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Snap-Börsendebüt gespenstisch erfolgreich

Sophie Schimansky
2. März 2017

Das Tech-Unternehmen Snap hat an der Börse einen fulminanten Start hingelegt. CEO Evan Spiegel verspricht Investoren eine Erfolgsgeschichte wie Facebook. Doch Snap birgt viele Risiken. Aus New York Sophie Schimansky.

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USA | Symbolbild Börsengang Snapchat
Bild: Getty Images/D. Angerer

Was passiert, wenn ein Gespenst an die Börse geht? Menschen aus Fleisch und Blut drehen durch. Sie drängten sich am Donnerstagmorgen auf dem New Yorker Börsenparkett, um einen Blick auf die beiden Snap-Gründer Bobby Murphy und Evan Spiegel zu erhaschen. Letzterer wurde von Freundin und Model Miranda Kerr begleitet.

"Die Aufregung unter Anlegern ist groß", sagte Händler Peter Costa. Auch eine Stunde nach Handelsbeginn an der Börse gab es noch keinen Kurs für die Snap-Aktie. Der Preisfindungsprozess war kompliziert, Käufer und Verkäufer mussten "gematcht" werden. Je heißer die Nachfrage, desto länger kann das dauern.

Angepeilt war ein Ausgabekurs zwischen 14 und 16 Dollar, tatsächlich lag er bei 17 Dollar. Dann endlich war es soweit: Der Wert der Snap-Aktie sprang sofort zur Eröffnung um 44 Prozent nach oben - von 17 Dollar auf rund 24,50 Dollar. Damit ist das Unternehmen nun mit mehr als 24 Milliarden Dollar bewertet.

Börsengang mit Risiken

Von dieser Euphorie war der Börsengang von Snap bereits im Vorfeld begleitet. Schon in den privaten Finanzierungsrunden konnte Snap insgesamt 3,4 Milliarden Dollar von mehr als zwanzig Investoren einsammeln, unter anderem von Jack Mas chinesischer Handelsplattform Alibaba. Bei der letzten Finanzierungsrunde im Mai 2016 war Snap noch 17,8 Milliarden Dollar wert.

Doch der Börsengang birgt Risiken für Snap und dessen Anleger, fürchten Analysten. "Das Geschäftsmodell von Snap ist keinesfalls ausgereift", sagt Everett Wallace, Gründer der Firma Triton Research, die Daten über private Unternehmen für deren Investoren erhebt.

Mit der Snapchat-App können Nutzer kurze Videos versenden, die sofort gelöscht werden, nachdem sie einmal angesehen wurden. Besonders beliebt: Die Filter, mit denen man sich Blumenkränze, Hundeohren oder Schnurrbärte aufsetzen kann. Snap hat sein Portfolio außerdem erweitert um eine Drohne und eine Sonnenbrille mit Kamera, die Snaps aufzeichnet und gleich postet.

USA | Symbolbild Börsengang Snapchat
Die Wall Street heißt Snap willkommen. Bild: Getty Images/D. Angerer

Wie Twitter oder wie Facebook?

Umsatz macht Snap mit Werbung, die in den sogenannten Stories der Nutzer angezeigt werden. Mit konkreten Zahlen hält sich das Unternehmen zurück, Analysten schätzen, dass Snap im vergangenen Jahr 500 Millionen Dollar Verlust gemacht hat.

Das klingt verdächtig nach Twitter. Die Plattform scheitert seit Gründung in 2006 daran, profitabel zu werden. In den jüngsten Quartalsergebnissen meldete Twitter einen Verlust von 103 Millionen Dollar oder 15 Cent pro Aktie. Der Aktienkurs beim Börsengang im November 2013 lag bei 26 Dollar pro Aktie. Heute liegt er bei rund 16 Dollar.

Doch Snap-Chef Spiegel verbreitete vor dem Börsengang Optimismus. "Wir werden ein Facebook an der Börse, kein Twitter", sagte er in einem Interview Anfang des Jahres. Facebook stieg beim Börsengang mit 36 Dollar ein und liegt nun bei rund 127 Dollar. Davon träumen die Snap-Investoren nun.

Instabiles Umfeld

"Ich würde aus vielen Gründen nicht in Snap investieren", sagt dagegen Tech-Analyst Rob Enderle von der Enderle Group. Das wirtschaftliche Umfeld sei instabil. Die Unsicherheit nach dem politischen Wechsel durch Donald Trump, die steigenden Zinsen, die alternative Anlageformen wieder attraktiver machen, Erwartungen für einen volatilen Markt in 2017  - all das würde Investoren Angst machen, sagt Enderle.

Nicht viele Tech-Unternehmen haben sich in letzter Zeit an die Börse getraut. In 2016 waren es 26 Stück. Insgesamt haben sie gerade mal 4,3 Milliarden Dollar eingesammelt, so wenig wie seit 2009 nicht mehr, so die New Yorker Analysefirma Dealogic.

Selbst die inzwischen milliardenschweren Techunternehmen AirBnB und Uber warten noch ab. Letzteres konnte mehr als doppelt soviel bei Investoren einsammeln wie Snap. Evan Spiegel ignoriert das. So wie die Investoren die Risiken im Geschäftsmodell zu ignorieren scheinen.

150 Millionen Nutzer

Immerhin ist bei Snap Luft nach oben. Die Nutzerzahlen wachsen zügig, im Gegensatz zu denen von Facebook und Twitter. Täglich nutzen 150 Millionen Menschen rund um den Globus Snapchat. Damit hat die App den Konkurrenten Twitter bereits hinter sich gelassen. "Innerhalb kürzester Zeit hat Snap einen beachtlichen Marktanteil erreicht", sagt Analyst Everett Wallace. Laut einer Studie von Nielsen nutzen mehr als 30 Prozent der Amerikaner, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, Snapchat.

Das sind gute Aussichten, denn Reichweite bedeutet Werbeeinahmen - die bislang einzige Einnahmequelle für Snap. Snapchat wird viel privat genutzt, aber seit 2015 können auch Medienunternehmen ihre Geschichten hochladen. Das Ziel: "Nutzer sollen sich morgens anmelden und sich erst abends wieder abmelden", sagt Wallace.

Egal ob Twitter, Facebook oder Snap - über Erfolg oder Misserfolg an der Börse entscheiden letztlich die Werbeeinnahmen. Twitter machte damit im letzten Quartal 638 Millionen Dollar Umsatz, Facebook hingegen 8,6 Milliarden.

Wieviel Geld Snap mit Werbung verdient, muss die Firma nun alle drei Monate bekanntgeben. Den Investoren mutet Snap einiges zu. Die Aktien sind nicht mit Stimmrechten verbunden. Damit können sie nicht abstimmen, wenn es zum Beispiel um Zukäufe oder andere Unternehmensentscheidungen geht. "Ich will nicht das Worst-Case-Szenario heraufbeschwören", sagt Händler Peter Costa, "aber ich bezweifele, das das langfristig interessant bleibt für Investoren".