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Sky Shield: Eine Luftabwehr für Europa

28. September 2023

Das von Deutschland initiierte Luftabwehrsystem Sky Shield soll den NATO-Schutzschirm für Europa stärken. Was muss man über die Initiative wissen, die als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine gestartet wurde?

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Israel Arrow Raketensystem/Hatzor Luftstützpunkt
Das Raketenabwehrsystem Arrow 3 soll für einen besseren Schutz sorgenBild: ZUMA/IMAGO

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat den Krieg nach Europa zurückgebracht – und ein Schlaglicht auf die Verteidigungsfähigkeit der NATO sowie Europas geworfen. Nun wird aufgerüstet, werden neue Verteidigungsstrategien vorbereitet. Dazu gehört der Schutz vor möglichen russischen Raketen-Angriffen, falls der Krieg um die Ukraine eskaliert und es zu einer Konfrontation mit Moskau kommen sollte.

19 europäische Länder beteiligen sich

Doch im NATO-Schutzschirm für Europa gibt es Lücken. Das Luftverteidigungssystem European Sky Shield Initiative, ESSI, das Deutschland im Oktober 2022 angestoßen hat, soll sie schließen. 15 Länder unterzeichneten damals am Rande eines NATO-Treffens in Brüssel eine Absichtserklärung zum Aufbau einer europäischen Luftverteidigung.

Neben Deutschland waren es: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Rumänien sowie die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Später schlossen sich Dänemark, Schweden, Österreich und die Schweiz der Initiative an.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "Sicherheitsgewinn für ganz Europa" und argumentiert, eine europäische Luftverteidigung sei kostengünstiger und leistungsfähiger, als wenn jeder Staat seine eigene, teure und komplexe Luftverteidigung aufbaue. Frankreich, Italien und Polen machen allerdings bislang nicht mit. Paris kritisiert, dass es kein rein europäisches Projekt werden soll, sondern auch Technologie aus Israel und den USA eingekauft wird.

Ziel des Sky Shield ist es, möglichst koordiniert Abwehrsysteme kurzer, mittlerer und großer Reichweite anzuschaffen, um alle Bedrohungen aus der Luft abwehren zu können. Das Bundesverteidigungsministerium definiert auf seiner Homepage als kurze Reichweite eine Distanz von bis zu 15 Kilometern und eine maximale Höhe von sechs Kilometern. Eine mittlere Reichweite beträgt demnach 15 bis 50 Kilometer Entfernung und bis zu 25 Kilometer Höhe; als große Reichweite gelten mehr als 50 Kilometer Entfernung und bis zu 35 Kilometer Höhe.

IRIS-T zum Schutz vor Drohnenangriffen

"In allen drei Bereichen bestehen Fähigkeitslücken, die durch ESSI geschlossen werden sollen, beziehungsweise sind bereits Fähigkeiten vorhanden, die aber ausgebaut oder gestärkt werden sollen", schreibt das Bundesverteidigungsministerium.

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in mehrere von Journalisten hingehaltene Mikrofone. Im Hintergrund sieht man die Fahnen europäischer Länder.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Sky Shield auf den Weg gebrachtBild: PIROSCHKA VAN DE WOUW/REUTERS

Für die kurze bis mittlere Reichweite sollen bestehende Abwehrsysteme durch modernere wie IRIS-T ersetzt werden. Das in Deutschland hergestellte Luftverteidigungssystem kann anfliegende Raketen, Marschflugkörper, Drohnen, Flugzeuge und Hubschrauber in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern und in einer Höhe von bis zu 20 Kilometern abwehren. 

Im Juni 2023 gab der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages für die Beschaffung von sechs solcher Einheiten grünes Licht. Bisher ist IRIS-T bei der Bundeswehr nicht im Einsatz. Die Luftwaffe ist allerdings mit dem System durch das Training ukrainischer Soldaten vertraut. Deutschland hat bisher zwei Einheiten an die Ukraine übergeben. 

In der weitreichenden Luftverteidigung verfügt die Bundeswehr über das weiterhin als effektiv geltende Waffensystem Patriot (Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target), das aber modernisiert werden soll. Das US-amerikanische bodengestützte Flugabwehrraketen-System wird gegen Flugzeuge, Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen eingesetzt. Patriot wurde ab 1984 bei zahlreichen nationalen Streitkräften eingeführt, einschließlich der Bundeswehr. 

Ein grünes panzerähnliches Kettenfahrzeug mit nach oben gerichteten Raketenträgern fährt über eine Wiese.
Das Flugabwehrsystem IRIS-T besteht aus Startgerät inklusive IRIS-T-Lenkflugkörpern auf einem Trägerfahrzeug Bild: Diehl Defence

Besonders bei der Abwehr von Marschflugkörpern muss nachjustiert werden. Aufgrund ihrer niedrigen Flughöhe und damit ihrer sehr späten Erfassung ist ihre Abwehr meist nur mit modernen Systemen wie Patriot oder IRIS-T möglich. Ein umfassender Schutz in der Fläche ist daher nach Angaben der Bundeswehr "enorm kostspielig und nur mit einer Vielzahl an Systemen möglich und verdeutlicht die Notwendigkeit eines multinationalen Ansatzes".

Arrow 3 gegen Raketen außerhalb der Erdatmosphäre

Eine weitere Lücke besteht in der Abwehr von Langstreckenraketen, die auch außerhalb der Erdatmosphäre ihre Ziele ansteuern können. "Diese muss schnell geschlossen werden, insbesondere, da Russland bereits über diese Waffen verfügt. Deutschland muss in der Lage sein, sich schneller als bisher geplant gegen die Bedrohung durch Flugkörper mit Reichweiten von mehr als 1000 Kilometern zu schützen", schreibt das Bundesverteidigungsministerium.

Das könnte das US-israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 leisten, das bis Ende 2025 in Deutschland einsatzfähig sein soll. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein israelischer Kollege Joav Galant unterzeichneten am 28. September in Berlin eine Vereinbarung für den Kauf. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv handelt es sich um das bislang größte Rüstungsgeschäft des Landes. Es beläuft sich auf ein Volumen von 3,3 Milliarden Euro. Der Kauf gilt auch als Symbol für die enge Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland.

Arrow 3 wurde gemeinsam von Israel und den USA entwickelt. Erstmals kam es 2017 auf einem israelischen Luftwaffenstützpunkt zum Einsatz. Anders als das Raketenschutzschild Iron Dome (Eiserne Kuppel), das Israel vor allem vor Angriffen aus dem Gazastreifen und dem Libanon schützt, ist das Arrow-System zur Abwehr von Langstreckenraketen konzipiert. 

Arrow 3 kann angreifende Raketen bis zu einer Höhe von etwa 100 Kilometern im beginnenden Weltraum zerstören und hat eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometern. Wegen der deutlich höheren Reichweite als das bisher in Deutschland eingesetzte Patriot-Luftabwehrsystem und das System IRIS-T ist Arrow 3 eine wichtige Ergänzung für die deutsche Raketenabwehr. Ähnlich wie Patriot funktioniert Arrow 3 in einem Zusammenspiel aus einer mobilen Startvorrichtung, einem mobilen Leitstand, einer mobilen Radarstation und Lenkflugkörpern.

Eine unsichtbare Kuppel für ein möglichst großes Gebiet

Die Nationen der European Sky Shield Initiative wollen gemeinsam die notwendigen Waffensysteme beschaffen, die dann zusammen möglichst kostengünstig ein großes Gebiet abdecken sollen. Dabei wird darauf geachtet, welches Land welchen Bedarf hat. Die ESSI-Mitglieder vereinbarten auch, sich gegenseitig mit Waffensystemen und der entsprechenden Munition zu unterstützen. Durch die gemeinsame Beschaffung und Instandhaltung sollen Einkaufs- und Betriebskosten gesenkt werden. In Deutschland ermöglicht das 100 Milliarden Euro schwere, schuldenfinanzierte Sondervermögen für die Bun­deswehr die Investition in eine moderne Luftverteidigung.

Dieser Artikel wurde aktualisiert und enthält nun auch die Unterzeichnung des Arrow-3-Abkommens zwischen Deutschland und Israel am 28. September 2023.

Ralf Bosen, Redakteur
Ralf Bosen Autor und Redakteur