So schützt sich Köln vor dem Hochwasser
29. Juli 2016Flüsse gehören oft zum ikonischen Stadtbild großer Städte. So auch der Rhein für Köln. Doch immer wieder treten die Wasserstraßen über ihre Ufer und verwüsten ganze Stadtteile. In Köln kam es zuletzt 1993 und 1995 zu einem großen Hochwasser. Wie schützt sich die Großstadt vor den drohenden Wassermassen, ohne durch einen Deich den Blick auf den Rhein einzubüßen?
Henning Werker, Leiter der Hochwasserschutzzentrale in Köln, erklärt im Interview wie sich Hochwasserschutz, ohne zu stören, in das bei Touristen beliebte Rheinufer integrieren lässt, und wie sich 1000 Helfer bei einem Ernstfall koordinieren lassen. Treffpunkt ist der Kölner Pegel: Zum Zeitpunkt des Gesprächs steht der Zeiger bei einem Rheinwasserstand von 3,20 Meter - Normalniveau.
Deutsche Welle: Wann war klar, dass die Stadt Köln ein umfangreiches Konzept für den Hochwasserschutz braucht?
Henning Werker: Ich habe die Hochwasser 1993 und 1995 live miterlebt. Damals war die Hochwasserschutzzentrale keine eigene Organisationseinheit, wie sie es jetzt ist. Sie bestand schlichtweg aus zwei Leuten, die am Telefon gesessen haben, aber eigentlich etwas ganz anderes bearbeitet haben.
Das änderte sich dann, als das Hochwasser 1993 kam und die erste Überflutung des Kölner Stadtgebietes anstand. Bei den Ereignissen 1993 und 1995 war mit 10,70 m der Hochwasserstand von 1926 erreicht. Man spricht von sogenannten Jahrhunderthochwassern.
Wie viele Kölner Bürger sind bei derartigen Hochwasserereignissen gefährdet?
Unmittelbar vom Hochwasser sind bei extremen Wasserständen bis zu 200.000 Einwohner betroffen. Wenn unser Hochwasserschutz auf ganzer Linie versagt, also bei einem Wasserstand von über 11,90 m, rechnen wir also auch damit, dass sich etwa 200.000 Kölner im Überflutungsgebiet befinden und evakuiert werden müssen.
Wie haben Sie auf die Hochwasser 1993 und 1995 reagiert?
1993 als das erste große Hochwasser in die Kölner Altstadt schwappte, ging überall der Strom aus. Die Leute, die dort in den Häusern wohnen, waren nur noch über Stege und über Boote erreichbar. Da der Strom ausgefallen war, hatten sie auch keine Heizung und mussten frieren, da es Winter war. Aus dem Grund wurde direkt nach dem Hochwasser ein Verteilerkasten hochwasserfrei hochverlegt. Das heißt die Unterkante dieses Verteilerkastens liegt oberhalb des damals entstandenen maximalen Rheinwasserpegels.
Jetzt mit der neuen Hochwasserwand, die wir 2008 fertig gestellt haben, ist diese Maßnahme nicht mehr erforderlich, weil wir den Schutz durch eine feste Wand sicherstellen, die auch für deutlich höhere Wasserstände stabil ist. 1993 und 1995 waren Wasserstände von 10,70 Meter verzeichnet. Jetzt haben wir einen Schutz bis 11,30 Meter.
Wie schützen Sie die Stadt vor Hochwasser, ohne den Bürgern und Touristen die Sicht auf den Rhein zu verbauen?
Natürlich wollten wir durch den Hochwasserschutz die Stadt selber nicht verändern. Wir wollen ja nicht 'Köln hinterm Deich' heißen, sondern 'Köln am Rhein'. Das hat dazu geführt, dass wir am Rheinufer Maßnahmen für den Hochwasserschutz quasi unsichtbar integriert haben. Erst bei einem Hochwasserereignis stellen wir mobile Schutzwände auf. Mobile Elemente wie Stützen und Dammbalken aus Aluminium und fertig gepackte Sandsäcke deponieren wir in stadtnahen Lagerhallen.
Die Hochwasserschutzzentrale ist für die Koordination aller Schutzmaßnahmen bei einem Hochwasserereignis verantwortlich. Wie funktioniert das?
Bei einem Hochwasserereignis sind ganz viele Menschen beteiligt. Allein sechshundert Leute bauen mobile Wände auf. Fast 200 Helfer machen Verkehrssperrungen, und bauen Absperrungen und Stege auf. Weitere 150 sind in Reserve, um Sandsäcke zu füllen und an die Bevölkerung zu verteilen. Das sind fast 1000 Menschen mit über 1000 Einzelmaßnahmen. Das alles verfolgen wir mit einem Betriebsführungssystem.
Dies überwacht, dass alle einzelnen Maßnahmen zur rechten Zeit an der richtigen Stelle von den richtigen Leuten ergriffen werden, sodass nachher ein Hochwasserschutz sichergestellt ist. Zudem überwachen wir das noch in der Hochwasserschutzzentrale. Dort sind schon bei kleinen Hochwasserereignissen rund um die Uhr die verschiedenen Verbindungspersonen in einem Raum, halten den Kontakt zu den Einsatzstellen, die überall in der Stadt verteilt sind, und koordinieren die Maßnahmen.
Gab es dieses Jahr schon Hochwasserereignisse, bei denen Sie tätig werden mussten?
Wir hier in Köln sind bisher in diesem Jahr verschont geblieben. Wir hatten zwar mehrere Hochwasserereignisse, aber das waren ganz normale Wasserstände, wie wir es jedes Jahr kennen. Wir wohnen an einem Fluss und der Fluss führt Wasser und das steigt schon einmal ein bisschen. Das ist ganz normal. Wir in den Stadtentwässerungsbetrieben gehen dann zwar trotzdem in den Hochwassereinsatz, weil wir Pumpen einschalten müssen, aber an der Oberfläche mobile Schutzwände aufzubauen war in diesem Jahr noch nicht erforderlich.
Wie wollen Sie die Bevölkerung für das Thema Hochwasser sensibilisieren, das sie nur alle paar Jahre mal betrifft?
In unserer Lagerhalle unter der Deutzer Brücke werden wir im Laufe des Jahres 2017 eine Hochwasserausstellung starten. Unser Ziel ist es, dass Interessierte sich zum Hochwasser kundig machen können und Schulklassen dort tagen können. Wir erleben häufig, dass Interesse besteht, sich mit Hochwasser zu beschäftigen. Mit einer Ausstellung direkt in der Altstadt mitten am Rhein wollen wir sensibilisieren und für das Umweltproblem Klimawandel mit den Folgen Starkregen, Hochwasser und Hitze aufmerksam machen.
Sind durch den Klimawandel häufigere Hochwasser zu erwarten?
Hinsichtlich des Klimawandels gibt es eine Untersuchung der internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), die aufzeigt, dass es kleinere Hochwasserereignisse in Zukunft häufiger geben wird. Künftig wird erwartet, dass die Großwetterlagen stabiler bleiben. Das heißt, wenn es mal heiß ist, bleibt es länger heiß. Das führt dann zu Hitzewellen und mehr heißen Tagen, aber wenn es mal regnet, bleibt es auch länger am Regnen. Das wiederum führt zu häufigeren Hochwasserereignissen und einer höheren Eintrittswahrscheinlichkeit. Ob es extreme Hochwasserereignisse häufiger geben wird, zeigen diese Berechnungen nicht.
Welche Rolle spielen die Medien im Hochwasserschutz?
Gerade die Medien sind besonders wichtig, denn irgendwie müssen wir den Kontakt zur Bevölkerung herstellen. Das geht einerseits durch Anrufbeantworter und andererseits durch Internetauftritte, aber vor allem auch über Presse, Funk und Fernsehen.
Bei großen Hochwasserereignissen finden regelmäßig Pressekonferenzen in der Zentrale der Einsatzleitung statt. So halten wir auch den Kontakt zu gefährdeten Bevölkerung, sodass sich jeder sicher fühlt. Am wichtigsten ist es, man weiß Bescheid, dass etwas passiert, und man weiß was man in der Situation tun kann. Gerade diese Informationen sind das A und O eines wirksamen Schutzes.
Das Interview führte Oleg Ködding-Zurmühlen
Henning Werker ist gelernter Bauingenieur und schon seit 30 Jahren für die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB) tätig. Seit September 2014 ist er Leiter der dortigen Hochwasserschutzzentrale.