Bank ihr weltweites Geschäft aus, besonders im Investment Banking, das zuletzt vom jetzigen Co-Chef Anshu Jain geleitet wurde.

Global Player in der Finanzkrise

Die Deutsche Bank hat sich so von einem soliden deutschen Geldhaus zu einem "Global Player" entwickelt, der ganz oben mitspielte. Unter dem früheren Bankchef Josef Ackermann richtete die Bank ihre Gewinnziele an der Konkurrenz von der New Yorker Wall Street aus. Das große Geld wurde nicht mehr mit normalen Bankgeschäften in Frankfurt verdient, sondern in London, wo das Investment Banking seinen Sitz hatte.

Josef Ackermann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank(Foto: dpa)
Ex-Chef Josef AckermannBild: picture-alliance/dpa

Wie tief die Deutsche Bank dabei auch in dubiose Geschäfte mit amerikanischen Immobilienpapieren verstrickt war, zeigte sich nach Ausbruch der Finanzkrise. So kam ein Untersuchungsausschuss des US-Senats 2011 zur Überzeugung, die Deutsche Bank habe ihren Kunden bewusst Hypothekenkredite von minderer Qualität verkauft und gleichzeitig auf einen Kursverfall der Papiere gewettet. In den USA häuften sich die Prozesse gegen die Bank, unter anderem zogen die US-Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency und die Stadt Los Angeles gegen das Institut vor Gericht.

Gefährlich oder nicht?

Trotz allem war die Bank immer stolz darauf, die große Krise relativ gut überstanden zu haben. Ex-Chef Josef Ackermann wurde mit den Worten zitiert, es wäre eine Schande, wenn die Bank mit staatlicher Hilfe gerettet werden müsste. Ähnliches war auch vom jetzigen Co-Chef Fitschen zu hören. Die Behauptung einiger Zeitungen, die Deutsche Bank sei die "gefährlichste Bank der Welt", habe ihn maßlos geärgert. "Wir sind nicht gefährlich und waren es nie", so Fitschen auf einer Tagung in Hamburg Anfang November. "Denn wir mussten den Staat nicht um Hilfe bitten und werden das auch in Zukunft nicht tun."

Den deutschen Staat, wohlgemerkt, denn in den USA hat die Bank sehr wohl von staatlichen Hilfsprogrammen profitiert. Auch hier ging es nicht immer mit rechten Dingen zu. Im Mai dieses Jahres zahlte die Bank in einem Vergleich 202 Millionen Dollar an die US-Regierung. Die USA hatten dem Institut und seiner früheren Immobilientochter Mortgage IT vorgeworfen, sie habe sich mit falschen Angaben den Zugang zu einem Regierungsprogramm erschlichen, das für Hypotheken bürgte.

Anfang Dezember beschuldigte ein früherer Mitarbeiter das Geldhaus zudem, zwischen 2007 und 2010 falsche Angaben bei der Bewertung von Derivaten in einem bis zu 130 Milliarden Dollar schweren Portfolio gemacht zu haben. Bei einer wahrheitsgemäßen Bewertung wäre die Bank damals "in sehr viel schwächerer Verfassung gewesen", so der frühere Risikoanalyst Eric Ben-Artzi. Die Deutsche Bank wies die Vorwürfe zurück.

Peanuts und Zerschlagung

Noch nicht abschließend geklärt ist die Rolle der Deutschen Bank bei der Manipulation des Londoner Interbanken-Zinssatzes Libor. Der Libor wird einmal täglich ermittelt und soll anzeigen, zu welchen Sätzen sich Banken untereinander Geld leihen. Weltweit wird in dieser Sache gegen 16 Geldhäuser ermittelt. Die britische Barclays Bank musste deswegen rund 350 Millionen Euro Bußgeld zahlen, die Schweizer UBS wurde am Mittwoch sogar zu einer Strafe von 1,2 Milliarden Euro verurteilt. Die Ermittlungen der deutschen Finanzaufsicht gegen die Deutsche Bank dauern noch an.

Ebenfalls noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen von US-Behörden, die nach Angaben der New York Times die Rolle der Deutschen Bank bei illegalen Geschäften mit dem Iran, dem Sudan und anderen von Sanktionen betroffenen Staaten prüft. Es geht um Vorgänge aus dem Jahr 2008. Die Deutsche Bank sagt, sie habe alle Geschäfte mit dem Iran bereits 2007 eingestellt.

Wie sich die Zeiten ändern: 1994 bezeichnete der damalige Deutsche Bank Chef Hilmar Kopper die Summe von 50 Millionen D-Mark, umgerechnet 25 Millionen Euro, als "Peanuts". In Deutschland löste er damals einen Skandal aus, viele sahen die Bezeichnung als Beleg für die Arroganz der Bank. Angesichts der heutigen Summen wird klar: Kopper hatte recht.

Umstritten war Deutschlands größte Bank schon immer. Dabei genoss sie wegen ihrer Stärke aber auch Respekt. Zurzeit wird in der Europäischen Union darüber diskutiert, ob Universalbanken zerschlagen werden sollen, indem das Investment Banking vom restlichen Geschäft abgetrennt wird. Die Deutsche Bank ist natürlich dagegen. Doch die Lobbyarbeit in dieser Sache wird durch ihre derzeitige Schwäche erschwert.