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Slowakei will klagen

23. September 2015

Mit einer Klage will sich die Slowakei gegen den Beschluss zu Flüchtlingsquoten wehren. Deutschland droht ein Verfahren wegen seiner Asylpolitik. Auf dem Flüchtlingsgipfel stehen den EU-Staaten harte Verhandlungen bevor.

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Flüchtlingscamp in Brüssel (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Trotz eines Beschlusses zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa streitet die EU weiter über den richtigen Kurs in der Asylpolitik. Unmittelbar vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingsfrage äußerten mehrere Länder ihren Unmut über den Mehrheitsentscheid der EU-Innenminister. Die Slowakei kündigte sogar an, klagen zu wollen.

"Die slowakische Regierung wird den rechtlich bindenden Akt nicht umsetzen, den die Innenminister per Abstimmung beschlossen haben, sondern sie wird dagegen eine Klage erheben. Darauf haben wir ein Recht", erklärte der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico. Heftig kritisierte er auch die Entscheidungsfindung: "Es ist noch nie vorgekommen, dass Meinungen, für die Länder rationale Argumente hatten, von einer Mehrheit einfach niedergewalzt wurden, nur weil sie nicht fähig war, einen Konsens zu finden."

Erfolg auf Kosten vierer Staaten

Am Dienstag hatten die EU-Innenminister nach wochenlagen Diskussionen eine Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf alle Mitgliedsstaaten beschlossen - gegen die Stimmen von Ungarn, Rumänien, Tschechien und der Slowakei. Eine solche Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit ist ein Novum für die EU. Wichtige Einigungen in der europäischen Asylpolitik wurden bis dahin stets im Konsens aller Staaten beschlossen.

Diese Praxis beanstandete auch Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis. "Ich glaube nicht, dass verpflichtende Quoten, die durch Abstimmung festgelegt wurden, das Problem lösen. Diese mathematische Aufteilung lässt sehr wichtige Faktoren unberücksichtigt", sagte er in Bukarest vor dem Abflug zum Brüsseler Gipfeltreffen. "Wir bedauern, dass diese Entscheidungen durch eine Mehrheitsabstimmung getroffen wurden und nicht durch Konsens, nach Verhandlungen." Eine Klage plane seine Regierung jedoch nicht. Rumänien müsste nach der Entscheidung der EU-Innenminister zusätzlich 2475 Flüchtlinge aufnehmen. Insgesamt sollen damit knapp 5000 Menschen in dem Balkanstaat Asyl bekommen. Zuletzt hatte Rumäniens Regierung erklärt, nicht mehr als 1785 Flüchtlinge aufnehmen zu können.

Auseinanderfallen verhindern

Tschechien kündigte unterdessen an, den Mehrheitsbeschluss zu akzeptieren. Es sei nicht seine Absicht, die Spannungen in der EU durch eine Klage zu verschärfen, begründete Ministerpräsident Bohuslav Sobotka seine Entscheidung. "Europa darf wegen der Flüchtlingskrise nicht auseinanderfallen." Ohne kritische Worte ließ aber auch Sobotka die Entscheidung der EU-Innenminister nicht stehen. So betonte er: "Man kann den Bogen nur bis zu einem bestimmten Punkt spannen, danach reißt er."

Polen hatte sich nicht seinen osteuropäischen Nachbarn angeschlossen und stattdessen für die Verteilung der Flüchtlinge gestimmt. Europaminister Rafael Trzaskowski teilte mit, Polens wichtigste Bedingungen seien erfüllt worden. "Polen wird das Recht haben, Personen abzuweisen, bei denen auch nur der Schatten eines Verdachts besteht, dass sie die Sicherheit des Staates gefährden könnten", erklärte er. Die Opposition nannte die Zustimmung der Warschauer Regierung zu dem EU-Plan "skandalös". "Seit gestern ist der Aufbau von Solidarität und Vertrauen in der Region schwieriger geworden", verkündete Beata Szydlo, Spitzenkandidatin bei den Parlamentswahlen im Oktober für die nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit".

Flüchtlinge bei Tovarnik an der kroatisch-serbischen Grenze (Foto: Reuters)
An der kroatisch-serbischen Grenze kommen viele Flüchtlinge nicht weiter - die Übergänge sind geschlossenBild: Reuters/B. Filipovic/Stringer

Kroatien überlastet

Aktuell liegt der Fokus der sogenannten Balkanroute weiter auf Kroatien. Dort hat die Zahl der an einem Tag ankommenden Flüchtlinge einen neuen Rekord erreicht. Am Dienstag überquerten mehr als 8700 Schutzsuchende die Landesgrenze, wie das Innenministerium mitteilte. Binnen einer Woche erreichten damit 44.000 Flüchtlinge Kroatien.

Mit der Schließung der Grenzübergänge ist vor allem Nachbar Serbien nicht einverstanden. Die Regierung in Belgrad beschuldigte Zagreb, "eine Art Handelskrieg" und "wirtschaftliche Aggression" zu betreiben. Das habe es nur zu Zeiten der Jugoslawienkriege in den 90er Jahren gegeben, kritisierte der serbische Außenminister Ivica Dacic.

Klage gegen 19 EU-Staaten

Unterdessen hat die EU-Kommission angekündigt, gegen 19 EU-Staaten vorgehen zu wollen - wegen Verstößen gegen die europäischen Asylgesetze. Insgesamt würden 40 Verfahren eröffnet, weil die Staaten die gemeinsame Asylgesetzgebung nicht korrekt umgesetzt haben, teilte die EU-Behörde in Brüssel mit. Auch gegen Deutschland sollen zwei Erfahren eröffnet werden, weil es die EU-Richtlinien zu Asylverfahren und zur Aufnahme von Asylbewerbern in der Praxis ungenügend beachtet habe. Darin sind etwa Mindestnormen für die Aufnahme von Flüchtlingen festgelegt.

"Es ist an der Zeit, dass sich die Mitgliedstaaten der Herausforderung stellen und tun, was sie tun müssen", erklärte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans in Brüssel. "Unser gemeinsames Asylsystem kann nur funktionieren, wenn alle sich an die Regeln halten." Nur fünf EU-Staaten setzten derzeit die EU-Asylvorgaben vollständig um, beklagte er.

EuGH als letzte Konsequenz

Spanien und Bulgarien steht die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) durch die Kommission vermutlich in Kürze bevor. Bei allen anderen Staaten ist zunächst der erste Schritt in die Wege geleitet. Die betroffenen Staaten haben nach Eintreffen des Mahnschreibens zwei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gegebenenfalls ihre Praxis zu ändern. Ist die Kommission weiter nicht zufrieden, kann sie eine weitere ausführlich begründete Warnung an das Mitgliedsland verschicken und nach weiteren zwei Monaten Klage vor dem EuGH einreichen. Bekommt die Kommission Recht, drohen dem betroffenen Land Geldbußen.

nin/uh (dpa, afp, rtr)