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Solidarität mit Ashraf Fayadh

Kersten Knipp13. Januar 2016

Der Lyriker Ashraf Fayadh ist von einem saudischen Gericht zum Tode verurteilt worden. Es warf ihm "Apostasie", Abfall vom Glauben, vor. Um Fayadh vor dem Vollzug der Strafe zu retten, finden weltweit Lesungen statt.

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Porträt des Dichters Ashraf Fayadh
Bild: picture alliance/AP Photo/Ashraf Fayadh/Instagram

Nachvollziehbar ist das Todesurteil gegen den saudisch-palästinensischen Dichter Ashraf Fayadh wohl nur von denen, die es ausgesprochen haben. Er habe den Propheten Mohammed beleidigt; er habe den Koran verspottet und die Ankunft des jüngsten Tages geleugnet; er habe Atheismus verbreitet und er habe Gott auch in seiner Dichtung verhöhnt: Das sind einige der Vergehen, die ein saudisches Gericht gegen Fayadh erhoben hat. Sie gipfeln in dem Vorwurf, der Dichter habe Apostasie begangen, habe sich also vom (islamischen) Glauben losgesagt. Das Gericht erkannte zwar an, dass Fayadh dies bereut habe. Trotzdem wurde Fayadh zu vier Jahren Haft und 800 Peitschenhieben verurteilt. Zunächst.

Im November 2015 wurde das Urteil in einem weiteren Prozess revidiert. Fayadhs Reue gehe nicht weit genug. Daher werde er zum Tode verurteilt. Als Nachfahre palästinensischer Flüchtlinge lebt der 35 Jahre alte Fayadh zwar von Geburt an in Saudi-Arabien. Er ist aber kein Staatsbürger des Königreichs.

Instagram-Porträt des Dichters Ashraf Fayadh
Auch in den sozialen Netzwerken wird zur Solidarität mit Fayadh aufgerufenBild: Instagram/Ashraf Fayadh

"Große Ungerechtigkeit"

Gegen dieses Urteil protestieren am 14. Januar Dichter, Künstler und Intellektuelle aus mindestens 43 Ländern auf allen Kontinenten. In 121 Lesungen weisen sie auf das Schicksal Fayadhs hin. Im Rahmen des vom Internationalen Literatur Festival Berlin initiierten "Worldwide Reading for Ashraf Fayadh" versuchen sie die saudische Justiz dazu zu bewegen, ihr Urteil noch einmal zu überdenken.

"Wir sind der Ansicht, dass es eine große Ungerechtigkeit ist, dass ein junger Künstler wegen seines Werkes zum Todes verurteilt wird", heißt es in der Erklärung des Internationalen Literatur Festivals Berlin. Zugleich erhebt es schwere Vorwürfe gegen die Regierung des Königreichs: "Wir wissen, dass der Begriff 'Menschenrechte' ein der saudischen Regierung fremdes Konzept ist. Das zeigen die 47 Personen, die Anfang Januar hingerichtet worden sind."

"Eine Idee ist kein Verbrechen"

Porträt des syrischen Autors Adonis auf dem Literaturfestival in Granada Spanien
Der syrische Autor Adonis hat neben 350 weiteren Dichtern ein Gnadengesuch unerschriebenBild: Getty Images/AFP/J. Guerrero

Um wenigstens Ashraf Fayadh dieses Schicksal zu ersparen, haben zudem rund 350 Dichter ein vom Internationalen PEN-Zentrum initiiertes Gnadengesuch unterzeichnet – unter ihnen die Dichter Adonis (Syrien), Ghassan Zaqtan (Westjordanland), Charles Simic (USA), Simon Schama (Großbritannien). Auffallend ist die hohe Zahl arabischer Autoren.

"Es ist kein Verbrechen, eine Idee zu vertreten, wie unpopulär auch immer sie sein mag", heißt es in dem Brief. "Auch ist es kein Verbrechen, friedfertig eine Meinung zu vertreten. Jedes Individuum hat das Recht, zu glauben oder nicht zu glauben. Gewissensfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht."

Genau dieses Recht spricht das saudische Gericht Ashraf Fayadh ab. Es klagt ihn ausdrücklich auch wegen seiner Dichtung an. Da die Gerichtsakten aber verschlossen bleiben, kann man über die literarische Detektivarbeit des Gerichts nur spekulieren.

Misstrauen gegenüber Propheten

In seinem Gedichtband "Anweisungen nach Innen" lassen sich solche Vorwürfe allerdings nur schwerlich festmachen. "Die Propheten haben sich zurückgezogen", heißt es in einem der Gedichte. "Darum warte nicht darauf, dass deine zu dir kommen." Eine Beleidigung des islamischen Religionsstifters? Der Plural, den Fayadh in dem Gedicht verwendet, widerlegt diese Vermutung. "Propheten", das können alle nur denkbaren Propagandisten sein – längst ist der Begriff in vielen Sprachen aus der religiösen in die weltliche und politische Sphäre getreten.

Wohl aber ist denkbar, dass das Gedicht im Folgenden auf die in Saudi-Arabien mächtigen Religionsgelehrten anspielt, die genau darauf achten, dass die Staatsreligion, der streng konservative Wahhabismus, minutiös eingehalten wird.

Vollverschleierte Frau in Saudi-Arabien
Ein normales Straßenbild in Saudi-Arabien: die vollverschleierte FrauBild: Getty Images/AFP/R. Moghrabi

Gutbezahlte Glaubenswächter

"Für dich bringen die Überwacher ihre täglichen Berichte und bekommen ihre hohen Bezüge": Das könnte eine Anspielung auf die religiösen Gutachten sein, die die Wahhabisten nahezu täglich veröffentlichen und in denen sie sich noch über die belanglosesten Fragen des Lebens äußern.

Für ihre Dienste erhalten die Wahhabiten teils exorbitante Gehälter – und zwar in Anerkennung der Tatsache, dass sie dem Königshaus die religiöse Legitimation verleihen. Schwände diese, wäre dieses politisch und damit wohl auch real am Ende. Seit rund 250 Jahren haben die politischen und religiösen Machthaber darum zum beiderseitigen Nutzen einen engen Pakt geschlossen. Die einen setzen der Bevölkerung mit politischer, die anderen mit religiöser Macht zu. "Wie wichtig Geld für ein Leben in Würde ist", schließt das Gedicht: Ein Hinweis wohl darauf, dass man sich in dem korrupten Königreich offenbar nur mit Geld vor den Zumutungen der Religionsgelehrten schützen kann.

Bundesregierung ist gefordert

EP verleiht den Sacharow-Pres an Raif Badawi. Seine Frau Ensaf Haidar hält sein Bild in die Kamera
Der Blogger Raif Badawi hat im Dezember 2015 den Sacharow-Preis bekommen. Seine Frau nimmt ihn im europäischen Parlament entgegenBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Mit Kritikern, das hat auch das Urteil gegen den liberalen Blogger Raif Badawi gezeigt, geht Saudi-Arabien gnadenlos um. Badawi wurde für seine im Internet veröffentlichte und für westliche Verhältnisse ausgesprochen moderate Kritik am Königreich zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Und vor wenigen Tagen richtete Saudi-Arabien den gewaltlos agierenden schiitischen Prediger Nimr al-Nimr hin.

Mit "großem Entsetzen" hat auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur Kenntnis genommen, dass Ashraf Fayadh zum Tode verurteilt wurde. Für den Verein ist die Konsequenz klar, erklärt dessen Geschäftsführer Alexander Skipis: "Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Politik gegenüber Saudi-Arabien zu überprüfen und sich kompromisslos für Ashraf Fayadh und für die Freiheit des Wortes einzusetzen."