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Politik

Wer nicht für uns schreibt, ist gegen uns

Norbert Mappes-Niediek
7. Mai 2020

In Slowenien reißen die Attacken gegen Journalisten nicht ab. In der Kampagne, die von der Regierung gegen die unabhängige Presse geführt wird, werden sogar internationale Medien als feindliche Truppen wahrgenommen.

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Pressefreiheit - Symbolbild
Bild: picture-alliance/EPA/N. Bothma

Den Journalisten Blaž Zgaga mit dem Freiheitspreis auszuzeichnen sei, "als wenn man einem Frauenmörder einen Preis für Frauenrechte geben würde". Abgesetzt hat den beleidigenden, wenngleich arg gesuchten Tweet kein betrunkener Troll um Mitternacht, sondern ein Urgestein der slowenischen Politik namens Branko Grims, Abgeordneter der regierenden "Slowenischen Demokratischen Partei" (SDS) unter Janez Janša, ein studierter Geologe von 57 Jahren. Der Ton ist Alltag: Selbst Regierungschef Janša hatte Zgaga aus dem Amt heraus öffentlich als Lügner bezeichnet, der die "ganze Journo-Community stärker diskreditiert" habe als "jede andere Figur in der slowenischen Geschichte". Jetzt darf ihm jeder nachdichten.

Journalistinnen als "billige Nutten" beschimpft

Eingetragen hat dem Journalisten den Angriff, dass er Regierungspolitikern bei der Beschaffung von Atemschutzmasken und Beatmungsgeräten Chaos und Vorteilsnahme vorgehalten hat. Dass er letzte Woche von der "Deutschen Welle" mit dem "Freedom of Speech Award" ausgezeichnet wurde, heizte die Attacken noch an. Ein Feind war Zgaga längst vorher: Wer, wie der bekannte Enthüllungsjournalist, vor mehr als zehn Jahren in einer Korruptionsaffäre um einen Panzerkauf im Umfeld von Janša recherchierte, darf und muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Nicht als Beobachter wird er wahrgenommen, sondern als gegnerischer Spieler. Hier wir, dort die "Journo-Community": Schon der kritische Zugang, das Nach- und Hinterfragen wird vom Lager des Regierungschefs als Kriegserklärung aufgenommen.

Demnach stehen Journalisten nicht neben dem politischen Geschehen, sie beobachten und kommentieren es nicht, sondern sind mit jeder Recherche, mit jedem Wort immer schon Mitspieler. Sie gehören zu unserer oder zur anderen Mannschaft: Seit Mittwoch ist diese Sicht in Slowenien sogar gerichtsnotorisch. Zwei Redakteurinnen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens müssen sich, wie der Oberste Gerichtshof jetzt urteilte, von Janša öffentlich als billige Nutten beschimpfen lassen. "Auf einigen Facebook-Seiten", hatte der damalige Oppositionsführer getwittert, "bieten Bordelle günstige Dienste von ausgedienten Prostituierten an", und dann die beiden Journalistinnen namentlich genannt. Die eine tue es für 30 Euro, die andere für 35. Das sei okay, befanden die Richter: Schließlich handele es sich um eine Auseinandersetzung im öffentlichen Raum.

Blaz Zgaga Journalist
Der slowenische Investigativ-Reporter und FOSA-Preisträger Blaž ZgagaBild: Nacional/Zomislav Čuveljak

Freund oder Feind

Neutral kann, wer so angegriffen wird, auf Dauer nicht bleiben. So führen die Attacken erst herbei, was sie unterstellen: Dass Journalisten nur entweder Feinde oder Freunde sind. Freunde sind zwei Kanäle des Fernsehsenders Nova24, einige Zeitungen wie das SDS-Parteiblatt Demokracija sowie rund zwanzig Internet-Portale, unter ihnen das bislang als seriös wahrgenommene Siol.net, Eigentum der staatseigenen Telekom. Seit die neue Regierung den Wechsel des Chefredakteurs erzwang, steht auch Siol.net jetzt im Janša-Lager.

Das kleine Alpenland hat kaum mehr als zwei Millionen Einwohner. Die Presselandschaft ist überschaubar. Von den sieben Zeitungen im Land haben zwei eher regionale Bedeutung. Delo (Die Arbeit), das Flaggschiff, ist betont seriös und zurückhaltend. Hart umkämpft ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wo die Journalisten ihre Unabhängigkeit täglich verteidigen müssen. Die Attacken der Janša-Partei auf die journalistische Zunft des Landes haben eine lange Geschichte. Als der heute 61-Jährige 2004 zum ersten Mal Regierungschef wurde, wehrten sich mehr als 500 Journalisten, praktisch der gesamte Berufsstand, mit einer Petition gegen die Übergriffe auf ihre Freiheit. 2015 wechselte Janša die Taktik und betrieb die Gründung eines eigenen Fernsehsenders, Nova24, der sich als schriller Lautsprecher seiner rechtspopulistischen Partei hervortat. Wechsel vom Medium in die Partei und zurück sind gang und gäbe; der ehemalige Direktor von Nova24, Aleš Hojs, wurde jetzt Innenminister. Mit der journalistischen Szene des Landes haben die Nova24-Leute kaum etwas zu tun. Sie organisieren sich in einem eigenen "vaterländischen" Journalistenverband, der nach mehrjähriger Pause mit dem Antritt der neuen Regierung Mitte März erstmals wieder in Aktion trat.

In der Kampagne, die die Regierung gegen die Journalisten führt, werden sogar internationale Medien als feindliche Truppen wahrgenommen - so der deutsche "Spiegel" und der britische "Guardian", die schon kurz nach Janšas Machtübernahme über die Attacken auf die Presse berichtet haben. Erwartungsgemäß trifft es jetzt auch die "DW": "Im Krieg gegen Janša", schrieb das Internet-Portal Domovina (Heimat), "ist es linken Aktivisten gelungen, zwei angesehene ausländische Medien auf ihre Seite zu ziehen." Namentlich werden "The Guardian" und die "Deutsche Welle - DW" erwähnt.