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Zum 100. Todestag von Auguste Rodin

17. November 2017

Seine Werke sind weltbekannt: Der Kuss, der Denker, das Höllentor. Auguste Rodin schuf Skulpturen mit abgeschlagenen Armen und Köpfen. Vor genau 100 Jahren starb der Bildhauer in Paris.

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Ausstellung 100 Jahre Rodin im Grand Palais in Paris
Bild: DW/S. Oelze

Seinen Skulpturen fehlen Köpfe, Arme, Beine. Doch sie sind keine Studien, sondern fertige Werke. Ob Begeisterung oder Ablehnung - die Kunst von Auguste Rodin setzt sich im Gedächtnis fest. Die Melancholie, die Unvollkommenheit, die Weltabgewandtheit, aber auch die erotische Wirkung von Rodins Skulpturen und Zeichnungen schrauben sich tief ins Bewusstsein. Das Werk des am 12. November 1840 in Paris geborenen und am 17.November 1917 in Meudon gestorbenen Künstlers ist ganzjährig im Musée Rodin auf dem linken Ufer der Seine zu besichtigen. Rodin sei kein typischer Avantgardist gewesen, sondern ein Künstler, der anderen den Weg bereitet habe, sagte die Direktorin des Musée Rodin anlässlich einer großen Ausstellung im Jubiläumsjahr im Grand Palais in Paris, Catherine Chevillot. Seine Neuerungen wurden von vielen Künstlern erkannt und weitergesponnen.

Denkmal: Die Bürger von Calais - Replik (Foto: picture-alliance/akg-images)
Die Skulptur "Die Bürger von Calais" im Musée RodinBild: picture-alliance/akg-images

Rodin schuf überlebensgroße Skulpturen, wie der "Schreitende". Die Bronzefigur zeigt den enthaupteten Johannes der Täufer, geschaffen im Stil der griechischen oder römischen Statue. Aber er ist verstümmelt: Rodin ließ Arme und Kopf weg. Vorlage war die "Venus von Milo".

Was war so neu an Rodin?

Sein Werk erzählt viel über die Krise, aber auch über die neuen Erfahrungen des modernen Menschen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Der Torso, das Fragment als endgültige Werkgestalt, anatomisch unvollständige Figuren entwickelten sich zu Rodins Markenzeichen. Mit seinen ab- oder weggedrehten Körpern, Variationen und Wiederholungen, den Gipsabgüssen von Füßen, Köpfen, schreienden oder verzerrten Mündern, entwickelte sich Rodin zu dem Künstler der Jahrhundertwende. Vielleicht war er zu seiner Zeit der radikalste Künstler.

Der Denker, Skulptur von Auguste Rodin (Foto: picture alliance/Pixsell)
Der Denker von Auguste RodinBild: picture alliance/Pixsell

Hat er sich auch mit dem Zeitgeist, wie der aufkommenden Begeisterung für die Psychoanalyse von Sigmund Freud, auseinandergesetzt? Catherine Chevillot betont, dass Rodin ein einfacher Mensch gewesen sei, kein Intellektueller. Er habe nicht besonders viel gelesen. Sein großes Interesse galt der Erforschung von Form und Materie.

Trennung von Camille Claudel bedeutete für Rodin einen schlimmen Schlag

Für Wirbel sorgte Rodins Beziehung zu seiner langjährigen Geliebten Camille Claudel. Sie hat so einige Hände, Köpfe, Füße für Rodins Skulpturen modelliert. Beide haben sehr unter der Trennung gelitten. Rodin soll zwei Jahre lang depressiv gewesen sein.

Die Weltausstellung von 1900 brachte den Wendepunkt in Rodins Karriere. Er verkaufte in einem eigenen Pavillon am Place de l'Alma in Paris 150 Werke. Um Rodin zu sehen, kamen Künstler und Sammler nach Paris. Rodin veräußerte Skulpturen im Wert von 200.000 Francs (ca. 30.500 Euro). Die jungen Modernen eiferten ihm nach und studierten sein Werk.

Unvollkommenheit erhob Rodin zum Stilprinzip

Die Rodin-Begeisterung verlief in Wellen. Am größten war sie um die Jahrhundertwende. Damals besuchten zahllose Kollegen sein Atelier. Rainer Maria Rilke, der zeitweise als Sekretär von Rodin arbeitete, schrieb 1903 eine hymnische Studie, in der er den Künstler idealisierte und zur Vaterfigur der Moderne hochstilisierte. Zwischen den beiden Weltkriegen geriet Rodin ins Abseits. Figuratives galt als altmodisch. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch setzte erneut eine intensive Auseinandersetzung und eine Wiederentdeckung des Figurativen in der Skulptur ein. Germaine Richier, Henry Moore, Per Kirkeby, Etienne-Martin schufen Torsi oder einzelne Installationen mit Füßen, Armen oder Köpfen, die sich an Rodin anlehnten.

Ausstellung Degas & Rodin im Von der Heydt-Museum Wuppertal
Die Studie für Iris entstand 1891- 1893Bild: DW/S. Dege

Auch bei Alberto Giacometti fand seine besondere Art, den Skulpturen Leben einzuhauchen, Nachhall: 1960 schuf der Schweizer Künstler seinen langbeinigen "Schreitenden" ("L'Homme qui marche").

Beliebte Attraktion: das Rodin-Museum in Paris

Dass das Interesse an Auguste Rodin bis heute anhält, belegt ein Besuch im Musée Rodin, vor dem sich regelmäßig lange Schlangen am Eingang bilden. Zum Jubiläum war dort eine Schau des deutschen Künstlers Anselm Kiefer zu sehen, der seine Sicht auf die Modernität Rodins darlegte. Der in Südfrankreich lebende Kiefer hat erstmals 2013 Rodins Atelier in Meudon besucht und dort auch von der Existenz des Buchs "Die Kathedralen von Frankreich" erfahren. Rodin schrieb und illustrierte es 1914. Es zeigt seine Faszination für die Größe und Sinnlichkeit der Architektur. Anselm Kiefer befasste sich auf Wunsch des Musée Rodin mit der wenig bekannten Schrift und schuf ein eigenes Künstlerbuch, das schon durch seine Materialität etwas Architekturales besitzt.

Auch in Berlin erinnert die Alte Nationalgalerie an den 100. Todestag von Auguste Rodin am 17. November. "Der Mensch und sein Genius" widmet sich der bisher wenig beachteten Bronzestatuette "Der Held (Der Mensch und sein Genius)". Gemälde und Grafiken, Schriften zur Kunst, Briefwechsel sowie Fotografien beleuchten das Thema der Inspiration in der Kunst und Dichtung um 1900.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion