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Skype - der Absturz des Videostars

16. August 2021

Skype war lange der Inbegriff für Videotelefonie. Doch ausgerechnet als Videochats in der Pandemie zum Massenphänomen werden, spielt Skype keine Rolle mehr. Wie konnte das passieren?

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Symbolbild Skype-Nutzer
Bild: Thiago Prudencio/ZUMAPRESS.com/picture alliance

"Lass uns skypen", sagte man früher. Seit Beginn der Pandemie heißt es nur noch: "Lass uns zoomen."

Mit dem kometenhaften Aufstieg von Zoom Video Communications hatten nur wenige gerechnet. 2011, im Jahr seiner Gründung, hatte das US-Startup noch Schwierigkeiten, Geldgeber zu finden. Der Markt für Videotelefonie sei schon gesättigt, hieß es damals. Im selben Jahr zahlte der Softwareriese Microsoft 8,5 Milliarden Dollar für die Übernahme von Skype, damals der Platzhirsch der Videotelefonie.

Seitdem ging es für Skype abwärts, während Zoom ständig zulegen konnte. Auf eine Milliardenbewertung 2017 folgte zwei Jahre später der Börsengang. Inzwischen ist Zoom mehr als 100 Milliarden Dollar wert und gibt die Zahl seiner täglichen Nutzer mit 300 Millionen Menschen an - Corona sei Dank.

Einfach erfolgreich

Denn in der Pandemie, als wegen der Lockdowns selbst Großeltern sich für Videochats zu interessieren begannen, war Zoom besonders einfach zu bedienen.

"Zoom konnte man einfach im Browser nutzen", sagt Eva-Maria Weiß, Fachredakteurin beim Tech-Portal Heise Online. "Alles was man brauchte, war ein Einladungslink, da klickte man drauf und konnte direkt loslegen. Das war idiotensicher."

Selbst als Probleme mit der Datensicherheit bekannt wurden, tat das dem Erfolg des Dienstes keinen Abbruch. Dass Zoom schon früh Gruppenchats möglich machte, Anfangs mit bis zu acht Personen, machte es in der Pandemie dann unentbehrlich - und zwang andere Anbieter dazu, rasch ähnliche Funktionen nachzurüsten.

Zoom-Gruppenfoto | Online-Bewerbungstag für Arbeitgeber*innen und Studentinnen mit Behinderung
Zoom-Konferenz mit vielen TeilnehmernBild: Hildegardis-Verein/Agathe Lukassek

Zwar konnte auch Skype zunächst von der Pandemie profitieren und die Zahl seiner täglichen Nutzer im März 2020 auf rund 40 Millionen steigern, ein Plus von 70 Prozent gegenüber dem Vormonat. Doch inzwischen veröffentlicht Microsoft für Skype keine Nutzerzahlen mehr - ein Indiz für die sinkende Beliebtheit des Dienstes.

Langer Abstieg

Skype war aber schon vorher angeschlagen. Auf mobilen Geräten lief die App nicht rund und geriet gegenüber den Videochat-Funktionen von Whatsapp oder Facebook-Messenger ins Hintertreffen.

Skype hatte die Bedeutung des mobilen Internets verschlafen - wie zunächst auch die Konzernmutter Microsoft. "Das Internet wurde für den PC entwickelt, nicht für das iPhone", hatte der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer 2009 noch getönt.

Man kann den Niedergang von Skype daher mit der Unfähigkeit des Großkonzerns Microsoft begründen, den teuer eingekauften Videodienst zum Erfolg zu führen. Tech-Expertin Eva-Maria Weiß hält es dagegen für wahrscheinlicher, dass sich Microsoft bewußt gegen Skype entschieden hat - zugunsten seiner Kommunikationssoftware Teams. "Bei Teams ist alles eingegangen, was Skype vorher konnte, und noch viel mehr."

In der Tat hat Microsoft schon 2016 begonnen, bei Skype Stellen abzubauen und Büros zu schließen. 2017 kündigte der Konzern dann an, die Bezahlversion "Skype for Business" mittelfristig durch Teams ablösen zu wollen.

Dann wurde 2019 bekannt, dass Microsofts Sprachassistent Cortana Skype-Gespräche und Nachrichten abhören konnte, ohne Nutzer zu informieren. Cortana, damals noch ein Konkurrenzprodukt zu Apples Siri und Amazons Alexa, wurde kurz darauf eingestellt.

Teams statt Skype

Für "Skype for Business" sollte eigentlich im Juli 2021 das letzte Stündlein geschlagen haben. Wegen der "Herausforderungen der Pandemie" habe man diese Frist aber verlängert, der Dienst bleibe bis auf weiteres verfügbar, so Marie-Thérèse Fontaine, Produktmanagerin bei Microsoft Deutschland, gegenüber der DW.

Doch sie lässt keinen Zweifel daran, dass sich Microsoft entschieden hat - gegen Skype, für Teams. "Teams kann viel mehr als Skype. Teams ist unsere Weiterentwicklung und unser Hub für Teamarbeit." Laut Firmenangaben hat der Dienst inzwischen 145 Millionen tägliche Nutzer.

Überkommunikation im Homeoffice

Man wird bei Microsoft wohl niemanden finden, der die Milliardenübernahme von Skype öffentlich als Fehlinvestition bezeichnen wird - zumal ja viele Skype-Technologien in Teams eingeflossen sind. Aber laut Fontaine geht es eben nicht mehr nur um Videotelefonie, sondern um Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Idee hinter Teams ist, dass Nutzer das Programm nicht verlassen müssen, ganz egal, ob sie Nachrichten schreiben, Texte und Tabellen erstellen und konferieren.

"Viel Chaos"

Als kluger Schachzug erwies sich für Microsoft, Teams einfach kostenlos seinem weltweit verbreiteten Office-Paket beizulegen und außerdem eine abgespeckte Version für die Nutzung im Webbrowser anzubieten. So konnte Teams am Konkurrenzprodukt Slack vorbeiziehen, das sich einst große Hoffnungen auf die Führungsposition im Softwaremarkt für vernetztes Arbeiten machte, doch die Pandemie nicht für sich nutzen konnte. Im Juli wurde Slack dann für rund 27 Milliarden Dollar vom Cloud-Software-Anbieter Salesforce übernommen. Wie es nun weitergeht, ist noch unklar.

Im Produktmanagement großer Tech-Konzerne sei es aber normal, dass sich die Angebote ständig ändern, sagt Fachjournalistin Eva-Maria Weiß. "Immer wieder werden Produkte weiterentwickelt, umbenannt, mit anderen Diensten zusammengeführt oder auch eingestellt. Da herrscht viel Chaos, bei Microsoft genauso wie bei Google und anderen Konzernen."

Laut Microsoft gibt es noch keine Pläne, was aus Skype für Privatanwender wird. Weiß zumindest glaubt, dass Skype bald stirbt. "Ich bezweifle, dass Microsoft Skype retten möchte. Skype wird einfach ersetzt, das brauchen wir nicht mehr."

DW hat die ursprünglichen Gründer und Entwickler von Skype, die den Dienst 2003 auf den Markt brachten und zwei Jahre später für 2,6 Milliarden Dollar an Ebay verkauften, um ihre Einschätzung gebeten. Keiner der fünf Männer wollte sich äußern.

Krieger verliert sich im Chat

 

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.