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Wie Nick Cave auf seiner neuen CD mit Tod und Trauer umgeht

Heike Mund9. September 2016

Hinter ihm liegt ein Jahr unfassbarer Trauer: der Musiker Nick Cave verlor 2015 seinen Sohn. Für sein neues Album verarbeitete er den Schmerz in Texten und Songs. Auch andere Musiker taten das vor ihm.

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Nick Cave auf der Bühne. Foto: picture alliance/CITYPRESS 24/T. Litleskare
Bild: picture alliance/CITYPRESS 24/T. Litleskare

Für die sommerlich-heitere Stimmung der Internationalen Filmfestspiele in Venedig ist es ein eher außergewöhnlicher Beitrag. Der aktuelle Dokumentarfilm "One More Time with Feeling" über den Musiker Nick Cave läuft außer Konkurrenz. In düsteren, kontrastreichen Schwarzweiß-Bildern gedreht , dokumentiert er die Studioproduktion zu Caves neuestem Album. Am Freitag (09.09.2016) erscheint die CD. In der Musikfachwelt und auch auf dem Festival wird schon seit Tagen darüber diskutiert. Die weltweiten Premieren-Vorstellungen in den Programmkinos sind längst ausverkauft.

Mit Spannung werden die aktuellen Songs auf der CD "Skeleton Tree" erwartet, die im Film bei der Aufnahme im Studio zu hören sind. Aber im Mittelpunkt des Dokumentarfilms steht Cave nicht als Musiker, sondern als Vater. Vor einem Jahr verlor der Künstler seinen 15-jährigen Sohn durch einen tragischen Unfall. Der Junge war an der Südküste von England von einer Klippe gestürzt, offenbar unter Drogeneinfluss, und dort schwerverletzt aufgefunden worden. Noch am Krankenbett auf der Intensivstation spielte Nick Cave für seinen sterbenden Sohn. Aber er konnte nichts mehr tun, der Junge erlag seinen Verletzungen.

Filmstill Nick Cave. Foto: rapideyemovies.de
Sein Arbeitszimmer: Filmszene aus dem Dokumentarfilm "20.000 Days on Earth"Bild: Rapid Eye Movies HE GmbH

Nick Cave: "Alles ist auseinander gebrochen"

Der australische Musiker, der mit seinen schwermütigen, melancholischen Songs und Texten berühmt geworden ist, arbeitete gerade mit seiner Band "The Bad Seeds" an seinem neuen Album, als das Unglück passierte. Wochenlang war Cave wie betäubt, und kaum in der Lage, sich auf die Plattenproduktion zu konzentrieren. "Anfangs konnte Nick über Arthur und seinen Tod nur abstrakt sprechen. Dieses Trauma war jenseits aller formulierbaren Gefühle", erzählt Dokumentarfilm-Regisseur Andrew Dominik. Und doch hätten dem Musiker die Studioarbeit und die Beschäftigung mit den Dreharbeiten geholfen. Nick Cave sei schnell klar geworden, dass er zum Start der neuen Platte keine Interviews geben könne, sagt Dominik ("Killing me softly") bei der Premiere in Venedig. So sei die Idee eines Dokumentarfilms als Promotion entstanden.

Der Film ''One More Time With Feeling" zieht den Zuschauer in 3D in die Gefühlswelt der tieftraurigen Songs hinein. Großaufnahmen von Nick Caves von Trauer gezeichnetem Gesicht, seine Blicke ins Leere aus dem Fenster eines Taxis, seine eigentümlich abgründigen Songs – das alles entwickelt eine Sogwirkung im Kino, schreiben die ersten Kritiker, die den Film bei der Weltpremiere in Venedig schon sehen konnten.

Der Tod seines Sohnes hat Cave verändert. Gerade hat der Dichter, Songtexter und Schauspieler im neuen Wim Wenders-Film, der letzte Woche erst in Venedig Weltpremiere hatte, eine Gastrolle gespielt. "Alles ist auseinander gebrochen", benennt der Musiker den traumatischen Moment, als ihm klar wurde, dass sein Sohn tot ist. "Die Menschen sagen, er lebt in meinem Herzen weiter. Er ist in meinem Herzen, aber er lebt da nicht. Er lebt einfach nicht mehr."

Herbert Grönemeyer: "Jede Emotion ist tiefgefroren"

Auch Herbert Grönemeyer hat die Arbeit im Plattenstudio geholfen, über den Verlust von gleich mehreren geliebten Menschen hinweg zu kommen. Nur wenige Tage nachdem er im November 1998 seinen älteren Bruder Wilhelm verloren hatte, starb seine erste Frau, die Schauspielerin Anna Henkel, an den Folgen einer erneut ausgebrochenen Krebserkrankung. Acht Jahre hatte die Mutter seiner Kinder mit Operationen und Therapien gegen die Krankheit angekämpft - und am Schluss verloren.

"Der Weg" von Herbert Grönemeyer

"Dein Verlust sprengt alle Dimensionen, Werte, Phantasien. Der Schmerz ist Wüste voll brutalster Wucht", schrieb der Sänger damals in seiner Todesanzeige. Die einzigen Worte, die er fand. Danach flüchtete er sich in Schweigen, gab keine Interviews mehr, sagte eine Konzerttournee ab. Seine Tochter, erzählte Grönemeyer später, habe ihm verboten, mit der Musik aufzuhören. Ihren "Befehl" nahm er sich zu Herzen, war aber lange Zeit wie gelähmt. "Es ist wie nach einer großen Explosion, man liegt da mit seiner Aktentasche und guckt zu, wie alles zerstört ist", erzählte er damals seinem inzwischen verstorbenen Freund Roger Willemsen in einem Interview für den"Stern".

Und dann erschien 2002 - nach Jahren des künstlerischen Rückzugs - sein neues Album: "Mensch". Ein Riesenerfolg in den Charts, die Singleauskoppelung wurde sein erster Nummer-1-Hit überhaupt. Seine allerbeste Platte, sagen viele Musikjournalisten. Den Song "Der Weg" widmete er seiner verstorbenen Frau Anna:

"Ich gehe nicht weg/Hab´meine Frist verlängert/Neue Zeitreise/Offene Welt. Habe dich sicher/in meiner Seele. Ich trage dich bei mir/Bis der Vorhang fällt."

Nena: "Er ist ein Teil von uns"

Auch das Leben der Sängerin Nena, weltbekannt für ihre fröhlichen Popsongs ("99 Luftballons"), war zu Beginn ihrer jungen Karriere in den 1980er Jahren von einer privaten Tragödie überschattet. 1988 kam ihr erster Sohn Christopher zur Welt. Die Geburt war schwierig: Aufgrund akuten Sauerstoffmangels trug der kleine Junge schwere Hirnschäden davon. Er starb mit 11 Monaten.

"Bruder" von Nena - mp3-Stereo

Mit ihren locker-flockigen Nena-Popsongs wollte und konnte die 28-Jährige damals nicht weitermachen. Sie sagte alle Konzerte und Studioaufnahmen ab. Erst Ende 1989 kam eine ganz neue, nachdenkliche Platte heraus: "Wunder gescheh´n", auf der sie sich in ihren Texten den Schmerz über den Verlust ihres Kindes von der Seele geschrieben hat. Und Nena gelang das, was viele Menschen oft nicht schaffen: Sie hat ihren Frieden mit dem Verlust ihres Kindes gemacht, auch mit dessen Vater Benni.

"Er hat mir etwas mit auf den Weg gegeben, das ich nie vergessen habe", erzählt sie in einem Interview, "Das Beste ist, vor sich hin zu leuchten". Im Frühjahr 1993 stand sie – in neuem Outfit und mit kurzen Haaren - wieder auf der Konzertbühne. Und verblüffte ihre Fans mit einem musikalischen Mix aus gefühlvollen Balladen, Reggae und Heavy Metal. Ihren gestorbenen Sohn hat sie mittlerweile in vielen Songs verewigt. "Ob sich das Leben leicht oder schwer gestaltet, entscheidet man letztendlich selbst." Sie strahlt, wenn sie das sagt. Und das tut sie bis heute: auf Konzerten, bei Interviews und als junge Oma mit ihren zwei Enkelkindern.

"Du bist weg und immer da/Engel fliegen wunderbar/ durch die Zeit und Tag und Nacht/ Ich bin heut wieder aufgewacht./du bist weg und immer da/ Das Gefühl ist wunderbar/ Wir rauschen durch die Zeit/ Und du bist überall.