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"Deutsche Politik versagt bei Solarkraft"

23. Dezember 2016

Europas Top-Forscher Eicke Weber gibt die Leitung des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ab. Im DW-Interview blickt er zurück auf die letzten zehn Jahre. Die deutsche Politik kommt dabei nicht gut weg.

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Eicke Weber Institutsleiter ISE
Eicke WeberBild: DW/G. Rueter

Deutsche Welle: Herr Professor Weber, seit zehn Jahren leiten Sie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Aus Altersgründen geben Sie die Leitung zum Jahresende ab. Wie blicken Sie zurück?


Eicke Weber: In groß er Dankbarkeit. Es war eine entscheidende Dekade. Strom aus der Sonne wurde kostengünstig, und an dieser Entwicklung konnte ich als Leiter von Europas führendem Solar-Forschungsinstitut an einer wichtigen Stelle teilnehmen.

Ein Ausdruck dieser Entwicklung war, dass innerhalb dieser zehn Jahre die Zahl der Mitarbeiter am Institut von knapp 500 auf über 1100 gewachsen ist. 

Wie bewerten Sie die Situation in der deutschen Solarbranche heute?

Problematisch. Die deutsche Politik überlässt die Solartechnik den Chinesen. Sie meint, dass dort die Herstellung in großen Mengen preisgünstiger sei. Hierbei verkennt die Politik allerdings, dass es in der Photovoltaik noch sehr viele technische Entwicklungen gibt, so dass sie noch effizienter und preiswerter wird. 

Mit der derzeitigen Politik setzen wir in Deutschland die technologische Spitzenstellung nicht um.

Der dafür erforderliche heimische Absatzmarkt wurde abgewürgt. Jetzt haben wir in Deutschland praktisch keine Hersteller mehr. Es gibt nur noch ein großes Photovoltaik-Unternehmen: Solarworld.

Infografik Deutschland verliert Führungsrolle in der Solarkraft

Die deutsche Solarindustrie war mal führend. Sie erlebten den Zusammenbruch.Welche Gefühle bleiben zurück?

Solange die Solarenergie eine Spielwiese war und man Kindern zeigen konnte, wie schön die Stromernte war, solange war die Solarenergie bei allen ein gehätscheltes Kind. Solange der Solarstrom 50 Cent pro Kilowattstunde kostete, wurde lächelnd gesagt, dass die Umwandlung von Sonnenenergie in Strom zwar eine schöne Sache ist, aber mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun hat.


Heute gibt es Solarstrom in Deutschland schon für sieben Cent und in Dubai schon für unter drei Cent pro Kilowattstunde. Damit gefährdet die Solarenergie die wirtschaftlichen Interessen milliardenschwerer Firmen weltweit, also der Ölkonzerne und bei uns der großen Strom- und Kohlekonzerne. Die haben massiv interveniert und in Deutschland ihre engen Verbindungen zu bestimmten Parteien genutzt. Die Politik hat dem Druck nachgegeben, zum Schaden der deutschen Volkswirtschaft.

Infografik Solarstrom weltweit günstig DEUTSCH

Ist der Lobbyeinfluss wirklich so stark?

Ja. Ein Beispiel ist die EEG-Umlage. Sie wurde 2003 eingeführt, um die Kosten des Solar- und Windstroms auf alle Stromkunden zu verteilen. Das war gut und richtig konstruiert. Im Jahr 2009 bekamen so Produzenten des erneuerbaren Stroms zehn Milliarden Euro, und die normalen Stromverbraucher zahlten dafür einen Zuschlag von 1,2 Cent pro Kilowattstunde auf den Strompreis.

Dann haben einflussreiche Kreise dafür gesorgt, dass die EEG-Umlage plötzlich viel stärker stieg, als es notwendig war. Sie liegt heute bei über sechs Cent pro Kilowattstunde. Deswegen kann man nun argumentieren, dass erneuerbare Energien viel zu teuer sind. Geschickt wurde so die politische Stimmung gegen die erneuerbaren Energien angeheizt.

Ein Trick der Verteuerung ist auch allen bekannt: Ab 2009 konnten sich alle stromintensiven Firmen von der Umlage befreien lassen. Und wenn man die Umlage auf immer weniger Schultern verteilt, dann zahlen am Schluss nur noch die einfachen Leute, die Hartz-IV-Empfänger sowie Handwerker und mittelständische Betriebe.

Aus ihrer Sicht ein komplettes Politikversagen?

Ja, richtig. Anstatt nach vorne zu gehen und wegweisende neue Industrien aufzubauen, klammert man sich an alten Industrien fest. Man verpasst hier die Möglichkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das finde ich irrsinnig und bedauerlich.

Eicke Weber Institutsleiter ISE
Eicke Webers Prognosen wirkten mal utopisch. Die Zahlen von heute geben ihm recht. Bild: DW/G. Rueter

Sie haben den Vorschlag einer X-Gigawattfabrik in Europa entwickelt: Eine moderne Fabrik sollte Solarmodule der neuesten Generation sehr günstig in großen Mengen produzieren. Ihr Vorschlag wurde aber nicht umgesetzt.

Das stimmt. Wir sind in Deutschland in der Lage, Solarmodule mit modernster Technik preisgünstiger herzustellen als in China. Die Chinesen können die alte Technologie preisgünstig herstellen. Aber die neuen Technologiegenerationen, die PERC- und die Heterojunktion-Technologien, ermöglichen eine höhere Effizienz bei günstigeren Produktionskosten - damit sind wir in Deutschland absolut konkurrenzfähig.

Ich war bei führenden Investitionshäusern, und die fanden den Businessplan und die Technologien auch fantastisch. Nur der Standort in Deutschland mit einem kleinen Absatzmarkt sei das Problem. Aus diesem Grund habe es keinen Sinn, in Deutschland Photovoltaik-Fabriken zu bauen.

Interesse an diesen neuen Techniken erleben wir derzeit allerdings in Kroatien, Türkei und dem Iran. Wie in China gibt es dort strategische Interessen, die Solarenergie zu fördern. Ich sehe große Möglichkeiten dort, wo große Märkte sind, auch in Ägypten, Saudi-Arabien und im arabischen Raum.

Prof. Dr. Eicke R. Weber nimmt den mit 1,5 Millionen US Dollar dotierten Zayed Future Energy Prize 2014 aus den Händen von Scheich Mohammed Bin Zayed Al Nahyan
Von Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan erhielt Weber den mit 1,5 Millionen Dollar dortierten Future Energy Prize 2014.Bild: Ryan Carter/Crown Prince Court

Sie sind Spitzenforscher und sehen Trends viel früher als andere. Wohin geht denn der Trend?

Die globale Energiewende ist unglaublich rasch auf dem Vormarsch. Ich persönlich erwarte, dass sie noch viel schneller kommt, als wir uns das alle vorstellen, und sie wird hauptsächlich angetrieben durch die Wirtschaft.

Die ganze Welt will dort Strom haben, wo er gebraucht wird - und das funktioniert mit Wind und Sonne gut. Auch will die Welt mobil sein mit dieser Energie, und hier gibt es Batterien und Wasserstoff als Speicher. Mit überschüssigem Strom lässt sich sehr günstig Wasserstoff erzeugen, Autos können damit schnell betankt werden, aber aus dem Auspuff tröpfelt dann nur noch Wasser.

Reicht das für den nötigen Klimaschutz?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Unsere führenden Klimawissenschaftler sind sehr skeptisch, ob wir es tatsächlich noch schaffen können, die Welt zu retten, bevor einige der Umschlagpunkte erreicht sind. Ich würde es mir wünschen.

Sie sind 67 und müssen die Institutsleitung aus Altersgründen jetzt abgeben. Was sind Ihre Pläne?

Prof. Dr. Eicke Weber mit Brennstoffzellenfahrzeug
Weber fährt schon mit Wasserstoff und Brennstoffzelle.Bild: Fraunhofer ISE

Ich gehe an die Universität von Kalifornien in Berkeley. Die Universität Singapur will eine Spitzenuniversität werden, hat deshalb mit Berkeley eine Kooperation vereinbart, besonders bei Energieeffizienz und erneuerbaren Energien.

Ich soll als Direktor die Zusammenarbeit und den Austausch voranbringen - für mich eine große Freude, denn Südostasien ist ein Epizentrum der Energiewende.

Sie ziehen in die USA und der zukünftige US-Präsident hat Zweifel am Klimawandel. Was ist das für ein Gefühl?

(Lacht) Keiner meiner Freunde hätte diesen Wahlsieg für möglich gehalten, und ich war geschockt. Aber wir müssen abwarten, was wirklich konkret passiert. Die USA hat vielleicht ein noch stärkeres föderales System als Deutschland. Das heißt, dass die einzelnen Bundesstaaten bestimmen, was im Land passiert.

Kalifornien hat keine Kohlekraftwerke mehr und nur noch ein Kernkraftwerk, das bald abgeschaltet werden soll, ist beim Thema Energiewende also schon bedeutend weiter als Deutschland. Ich glaube nicht, dass Trump daran etwas ändern wird.

Eicke Weber leitet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg seit 2006. Seine Institutsleitung endet zum Jahresende. Als führender Solarforscher setzt er sich für eine CO2-freie globale Energieversorgung ein und sucht die enge Verbindung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. 

Das Interview führte Gero Rueter.

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